Das sind die sichersten Reiseziele der Welt
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Europa dominiert Ranking:Das sind die sichersten Reiseziele der Welt

Reiseverbands-Präsident Martin Wittwer (64) über seine Branche, das Ferienverhalten der Schweizer und Massentourismus
«Man muss sich für das Reisen nicht schämen»

Ist die Reisebranche in der Krise? Nix da! Schweizer geben laut dem Reiseverbands-Präsidenten weiterhin viel für Reisen aus, und die Reisetätigkeit nimmt zu. Zudem erzählt er, warum er die geplante Fusion von Dertour Suisse und Hotelplan Suisse positiv einstuft.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 07:56 Uhr
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Laut Martin Wittwer, Präsident des Schweizer Reise-Verbands, gönnen wir uns trotz allgemeiner Teuerung gerne Ferien.
Foto: Jean-Claude Raemy

Darum gehts

  • Schweizer Reiseverhalten bleibt konstant, beliebte Ziele sind Mittelmeerländer
  • Reisebudgets steigen, Auslandsreisen kosten Schweizer jährlich 10 Milliarden Franken
  • 40 Prozent der Schweizer machen Inlandsferien, 60 Prozent reisen ins Ausland
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Es ist Sommerferienzeit. Viel wird über neue Trends und vom Tourismus verursachte Probleme geschrieben. Doch Martin Wittwer (64), Präsident des Schweizer Reise-Verbands (SRV), spricht im Blick-Interview auch über die Beständigkeit im Reisebusiness. Er sieht aber auch Herausforderungen für die Schweizer Reisebranche.

Herr Wittwer, wohin reisen die Schweizerinnen und Schweizer in diesem Jahr?
Martin Wittwer: Das Sommergeschäft verändert sich weniger, als viele glauben. Das Reiseverhalten hat sich in den letzten Jahren – abgesehen von der Corona-Zeit – nicht wesentlich verändert. Die grossen Ziele sind weiterhin Spanien, Griechenland, die Türkei oder Italien.

Keine Lust auf «Coolcation», wenn es am Mittelmeer zu heiss wird?
Es reisen mehr Menschen nach Skandinavien als früher, das ist so. Aber nicht zulasten der Ziele am Mittelmeer. Prozentual machen nordische Ziele immer noch einen kleinen Anteil der Ferien-Nachfrage aus, rund 8 bis 9 Prozent. Wir stellen fest, dass die gesamte Anzahl Reisen weiterhin zunimmt. Das hat unter anderem mit dem Bevölkerungswachstum zu tun.

In den Bergen wäre es auch kühler, verbringen mehr Schweizer Ferien im eigenen Land?
Das war während Corona so. Das Verhältnis ist jetzt wieder da, wo es vor Corona war: Etwa 35 Prozent machen Ferien im Inland, 65 Prozent im Ausland.

Wie haben sich die Reisebudgets verändert?
Reisen sind in den letzten Jahren nicht generell teurer geworden. Vergleicht man die Entwicklung der Schweizer Grundlöhne mit der Entwicklung der Preise, ist Reisen sogar günstiger geworden. Mit der aktuellen Frankenstärke erst recht. Deshalb geben wir immer noch viel für Reisen aus. Laut dem Schweizer Tourismus-Verband gaben wir letztes Jahr im Ausland 18,9 Milliarden Franken aus. Ausländische Touristen gaben bei uns 19,6 Milliarden Franken aus. Damit ist die Tourismusbilanz immer noch positiv.

Das Leben in der Schweiz ist teurer geworden, aber beim Reisen wird nicht gespart?
Offenbar nicht. Das Bedürfnis nach Tapetenwechsel ist immer noch stark ausgeprägt, und wir Schweizer gönnen uns Ferien. In der Summe nimmt die Reisetätigkeit bei uns weiter zu. Das belegen unter anderem die Zahlen am Flughafen Zürich.

Wie gross ist das Feriengeschäft?
Ferienreisen ins Ausland lassen wir uns in der Schweiz rund 10 Milliarden Franken pro Jahr kosten. Rund ein Viertel davon, etwa 2,5 Milliarden Franken, wird über Reiseveranstalter und Reisebüros gebucht. Den Rest buchen Schweizer selber, über Plattformen oder bei Airlines.

