Die Schweiz zittert, der US-Präsident schweigt – was ist da los?
Heute ist Deadline-Day! Grosse Verwirrung um Trumps Pharmazölle

Donald Trump verhängte vergangene Woche einen Zollhammer von 100 Prozent auf alle patentierte Medikamente. Heute würde dieser in Kraft treten – doch die Schweizer Pharmaindustrie steht noch immer vor einem grossen Rätsel. Dabei könnten die Auswirkungen riesig sein.
Publiziert: 15:18 Uhr
|
Aktualisiert: 15:56 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/5
Am 1. Oktober kündigte Donald Trump auf Truth Social an, Arzneimittel mit einem Zoll von 100 Prozent zu belegen.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Darum gehts

  • Trump drohte vergangene Woche mit 100-Prozent-Zöllen auf patentierte Medikamente
  • Novartis und Roche rechnen dank US-Investitionen mit Schonung
  • Die Details sind aber weiterhin unklar
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Stichtag für die Pharmakonzerne! Donald Trump (79) hat nach mehrfachen Drohungen am vergangenen Donnerstag per 1. Oktober einen 100-prozentigen Zollsatz auf Markenmedikamente und patentierte Pharmaprodukte verhängt. Jetzt saust der neuste Zollhammer des US-Präsidenten runter. Oder doch nicht? 

Obwohl es am heutigen Mittwoch eigentlich so weit wäre, herrscht in der Schweizer Pharmabranche grosse Unsicherheit. Von verschiedenen Seiten ist zu vernehmen: Die Schweizer Pharmaindustrie tappt komplett im Dunkeln! Denn nach Trumps Ankündigung auf seiner Plattform Truth Social kam ... nichts. Keine «Executive Order» des Präsidenten, keine detaillierte Ausarbeitung des 100-Prozent-Zolls – und schon gar kein Gesetz.

In den USA selbst ist hingegen gerade enorm viel los: Just zum Zoll-Stichtag kündigt das Weisse Haus eine neue, eigene Website an. «Trump Rx» wird sie heissen. Darauf sollen Amerikaner an günstigere Medikamente kommen. Dahinter steckt ein Megadeal mit einem Pharmariesen – aber aus den eigenen Ami-Reihen. Und gleichzeitig herrscht seit Mitternacht ein Regierungsstillstand. 

Hat Trump bei all der Aufregung die Pharmazölle vergessen? Wie sieht es für Schweizer Konzerne wie Roche, Novartis und Co. aus? Blick beantwortet die drängendsten Fragen.

1

Sind Novartis und Roche jetzt betroffen?

Gute Frage, nächste Frage. In etwa so lässt sich aktuell die Gefühlslage in der Schweizer Pharmabranche zusammenfassen. Denn nach Trumps Ankündigung auf Truth Social gab es keine weiteren Details mehr. Novartis und Roche gehen darum auch weiterhin davon aus, vom 100-Prozent-Zoll verschont zu bleiben. Beide Pharmagiganten haben Milliardeninvestitionen in den USA angekündigt. Und der Zoll gilt nicht für Konzerne, die eigene Produktionsstätten in den USA haben oder bauen werden. Auf Anfrage von Blick am Mittwoch verweisen sowohl Roche als auch Novartis auf ihre Statements vom letzten Donnerstag. Sie werden dabei nicht müde, ihre Investments in den USA zu betonen. Novartis wurde sogar überraschend deutlich: «Der angekündigte 100-Prozent-Zollsatz sollte keine Auswirkung auf Novartis haben.»

2

Wie schwer treffen die Pharmazölle die Schweiz?

Die derzeitige Unsicherheit bringen auch Schweizer Pharmaverbände zum Ausdruck. So sagt eine Sprecherin von Scienceindustries gegenüber Blick: «Eine Kristallkugel hätten wir wie viele andere in dieser Situation gerne.» Und weiter: «Sicher ist nur die Unsicherheit.» Der Verband weist darauf hin, dass weiterhin eine rechtliche Grundlage für die Zölle fehle. Deswegen seien auch die Folgen für Schweizer Pharmakonzerne schwer abzuschätzen. Fest steht aber: Auf Firmen mit bereits bestehenden Produktionsstätten in den USA dürften sich die Zölle weniger stark auswirken als auf solche, die nicht in den USA produzieren. Paradebeispiel ist der Konzern Galderma – denn der Spezialist für Hautpflege und ästhetische Dermatologie produziert bestimmte Präparate ausserhalb der USA. 

