Darum gehts
- Edith Lehner leitet die Hörnlihütte am Matterhorn seit sieben Jahren
- Hüttenwartin-Job: Schönstes und Härtestes zugleich, erfordert Menschenliebe und Belastbarkeit
- An Spitzentagen werden bis zu 12'000 Liter Wasser in der Hütte verbraucht
Edith Lehner (59) steht am grossen Panoramafenster der Hörnlihütte am Fusse des Matterhorns. Ihr Blick geht hoch zum Berg, respektive in die Wolken und den Schneefall, die den Gipfel verschwinden lassen. «Gut ist das nicht, die sollten eigentlich schon längst zurück sein», sagt sie zu mir.
Für fünf Tage bin ich Praktikant auf der bekanntesten Hütte der Schweiz bei Zermatt VS. Ich will wissen, wie es sich auf der Hörnlihütte lebt, was die Faszination des Hüttenlebens ausmacht. Darum habe ich den Sommerjob als Hüttenpraktikant angenommen. Ich will eintauchen in die Welt der geschichtsträchtigen Hütte am bekanntesten Berg der Welt.
Die Chance gepackt
Edith Lehner ist hier oben meine Chefin, sie ist die Hüttenwartin, führt zusammen mit ihrem Mann seit sieben Jahren den Betrieb. Den Traum, eine Hütte zu übernehmen, hatte die Anästhesie-Pflegefachfrau schon lang. «Als dann die Anfrage für die Hörnlihütte kam, war für mich klar: Das ist noch etwas, das ich machen möchte – bevor es in Richtung Pension geht», erzählt sie mir.
Ihr Mann Martin Lehner (56) tut sich mit der Entscheidung etwas schwerer. Er ist ein Bergführer aus Zermatt, weiss, was der Job auf der Hörnlihütte bedeutet. Ihm ist bewusst, dass er dann als Bergführer zurückstecken muss. «Die Arbeitstage hier oben sind lang und intensiv», sagt Edith Lehner. «Aber nach kurzer Bedenkzeit haben wir gesagt: Wir packen das jetzt.»
Mit der ganzen Familie
Überzeugt werden mussten aber auch die drei Kinder, die damals noch schulpflichtig waren. «Zum Glück ist der Betrieb auf der Hütte relativ kurz – rund drei Monate», erklärt mir die Hüttenwartin. «Wir hatten vor sieben Jahren grosse Unterstützung von der Familie bei der Kinderbetreuung, also ging das. Aber meistens waren die Kinder bei uns auf der Hütte. Für unsere Familie war das eine sehr schöne Zeit.»
Das will ich von einem der Kinder selbst hören. Die älteste Tochter Sandra Lehner (21) ist gerade auf der Hütte, arbeitet im Hüttenteam. Sie sagt zu mir: «Am Anfang hatte ich nicht so Freude daran. Vorher sind wir jeden Sommer zum Campen ins Tessin gefahren. Der Sommer war für mich die Zeit, um rauszukommen aus Zermatt, um abzuschalten. Das ging jetzt nicht mehr.» Doch die Hörnlihütte zieht auch sie in den Bann. «Als ich zum ersten Mal hier oben war, hat es mich sofort gepackt. Seither bin ich jeden Sommer hier oben.»
Es braucht Abgrenzung
Am Panoramafenster gibt es inzwischen Neuigkeiten von den Bergsteigern. Sie sind auf dem Rückweg, treffen wenig später gesund auf der Hütte ein. Edith Lehner entspannt sich. Denn nicht immer geht es gut aus am Berg. Manchmal kommen Gäste auch nicht wieder. «Es ist schwer, wenn der Berg Opfer fordert», sagt Lehner. Das schockt dann natürlich das ganze Hüttenteam. «Wir sprechen dann zusammen über die Geschehnisse, um sie zu verarbeiten.»
Doch zu emotional darf die Hüttenwartin bei Todesfällen nicht werden. «Sonst zerbricht man daran», sagt sie. Das Matterhorn gilt als einer der tödlichsten Berge der Welt, mit durchschnittlich 8 bis 10 Todesfällen pro Jahr. Viele Bergsteiger waren zuvor auf der Hörnlihütte.
Edith Lehner hat eine klare Haltung. «Ich bin die Hüttenwartin der Hörnlihütte und nicht die Mama des Matterhorns und seiner Bergsteiger. Der Berg gehört allen, deshalb ist auch jeder für sich verantwortlich.»
Steigende Ansprüche
Die Verantwortung für die Hütte und das Team bringt ohnehin schon genug Arbeit. Die Tage der Lehners sind lang. Während sich Edith vor allem um das Organisatorische, die Gäste und das Personal kümmert, ist ihr Mann für die Technik der Hütte zuständig. Dazu gehört zum Beispiel die Wasserversorgung. «An Spitzentagen brauchen wir bis zu 12'000 Liter Wasser, das in die Hütte gepumpt werden muss», erklärt mir Martin Lehner im Keller der Hütte. Die Hörnlihütte in ihrer heutigen Form gibt es nur dank einer ausgefeilten und sehr energieintensiven Technik.
Dazu kommen steigende Ansprüche der Gäste. «Obwohl wir hier auf 3260 Meter über Meer sind, denken viele Gäste, dass sie in ein Hotel kommen», sagt Edith Lehner. «Wir versuchen viel zu bieten, aber irgendwo sind einfach die Grenzen erreicht.» Tatsächlich muss auch ich mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass hinter den Fenstern das Walliser Hochgebirge und nicht das Dorf Zermatt liegt.
Blick-Reporter Martin Meul arbeitet für fünf Tage in der Hörnlihütte am Matterhorn.
- Zum Praktikum: «Um 3 Uhr morgens ist die Stimmung aufgeregt bis nervös»
- Zur Hüttenwartin: «Ich bin nicht die Mama des Matterhorns»
- Zu den Besuchern: «Darauf erst einmal ein Bier, cheers!»
- Zum Hüttenteam: «Hier oben kommen existenzielle Fragen auf»
- Zu Schattenseiten: Fehlender Respekt vor dem Berg und den Menschen
Blick-Reporter Martin Meul arbeitet für fünf Tage in der Hörnlihütte am Matterhorn.
- Zum Praktikum: «Um 3 Uhr morgens ist die Stimmung aufgeregt bis nervös»
- Zur Hüttenwartin: «Ich bin nicht die Mama des Matterhorns»
- Zu den Besuchern: «Darauf erst einmal ein Bier, cheers!»
- Zum Hüttenteam: «Hier oben kommen existenzielle Fragen auf»
- Zu Schattenseiten: Fehlender Respekt vor dem Berg und den Menschen
Ein Traumjob?
Für mich stellt sich die Frage: «Ist Hüttenwartin der Hörnlihütte zu sein für Lehner immer noch ein Traumjob?»
Lehners Antwort ist differenziert. «Es ist das Schönste – und das Härteste, was du machen kannst. Du musst Menschen mögen, belastbar sein, improvisieren können. Es ist kein 08/15-Job, denn es gibt viele Entbehrungen. Aber wenn du dafür brennst, bekommst du unendlich viel zurück», sagt die Frau, die den Rest des Jahres nicht weniger gefordert ist. Denn wenn die Hütte zu ist, arbeitet Edith Lehner weiterhin als Anästhesie-Pflegefachfrau in einem Berner Spital.
Blick-Reporter Martin Meul arbeitet für fünf Tage auf der Hörnlihütte. Lies im nächsten Teil, welche Charaktere er auf der Hütte antrifft.