Darum gehts
Steht die US-Wirtschaft vor der grossen Krise? Zumindest die am Mittwoch veröffentlichten Konjunkturdaten deuten darauf hin: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA ist in den ersten drei Monaten 2025 gegenüber der Vorjahresperiode um 0,3 Prozent geschrumpft. Es ist der grösste BIP-Rückgang seit dem ersten Quartal 2022. Dass die US-Wirtschaft nun zurückgegangen ist, kommt einigermassen überraschend. Viele Ökonomen hatten im Vorfeld mit einem Wachstum gerechnet. Die Wall Street startete mit Verlusten in den Handel – wie schon öfter in der zweiten Amtszeit von Donald Trump (78).
Das grosse Schreckensgespenst: Die USA könnten bereits im Sommer definitiv in einer Rezession stecken. Denn eine Faustregel besagt: Zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem BIP-Wachstum gelten bereits als Rezession. Trump und die Amerikaner sind nur ein schlechtes zweites Jahresviertel davon entfernt. Die Prognosen fürs zweite Jahresviertel sind derzeit aber noch positiv. Und die Arbeitslosigkeit ist weiterhin tief, die US-Unternehmen berichten grundsätzlich von einer soliden Geschäftslage.
Wall Street verliert, aber kein Börsenbeben
Pessimisten unken schon länger: Die Rezession kommt. Es gibt jedoch gute Gründe, weshalb Panikmache verfrüht ist. Das zeigt sich zuerst bei der unmittelbaren Börsenreaktion in den USA. Die Wall Street büsste nach der Meldung zwar ein. Der Leitindex Dow Jones ist knapp 1 Prozent im Minus. Der breitere S&P 500 verliert knapp 1 Prozent. Von einem Börsenbeben kann damit nicht die Rede sein.
Entscheidender ist wohl aber ein anderer Punkt. So vernebeln die Handelsdaten der letzten Monate den wahren Zustand der US-Wirtschaft. Konkret: Das negative BIP-Wachstum im ersten Quartal ist «weniger Ausdruck eines Konjunktureinbruchs, sondern vor allem das Ergebnis statistischer Effekte», schreiben die beiden Ökonomen Johannes von Mandach (30) und Klaus Wellershoff (61) vom gleichnamigen Wirtschaftsberatungsunternehmen Wellershoff & Partners in einem kürzlich veröffentlichten Papier.
Explodierte Import-Zahlen verzerren BIP-Daten
Das Problem: Der sogenannte Aussenbeitrag, also die Differenz zwischen Exporten und Importen, ist Teil der BIP-Berechnung – wobei sich die Importe negativ auswirken. Normalerweise funktioniert dies gut. Nur: «In der aktuellen Situation kann dieses Prinzip jedoch zu Verzerrungen führen» so die beiden Volkswirte. Denn die amerikanischen Unternehmen haben im ersten Quartal in grossen Mengen Waren aus dem Ausland eingekauft – aus Angst vor Trumps Zollhammer. Die US-Importe sind im Vergleich zum Vorjahr um 41,3 Prozent gestiegen, die Exporte hingegen nur um 1,8 Prozent.
«Dies hat zur Folge, dass das tatsächliche Wirtschaftswachstum in den offiziellen Zahlen unterschätzt wird», heisst es im Papier weiter. Die beiden Ökonomen haben diese statistische Verzerrung auch konkret berechnet. Sie gehen von einem negativen Wachstumsbeitrag von rund 1,3 Prozentpunkten aus. Sprich: Um diesen Effekt bereinigt, ist das BIP der USA im ersten Quartal eben nicht um 0,3 Prozent gesunken, sondern um 1 Prozent gewachsen.
Für von Mandach und Wellershoff ist unbestritten, dass «sich die wirtschaftliche Dynamik verlangsamt hat». Sie warnen in ihrer Studie aber vor voreiligen Schlüssen: «Die hohen Importzahlen sind weniger ein Zeichen konjunktureller Schwäche als vielmehr Ausdruck eines vorgezogenen Lageraufbaus aufgrund der erratischen Zollpolitik des US-Präsidenten.» Sie gehen davon aus, dass die Verzerrung auch im zweiten Quartal noch spürbar ist. Erst die BIP-Zahlen für das dritte Quartal dürften die Realität wieder akkurat wiedergeben. Im Herbst lässt sich dann also die Frage besser beantworten, ob die führende Wirtschaftsmacht der Welt in einer Rezession steckt – oder nicht.