Darum gehts
- US-Notenbankchef Powell in Zins-Zwickmühle, Trump fordert Zinssenkung
- Inflationsrisiken und wirtschaftliche Unsicherheiten beeinflussen Zinsentscheidung
- Inflationsrate im Mai bei 2,4 Prozent, US-BIP schrumpfte um 0,3 Prozent
Wieder einmal musste sich US-Notenbankchef Jerome Powell (72) beschimpfen lassen. Und zwar von jenem Mann, der ihn einst eingesetzt hatte: von Donald Trump (79). An einer Veranstaltung im Weissen Haus letzte Woche bezeichnete der US-Präsident den Präsidenten der Federal Reserve vor versammelter Journalistenschar als «Hohlkopf». Schon früher hatte Trump Powell beleidigt, etwa als «grossen Verlierer».
Gleichzeitig goss der Republikaner im Vorfeld der Zinsentscheidung der US-Notenbank am Mittwoch nochmals Öl ins Feuer. Der Leitzins, der aktuell in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent liegt, ist aus Sicht von Trump zu hoch. Er müsse vielleicht «etwas erzwingen», sagte Trump am oben erwähnten Anlass. Was er damit genau meinte, liess er dann offen.
Eine Zinssenkung wäre logisch – eigentlich
Die Botschaft dürfte bei Powell aber angekommen sein: Die Zinsen sollen runter. Und zwar jetzt. Nur: Trump dürfte mit seinem «Befehl» an Powell ein weiteres Mal auf Granit beissen. Die Fed agiert weiterhin unabhängig. Und ihr Chef wird am Mittwochabend den Leitzins unverändert lassen, sind die meisten Marktbeobachter und Finanzanalystinnen überzeugt. Dabei spricht eigentlich einiges für tiefere Zinsen. Oder zumindest für klare Signale in Richtung einer Lockerung der Geldpolitik.
Die Inflationsrate lag im Mai bei 2,4 Prozent – nach rund 3 Prozent rund um den Jahreswechsel. Die Teuerung geht in der Tendenz also zurück und nähert sich dem Fed-Ziel von 2 Prozent an. Gleichzeitig ist der US-Wirtschaftsmotor leicht ins Stottern geraten, auch wenn sich der Arbeitsmarkt ziemlich robust zeigt. In den ersten drei Monaten 2025 ist das BIP der USA um 0,3 Prozent geschrumpft, ausgelöst durch die stark angestiegenen Importe amerikanischer Firmen. Das grosse Schreckenszenario: Fällt das BIP-Wachstum im zweiten Quartal wieder negativ aus, stecken die Vereinigten Staaten formal in einer Rezession. Beide Entwicklungen würden für eine Zinssenkung sprechen, wären wir in einer normalen Welt.
Inflationsrisiken sprechen gegen tiefere Zinsen
Nur befinden wir uns derzeit nicht in einer normalen Welt. Dafür sorgt unter anderem eben Trump mit seinen täglich neuen Ankündigungen zu wirtschaftlichen und geopolitischen Belangen. Von heute auf morgen ändert der US-Präsident gerne seine Meinung, was zu Unsicherheiten führt. Und genau deshalb steckt Powell in der Zins-Zwickmühle. Das Hauptproblem für den Fed-Chef ist das Wirrwarr der Trump'schen Zollpolitik. Die Wachstumsaussichten für die USA sind schwer voraussehbar.
Will Powell der Wirtschaft mit tieferen Zinsen unter die Arme greifen, droht ihm die Teuerung zu entgleisen. Die Gefahr einer wieder steigenden Inflation ist real. Trumps Zoll-Hammer wird, sind sich die Analysten einig, zu steigenden Preisen in den USA führen. Erschwerend kommt hinzu: Mit der Eskalation des militärischen Konflikts zwischen Israel und dem Iran hat auch der Ölpreis einen Sprung nach oben gemacht. Auch das ist inflationstreibend.
Der US-Notenbank-Chef steck also in der schwierigen Lage und muss zwischen dem Risiko einer durch die Zölle angeheizten Teuerung und einem Boost für die schwächelnde Wirtschaft abwägen. Ersteres spricht gegen eine Zinssenkung, Zweiteres eher dafür. Powell dürfte darum nicht an den Zinsen schrauben – und den US-Präsidenten ein weiteres Mal gegen sich aufbringen. Ob es dann neue Beleidigungen hagelt?