Darum gehts
- US-Zölle belasten Schweizer Stahl- und Aluminiumindustrie massiv
- Zölle führen zu steigenden Rohstoffpreisen und Wettbewerbsnachteilen für Unternehmen
- Der Branchenverband sieht den Industriestandort Schweiz in Gefahr
In der Stahl- und Aluminiumbranche ist man sich Hitze gewöhnt. In den Öfen kommen Temperaturen von mehreren Hundert oder gar weit über 1000 Grad zum Einsatz. Doch politische Entscheide wie Trumps Zollhammer führen dazu, dass es den Branchenvertretern langsam zu heiss wird.
Schweizer Stahl- und Aluminiumfirmen exportieren selbst zwar kaum in die USA. Doch ihre KMU-Kunden tun es und müssen auf Bestandteile aus Stahl oder Aluminium – die nicht aus den USA kommen – seit mehreren Monaten einen hohen Zoll zahlen. Vor zwei Monaten verdoppelte US-Präsident Donald Trump (79) diesen Zollsatz gar auf 50 Prozent.
Das kriegt auch die Firma Pestalozzi Stahltechnik mit Sitz in Dietikon ZH zu spüren. «Unsere Kunden, die einen hohen Exportanteil in die USA aufweisen, sind sehr stark davon betroffen», sagt Davide Abbamonte (35), Leiter des Geschäftsbereichs Stahl. Sind Kunden durch den Stahl- und Aluminiumzoll in den USA nicht mehr konkurrenzfähig, drohe dem Unternehmen ein «sehr hoher Umsatzverlust», führt er aus.
Situation wird «nochmals deutlich verschärft»
Ab heute Donnerstag kommt nun der nächste Tiefschlag dazu: Der 39-Prozent-Zollsatz auf Schweizer Exporte in die USA tritt in Kraft und wird die jetzt unbefriedigende Situation «nochmals deutlich verschärfen», so Abbamonte.
Das Unternehmen hat wegen der schwierigen Situation in der Branche bereits vor zwölf Monaten Kurzarbeit eingeführt. «Ein Handelskrieg und die damit verbundenen Zölle haben zur Folge, dass wir die Kurzarbeit auf 18 Monate verlängern müssen und im Notfall auch auf politische Entscheide angewiesen sind, dass die Kurzarbeit nochmals verlängert wird», sagt Abbamonte.
In den letzten Jahren kam es in der Branche immer wieder zu Entlassungen: Die Lage ist bereits ohne US-Zölle schwierig. «Der Zeitpunkt ist maximal ungünstig: Die globale Industrie befindet sich seit längerem in einer Krise», sagt Patrick Puddu (46) Finanzchef bei Stahl Gerlafingen.
Zölle lassen Rohstoffpreise steigen
Stahl Gerlafingen produziert rund aus Stahlschrott die Hälfte des Betonstahls, das in der Schweiz verbaut wird. Doch auch dieses Geschäft wird von den Zöllen tangiert. Sie wirbeln die Rohstoffpreise durcheinander, was die Branche zusätzlich belastet: «Wir stellen fest, dass einzelne Lieferanten die Zölle im Bereich Rohstoffe zum Anlass nehmen, um höhere Preise am Markt durchzusetzen», sagt Puddu. Stahl Gerlafingen rechnet darum mit erheblichen Mehrkosten bei der Beschaffung von Rohstoffen für die Stahlproduktion. Schlechte Nachrichten für eine Branche, die mit den hohen Produktionskosten in der Schweiz zu kämpfen hat.
Bereits die erste Amtsperiode von Trump als US-Präsident hinterliess bei Stahl Gerlafingen Spuren. Er führte bereits damals Strafzölle auf ausländisches Stahl und Aluminium ein. Die EU konterte mit Gegenzöllen von 25 Prozent, die auch für die Schweiz gelten und nach wie vor in Kraft sind. «Stahl Gerlafingen hat aufgrund der Strafzölle der EU auf Schweizer Stahl seine Exporte von Profilstahl im Jahre 2024 aufgegeben und die entsprechende Produktionslinie schliessen müssen», sagt Puddu. In der Folge mussten 95 Arbeitsplätze abgebaut werden.
Überbrückungshilfen für einzelne Firmen
Im letzten Herbst stand das Unternehmen kurz davor, weitere 120 Mitarbeiter zu entlassen. Doch dann entschied der Bundesrat, vier Unternehmen aus der Branche Überbrückungshilfen anzubieten. Gerlafingen nahm diese in Anspruch und sah der Massenentlassung ab. Auch Swiss Steel nutzt die Hilfen. Constellium und Novelis lehnten ab.
Die Hilfen sind an klare Auflagen geknüpft: Keine Boni an die Geschäftsführung. Keine Dividenden an die Eigentümer. Und ein Fahrplan für die Reduktion des CO2-Ausstosses.
Handlungsbedarf, damit «Industriestandort konkurrenzfähig bleibt»
Die Industrie braucht generell bessere Rahmenbedingungen, fordert der Fachverband Metall Suisse. So müsse der Freihandel ausgebaut, die bilateralen Beziehungen mit der EU gestärkt, Kurzarbeit ausgeweitet und der Standort Schweiz entlastet werden. Heisst: tiefere Energiepreise, eine sachliche Netto-Null-Debatte und weniger Bürokratie. «Die neuen Zölle sind ein massiver Wettbewerbsnachteil. Während andere Länder ihre Industrie schützen, wird unsere im Stich gelassen», sagt Andreas Steffes (49), Geschäftsführer von Metall Suisse.
«Regulatorische Belastungen für Unternehmen müssen in Zeiten wie diesen auf ein Minimum reduziert werden und der Ausbau von bürokratischen Alibiübungen – ich denke da zum Beispiel an die Verschärfung der Berichterstattungspflichten zum Thema Nachhaltigkeit – sofort gestoppt werden», sagt Davide Abbamonte.
Noch mehr hofft er derzeit aber, dass die Schweizer Behörden die US-Zölle doch noch auf ein Minimum reduzieren können «und der Industriestandort Schweiz konkurrenzfähig bleibt».