Darum gehts
- Bauvorhaben in Winterthur ZH wird zur Endlosgeschichte durch Heimatschutz-Blockade
- Streit um Schutzwürdigkeit der Gebäude verzögert Ersatzneubau mit mehr Wohnfläche
- Kantonale Denkmalpflege beurteilte Fall zweimal, fand keine hohen Schutzanforderungen erfüllt
Ein Bauvorhaben in Winterthur ZH wird zur Endlosgeschichte: Ende 2017 wollten die Mehrheitseigentümer der Siedlung Brunnergut in der Nähe des Winterthurer Bahnhofs einen Ersatzneubau planen. Die aktuellen Wohnungen sind hellhörig und schlecht isoliert. Zudem haben einige Mieter mit Feuchtigkeit und Schimmel zu kämpfen. Vorgesehen war ein Architekturwettbewerb mit dem Ziel, eine durchmischte Überbauung mit beinahe der doppelten Wohnfläche zu realisieren, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.
Doch auch acht Jahre später sind die Pläne keinen Schritt weiter: Der Abriss der schlichten Gebäude aus den 50er-Jahren ist durch den Zürcher Heimatschutz blockiert. Der Streitpunkt: Sind die Gebäude ein Schutzobjekt oder nicht?
Gutachten ungenügend
2016 wurden die Bauten in das städtische Inventar der schutzwürdigen Bauten aufgenommen – ohne dass er jemals darüber informiert worden sei, sagt einer der Eigentümer, Marco Hälberli, gegenüber der «NZZ am Sonntag»: «Es ist doch sehr ärgerlich, dass man als Eigentümer über einen solch wesentlichen Eingriff nicht einmal informiert wird.»
Die kantonale Denkmalpflege hat als unabhängiges Fachgremium den Fall bereits zwei Mal beurteilt und kam zum Schluss: Das Brunnergut erfüllt die hohen Anforderungen an ein Schutzobjekt nicht. Aus Sicht des Baurekursgerichts sind die beiden Gutachten jedoch ungenügend. Die Begründung ist aus Sicht der Eigentümer nur schwer nachvollziehbar: So sei die Bildqualität der Grundrisspläne ungenügend, obwohl sich das Gutachten die Originalpläne berücksichtigt hat. Zudem verlangt das Gericht zusätzliche Abklärungen mit einer sozialhistorischen Analyse zur ursprünglichen Mieterschaft.
Spatenstich nach einem Jahrzehnt?
Der Zürcher Heimatschutz argumentiert gegenüber der Zeitung, dass der Schutz der Gebäude aus «sozialhistorischen, ökonomischen und städtebaulichen Gründen» angebracht sei. Der Denkmals- und Ortsbildschutz funktioniere in vielen Gemeinden alles andere als gut. Deshalb sei man bei fast 80 Prozent der Rekurse erfolgreich.
Die Mehrheitseigentümer haben nun Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht eingereicht – und müssen weiter warten. Sollte das Brunnergut tatsächlich aus dem städtischen Inventar gelöscht werden, wird es bis zur Realisierung des Ersatzneubaus aber noch Jahre dauern – insbesondere, wenn gegen das Baugesuch Rekurs eingelegt wird. In Anbetracht solcher Zeiträume fehlt für die Eigentümer jede Rechtssicherheit.
Wenn Bauvorhaben zu Generationenprojekten werden
Immer wieder machen Einsprachen Bauvorhaben in der Schweiz zu Generationenprojekten: So geht es auf dem Zürcher Hardturm-Areal wegen Einsprachen seit fast 20 Jahren nicht vorwärts. Neben einem neuen Stadion wären hier knapp 800 neue Wohnungen geplant – 174 im preisgünstigen Segment. Seit 2007 ist in Aarau ebenfalls ein Stadionprojekt blockiert – auch hier sollen rund 400 Wohnungen entstehen. In Gossau SG hat ein Einsprecher den Bau eines neuen Altersheims um über zwölf Jahre verzögert.
In Zürich haben Parlamentarier einen Vorstoss eingereicht, der das Verbandsbeschwerderecht einschränken soll. Auf nationaler Ebene will man zudem gegen missbräuchliche Einsprachen vorgehen, mit denen Bauprojekte oft jahrelang verzögert werden. Der Bundesrat prüft, inwiefern deren Sanktionierung ins Gesetz geschrieben werden kann.
Bauherren würden sich sicherlich auch über klare zeitliche Vorgaben freuen, innerhalb derer Gutachten erstellt werden und Gerichtsinstanzen entscheiden müssen.