Darum gehts
Mit einer raffinierten Betrugsmasche tricksen Kriminelle seit Monaten ihre Opfer aus und leeren deren Twint-Konto. Ihr Ziel sind Personen, die auf Onlineplattformen wie Tutti Waren anbieten. Die Betrüger lassen sich Waren an Adressen von nicht existierenden oder verstorbenen Personen senden. Gleichzeitig versichern sie den Verkäufern, sie könnten nun auf einem Link die Funktion «Geld erhalten» anklicken, um die Auszahlung via Twint auszulösen.
Nur: Eine solche Funktion gibt es bei Twint nicht. Es handelt sich um Phishing, wie der Fall von Ursula Brecht zeigt, über den der Beobachter berichtete. Innerhalb einer halben Stunde räumten Unbekannte ihr Konto leer. Schaden: fast 5000 Franken.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Überraschung im Nachhinein
Monate später zeigt sich plötzlich: Die Frau, die eigentlich anders heisst, soll jetzt auch noch ein iPhone 16 Pro für 1000 Franken bezahlen, das die Diebe bei Mediamarkt auf Kredit bestellten – mit der Twint-Funktion «Später bezahlen». Swissbilling, eine Sparte der Cembra Money Bank, die den Dienst via Twint anbietet, will die Kosten bei Ursula Brecht eintreiben.
Besonders absurd: Die Staatsanwaltschaft St. Gallen konnte bei den polizeilichen Ermittlungen den genauen Zeitpunkt feststellen, an dem ein 28-jähriger Mann aus der Westschweiz bei Mediamarkt das Handy bestellt hatte. Ebenfalls dokumentiert ist: Geliefert wurde das iPhone nach La Chaux-de-Fonds. Der Empfänger ist Swissbilling und Mediamarkt ebenfalls bekannt, er quittierte die Lieferung mit seiner Unterschrift.
Swissbilling unbeirrt
Swissbilling will die Zahlungsaufforderung nicht zurücknehmen und stellt sich auf den Standpunkt, die Frau habe «sorgfaltspflichtwidrig» die eigenen Zugangsdaten von Twint «unberechtigten Dritten» weitergegeben. Folglich hafte sie für die betrügerischen Transaktionen – inklusive des Handykaufs bei Mediamarkt.
Ursula Brecht ihrerseits ist der Meinung, sie habe mit Mediamarkt weder einen Kaufvertrag abgeschlossen, noch habe sie das Handy bestellt, geschweige denn erhalten. Obwohl die Täterschaft mit Name und Adresse bekannt und aktenkundig ist, behauptet Swissbilling, man verfüge über «keine weiterführenden Informationen zur Täterschaft». Auch sei die Inkassofirma nicht in die Auslieferung der Ware involviert gewesen.
Mediamarkt möchte kulant sein
Mediamarkt möchte den Fall kulant lösen, betont aber, Swissbilling müsste die Forderung stornieren. Dort rühmt man sich für die eigene Grosszügigkeit: «Wir haben die Mahngebühren storniert und werden uns betreffend die Rückzahlungsmodalitäten mit der Kundin direkt in Kontakt setzen.» Sprich: Swissbilling beharrt auf der Zahlung.
Ursula Brecht wird es auf eine Betreibung ankommen lassen und anschliessend Rechtsvorschlag erheben. Das rät auch das Beobachter-Beratungszentrum: Weil die Frau das Handy gar nicht bestellt hat, ist sie auch keinen Kaufvertrag eingegangen. Folglich schuldet sie Mediamarkt auch keinen Kaufpreis.
Gegen den tatsächlichen Käufer in der Westschweiz, der mit den Zugangsdaten von Ursula Brecht das iPhone 16 Pro bestellte, läuft ein Strafverfahren.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 3. Dezember 2025 beim Beobachter veröffentlicht.