Darum gehts
- Antisemitische Gewalt in Australien eskaliert mit Terroranschlag in Sydney
- Experte sieht Zusammenhang mit zunehmend kritischer Haltung Australiens gegenüber Israel
- Über 1600 antisemitische Vorfälle in Australien von Herbst 2024 bis 2025
Drohungen, Schmierereien, Brandanschläge – und nun ein Terrorattentat. Seit dem 7. Oktober 2023 erlebt Australien einen drastischen Anstieg antisemitischer Gewalt. Am Sonntag erreicht sie in Sydney eine neue Eskalationsstufe: Die Täter eröffnen das Feuer auf eine Menge von Hunderten Jüdinnen und Juden, die am Bondi Beach in Sydney Chanukka feiern. Die Bilanz: mindestens 16 Tote.
«Die Attacke ist Teil einer antisemitischen Welle, die wir weltweit erleben», sagt der deutsche Extremismusforscher Ahmad Mansour zu Blick.
Die Zahlen stützen diese Einschätzung. So verzeichnete Australien von Herbst 2024 bis Herbst 2025 über 1600 antisemitische Vorfälle. Rund dreimal so viele wie vor dem Hamas-Angriff auf Israel.
Schuld an diesem Trend sei unter anderem die australische Politik, erklärt Mansour. Namentlich die zunehmend kritische Haltung der australischen Regierung gegenüber Israel. So erkennt sie diesen September Palästina als Staat an und unterstützt vermehrt Forderungen nach einem Rückzug der israelischen Truppen aus Gaza.
Serie von Anschlägen
«Die antiisraelische Politik ist Futter für Antisemiten. Sie fühlen sich bestätigt», so der Experte. «Am Ende leidet darunter nicht Israel als Staat, sondern jüdische Gemeinschaften weltweit.»
In Melbourne etwa wurde im Dezember 2024 eine Synagoge in Brand gesetzt. In Sydney wurden Autos und Häuser von jüdischen Gemeindemitgliedern beschädigt oder angezündet, teils mit antisemitischen Parolen. Anfang 2025 entdeckten Ermittler in New South Wales einen Wohnwagen mit Sprengstoff nahe einer jüdischen Einrichtung.
Australische Sicherheitsbehörden prüfen in mehreren Fällen auch eine mögliche Verbindung der mutmasslichen Täter zum Iran. Die Regierung wies 2025 den iranischen Botschafter aus und schloss ihre eigene Botschaft in Teheran.
Für das Massaker in Sydney sind mindestens zwei Täter verantwortlich. Einer wurde erschossen, der andere wurde festgenommen und befindet sich in kritischem Zustand. Die Polizei fand Sprengsätze in einem ihrer Autos.
«Koordinierte Vorgehensweise»
Mansour sieht darin Anzeichen einer geplanten Tat. «Mehrere Beteiligte, Waffen und Sprengsätze sprechen für eine koordinierte Vorgehensweise», so der Experte.
Die australischen Ermittler haben die Wohnung des verletzten Verdächtigen durchsucht. Er war den Behörden bekannt – aber nicht als unmittelbare Gefahr eingestuft. Ob er Verbindungen zu radikalisierten Gruppierungen hat, ist derzeit ungewiss.
Ahmad Mansour betont, antisemitische Gewalt sei aktuell überall ein Problem, nicht nur in Australien. Die Konsequenz: «Jüdinnen und Juden werden sich zunehmend aus westlichen Ländern zurückziehen», so der Experte.
Mehrere Hundert, teils über tausend Juden feierten diesen Sonntag am Bondi Beach. Videoaufnahmen zeigen, wie zwei Attentäter von einer Fussgängerbrücke auf die Menschen schiessen. Der Angriff dauerte mehrere Minuten lang.
«Langsam und amateurhaft»
Unter den 16 Toten sind einer der Schützen sowie der jüdische Organisator des Fests. Dutzende Menschen wurden verletzt.
«Was mich an diesem Angriff schockiert, ist, wie langsam und amateurhaft die Sicherheitskräfte reagiert haben», sagt Mansour und gibt zu bedenken: «Wenn man heute ein so grosses jüdisches Fest plant, muss das Sicherheitskonzept besser sein.»
Für Mansour ist der Anschlag von Sydney mehr als ein einzelnes Verbrechen. Er steht für eine Entwicklung, die jüdisches Leben zunehmend unsicher macht – selbst in offenen, westlichen Gesellschaften. «Und das schadet nicht zuletzt der Demokratie als solcher.»