Wären Novartis und Roche am Ende doch betroffen, wären die Auswirkungen riesig: Denn die Schweizer Wirtschaft ist stark von der hiesigen Pharmabranche abhängig. Sie erwirtschaftet rund 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Rund ein Viertel aller Exporte entfällt auf die von Konzernen wie Novartis und Roche getragene Industrie. Und gleichzeitig haben sich die USA zum entscheidenden Absatzmarkt entwickelt. Mittlerweile geht die Hälfte der Pharmaexporte ins Trump-Land.

3

Hat die EU einen Last-Minute-Deal für sich ausgehandelt?

Aus der EU importierte Arzneimittel sollen laut US-Regierungskreisen von den neuen US-Zöllen verschont bleiben, wie mehrere Medien berichten. Das Weisse Haus stehe zu der vereinbarten Zollobergrenze von 15 Prozent auf EU-Importe. Diese gelte ebenfalls für Pharmaprodukte. Davon ging bislang auch die EU-Kommission aus und berief sich strikt auf den ausgehandelten Zolldeal von Mitte August. Düsterer wirds für das Nicht-EU-Mitglied Grossbritannien: Das Land müsse mit 100-prozentigen Zöllen auf Arzneimittelimporte in die USA rechnen, teilte die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine anonyme Quelle mit.

4

Was hat es mit dem Megadeal von Pfizer auf sich?

Der amerikanische Pharmariese Pfizer ist der erste der Branche, der sich allen Forderungen von Trump freiwillig beugt. Dies gab der Präsident am Dienstagabend an einer Pressekonferenz bekannt. So sollen Pfizer-Medikamente im Rahmen des staatlich finanzierten Gesundheitsprogramms Medicaid – das Vergünstigungen für einkommensschwache Personen vorsieht – billiger abgegeben werden. Ausserdem will Pfizer seine Produkte auf der neuen Trump-Rx-Website günstiger anbieten. Die Medikamente sollen dort um durchschnittlich 50 Prozent günstiger sein. Im Gegenzug erhält Pfizer von der Regierung eine dreijährige Gnadenfrist, in der der Konzern von den Zöllen befreit ist.

An der Pressekonferenz deutet Trump an, dass dieser Deal wegweisend sein könnte: «Wir werden Deals mit allen machen – sie stehen an bei uns», sagte er. Und wenn es keine Vereinbarung gibt: «Dann gibt es Zölle», so der US-Präsident.

5

Wie haben die Aktienmärkte heute Mittwoch reagiert?

Die Unsicherheit über die angekündigten Pharmazölle ist nicht zu spüren – im Gegenteil. Sowohl Novartis (plus 2,4 Prozent) und Roche (plus 4,3 Prozent) legten am Mittwochmorgen kräftig zu. Der Grund: die Einigung zwischen Trump und Pfizer über günstigere Medikamentenpreise. Gemäss dem US-Präsidenten sollen weitere Deals folgen. Das schürt bei den Firmen die Hoffnung auf Entspannung. Die Analysten der US-Bank J. P. Morgan sind überzeugt: Der Trump-Deal mit Pfizer könne ein Wegweiser für die Branche sein und die Investoren dank weitgehend beherrschbaren Auswirkungen beruhigen.
 

6

Warum macht Trump das überhaupt?

Trump will mehr Arbeitsplätze in den USA schaffen und deshalb Produktionsstätten nach Amerika holen. Darauf baut sein Strafzollregime. Bei den Pharmazöllen geht es dem Republikaner auch um tiefere Medikamentenpreise. Und letztlich ist der US-Präsident gerade aktuell auf Zusatzeinnahmen durch Strafzölle fast schon angewiesen, denn Washington hat sich erneut einen «Shutdown» eingebrockt: Die Regierungsbudgets können aktuell nicht gedeckt werden.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Externe Inhalte
      Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
      Meistgelesen