Wie buchen wir Schweizer unsere Ferien?
Wieder deutlich länger im Voraus, und klar häufiger für Herbst und Winter – Skiferien in der Schweiz sind teuer. Wir buchen auch völlig unterschiedlich: teils über Reiseveranstalter, teils selber. Der Anteil an Buchungen bei ausländischen Veranstaltern und Plattformen ist leider immer noch sehr hoch. Das wäre gar nicht nötig: Sehr oft sind wir in der Schweiz für Reisen preislich konkurrenzfähig.

Die Nummern 1 und 2 unter den Schweizer Reiseveranstaltern – Dertour Suisse und Hotelplan Suisse – wollen fusionieren. Allerdings schaut sich das die Wettbewerbskommission näher an. Wie stehen Sie zum Zusammenschluss?
Ich sehe da kein Problem. Für den Konsumenten ergibt die Fusion keine Einschränkung: Er hat genügend Alternativen, wo er buchen kann. Ich sehe auch keine Veränderungen beim Preisbild: Hotelplan und Kuoni müssen im Badeferiengeschäft mit europäischen Grössen mithalten, daran ändert die Fusion nichts. Ich sehe es positiv: Immerhin bleibt die Marke Hotelplan nach dem Verkauf durch die Migros erhalten, und viele Arbeits- und Ausbildungsplätze bleiben in der Schweiz. Überdies bedienen beide Unternehmen weiterhin die Gesamtschweiz, also auch die Romandie und das Tessin. Es ist für die Schweiz die bestmögliche Lösung.

Heisst das aber auch, dass es künftig weniger Reisebüros in der Schweiz gibt?
Das kann sein. In anderen Branchen – Banken, Elektronik und mehr – verschwinden auch immer mehr Filialen. Gleichzeitig bauen aber Onlineshops immer öfter physische Verkaufsstandorte auf. Was ich damit sagen will: Das Reisebüro ist nicht tot. Aber Inhaber müssen in moderne Technologie investieren, innovativ unterwegs sein, eine Community schaffen, lukrative Marktnischen finden. Da ergeben sich gute Chancen.

Was spricht denn noch für Reisebüros?
Der Name wirkt zugegebenermassen etwas veraltet. Aber zum einen schätzen viele den «Faktor Mensch» beim Verkauf. Der schafft Nähe und Vertrauen und bietet Service: Wer selber eine komplexe Reise bucht, merkt schnell, wie aufwendig das ist. Zum anderen bieten vom Reisebüro vermittelte Pauschalreisen Sicherheit: Die Kundengeldabsicherung schützt im Rahmen des Pauschalreisegesetzes das im Voraus bezahlte Geld und garantiert die Rückreise, falls Airline, Reiseveranstalter oder Hotel insolvent werden. Wer selber bucht, ist nicht geschützt.

Noch ein Wort zum Dauerthema Overtourism: Eine Gefahr für die Branche?
Der Massentourismus verändert das Reisen nicht. Konsumenten sind mündig und haben genügend Alternativen. Trotzdem reisen sie immer noch oft nach Mallorca beispielsweise. Die Probleme in einer kleinen Zone in und um Palma halten nicht vor Reisen auf die ganze Insel ab.

Das sieht die Lokalbevölkerung in Tourismuszentren anders ...
Diese hat tatsächlich ein Problem. Da ist meines Erachtens die lokale Politik gefragt, Lösungen zu finden, um den unkontrollierten Tourismus einzudämmen. Die Reisebranche versucht längst, neue Ziele zu bieten und Nachhaltigkeit im Angebot zu integrieren. Gerade Schweizer achten nicht nur auf den Preis, sondern auch auf nachhaltige Angebote. Man muss sich aber für das Reisen nicht schämen. Es ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auch in Zürich herrschen Wohnungsnot und hohe Mietpreise. Ich sehe aber niemanden, der ruft: «Bankers, go home!»

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