Darum gehts
- Victorinox erwägt gemäss US-Medium, Teile der Produktion in die USA zu verlagern
- Trumps Zölle bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Taschenmesserherstellers
- Victorinox rechnet mit Zusatzkosten von bis zu 13 Millionen Dollar jährlich
«Wenn das Schweizer Sackmesser in Amerika hergestellt wird, ist es dann noch schweizerisch?» Das fragt sich die «New York Times», die grösste Zeitung der USA, in einem grossen Artikel. Im Fokus: der weltweit bekannte Sackmesserhersteller Victorinox. Dem Schweizer Traditionsunternehmen mit Sitz in Ibach SZ widmet das Blatt einen überaus langen Bericht, den es am Sonntag prominent veröffentlichte.
Darin macht die Zeitung eine Aussage mit Sprengkraft: «Unternehmen wie Victorinox wägen ab, ob sie Teile ihrer Produktion nach Amerika verlagern sollen», heisst es. Dies weil der Produzent unter dem 39-Prozent-Zollhammer von Donald Trump (79) ächzt. Durch die Verlagerung in die USA könnte die Firma 500'000 Dollar an Zollgebühren einsparen, schreibt die Zeitung.
Victorinox ordnet ein
Was ist an dieser Spekulation dran? Blick hat bei Victorinox nachgefragt. Eine Sprecherin bestätigt: Das Unternehmen erwäge Möglichkeiten, Produktionsprozesse in die USA zu verlagern. Es handle sich dabei aber um einzelne Arbeitsschritte am Ende des Prozesses, etwa um die Reinigung und Verpackung von Berufsmessern, die beispielsweise Köche oder Metzgerinnen nutzen.
Effektiv produzieren will Victorinox die Messer aber nach wie vor in der Schweiz. «Die Produktion ins Ausland zu verlegen, würde das Wesen unserer Marke untergraben», sagte Victorinox-Chef Carl Elsener (67) bereits zur «New York Times». Derzeit seien von den Überlegungen noch keine Arbeitsplätze betroffen, erklärt die Sprecherin gegenüber Blick. Je nach Dauer und Höhe der US-Zölle könnte sich das aber ändern.
Zusatzkosten von 13 Millionen Dollar
Die Strafzölle von 39 Prozent, die Trump am 1. August gegen die Schweiz verhängte, trafen Victorinox hart. Die USA sind für das Unternehmen der wichtigste Markt. Jahrzehntelang zahlte die Firma einen US-Zollsatz von 4,5 Prozent. Jetzt beträgt er 44 Prozent, so der Konzern – eine Verzehnfachung des vorherigen Satzes! Probleme bereitet auch die Abwertung des Dollars gegenüber dem Franken um etwa 12 Prozent seit Jahresbeginn, was die Kosten noch weiter in die Höhe treibt. Ab kommendem Jahr rechnet Victorinox deshalb mit Zusatzkosten von bis zu 13 Millionen Dollar pro Jahr. «Dies stellt eine massive Herausforderung für unsere Wettbewerbsfähigkeit, Margen und Strategie dar», sagt die Sprecherin zu Blick.
Kurzfristig könne man die Belastung dank vorausschauender Lageraufstockungen noch abfedern. Denn sobald klar war, dass der Schweiz Strafzölle durch die USA drohen, reagierte Elsener. Und zwar schon im Januar. «Ich habe unserem Team sofort befohlen, die Produktion auf Hochtouren zu fahren und die Lagerbestände in den Vereinigten Staaten aufzufüllen», so der Unternehmer zur US-Zeitung. Einige Victorinox-Manager in Amerika hätten sich gewehrt. «Ich sagte ihnen, sie sollen es einfach tun.»
Mega-Marge wegen Produktion in Asien
Die Aufstockung hat Victorinox zwar etwas Spielraum verschafft. Trotzdem zeigen die jüngsten Ereignisse: Gespart werden muss in Ibach an allen Ecken und Kanten, um die Swissness beizubehalten.
Dabei macht die Firma bei der Swissness bereits heute Abstriche: Ihre Koffer, Rucksäcke und Taschen lässt Victorinox nämlich in Vietnam, China und Indonesien produzieren, wie das Konsumentenmagazin «K-Tipp» aufdeckte. Das zu sehr günstigen Preisen, wodurch die Firma hohe Margen kassiere. Denn die Kundschaft zahle für die Produkte im Schnitt sechsmal so viel, wie sie im Einkauf kosteten, so das Konsumentenmagazin.
Victorinox wehrte sich: Die Produkte biete man weltweit «in einem ähnlichen Preisband» an. Bleibt zu hoffen, dass sich die Traditionsfirma vorausschauend einen Batzen der dicken Margengewinne zur Seite gelegt hat, um Trumps Zollsturm zu überstehen – und die Swissness ihrer Sackmesser zu erhalten.