Darum gehts
- Alice Robinson gewinnt ersten Super-G, erlebt Wechselbad der Gefühle
- Neuseeländerin schreibt Geschichte als erste Speed-Siegerin der Südhalbkugel
- Malorie Blanc fährt als Sechste, nur 33 Hundertstel vom Podest entfernt
Die Sonne scheint Alice Robinson (24) ins Gesicht. Im Zielraum von Salastrains strahlt sie noch mehr. Sie hat soeben ihren ersten Super-G gewonnen. Die Neuseeländerin schreibt Geschichte: Noch nie triumphierte eine Athletin aus der Südhalbkugel in einer Speed-Disziplin. «So ein Lauf ist mir noch nie gelungen. Es hat einfach alles gepasst», sagt sie.
Dann kippt die Stimmung. Warum? Auf die Frage, ob sie vom Amoklauf in Sydney (Aus) gehört habe, antwortet sie: «Nein, was ist passiert?» Robinson wird von Journalisten darüber informiert, dass es am berühmten Bondi Beach einen Amoklauf gegeben habe. Sie ist schockiert.
Ein Reporter fragt nach Kontakten nach Australien. «Ja, meine Familie ist dort», sagt sie und wendet sich ab. Robinsons Eltern sind Neuseeländer, sie lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in Queenstown. Geboren wurde sie in Sydney. Die Entschuldigung des Journalisten hört sie nicht mehr.
Kurz darauf erzählt eine australische Reporterin, Robinsons Grosseltern lebten wenige Kilometer ausserhalb Sydneys. Die Bosnierin Elvedina Muzaferija (26) läuft vorbei, hat das Gespräch nicht mitbekommen, umarmt Robinson und fragt: «Wo steigt heute die Party?» Robinson dreht sich weg. Tränen laufen über ihre Wangen.
Vonn: «Bin wie ein Kind gefahren»
Innert Sekunden erlebt Robinson ein Wechselbad der Gefühle. Dabei war ihre Fahrt auf der Corviglia brillant. Die Riesenslalom-Spezialistin zeigt Mut und Kraft, zieht die Radien wie kaum eine andere. Sie schlägt auch ihr einstiges Idol Lindsey Vonn (41). Die US-Amerikanerin wird Vierte. «Lindsey war immer eine grosse Inspiration», sagte Robinson vor drei Jahren zu Blick. Damals wird sie von Chris Knight trainiert, Vonns früherer Coach. Beide sind Red-Bull-Athletinnen – ein deutliches Zeichen ihrer Klasse.
Vonn gönnt Robinson den Sieg. Sie sei zufrieden mit ihrer Woche und froh über den ersten Erfolg seit dem Comeback. «Aber heute bin ich wie ein Kind gefahren. Ich habe nie auf die Kanten gedrückt, war vorsichtig», sagt sie im SRF.
Blanc hält dem Druck stand
Aus Schweizer Sicht tritt ein, was nach den Ausfällen von Lara Gut-Behrami (34), Corinne Suter (30) und Michelle Gisin (32) zu erwarten war: Niemand schliesst die Lücke. Zwei Lichtblicke bleiben. Jasmina Suter (30) wird Zwölfte – ihr bestes Resultat seit fast vier Jahren.
Und Malorie Blanc (21) fährt als Sechste den besten Super-G ihrer Karriere. Nur 33 Hundertstel fehlen zum Podest. «Ich habe etwas gedriftet und zu viel Respekt gezeigt. Aber ich bin glücklich. Und ich weiss, dass es noch schneller geht.»
Blanc sagt, sie habe in den drei Tagen im Engadin viel gelernt. Vor allem, sich nicht zu verzetteln. «Wenn es im Kopf passt, fahre ich schneller.» Vonn sei dafür ein Vorbild. «Sie hat Selbstvertrauen, geht ihren Weg und hat Spass.»
Hat die Speed-Queen dem Ski-Zirkus mit ihrem dominanten Abfahrtssieg einen Denkzettel verpasst? «Das hat etwas ausgelöst», sagt Blanc. «Auch ich verliere nicht gern und will besser werden. Ich hätte nie gedacht, einmal neben ihr Rennen zu fahren. Das gefällt mir – ebenso wie das Spektakel, das sie bietet.»