Darum gehts
- Online-Shop nutzt fragwürdige Methoden, um Produkte zu verkaufen
- Emotionale Verbindung im Marketing wichtig, aber oft für Betrug genutzt
- 890 Fälle von Online-Betrug im letzten Jahr registriert
Die Boutique Elise Lausanne kündigt an, ihren gesamten Bestand innerhalb von 24 Stunden zu Tiefstpreisen zu verkaufen. Dieser Online-Modehandel verkauft angeblich Produkte, die «in Lausanne entworfen» wurden, und brüstet sich damit, «nachhaltige» Mode zu verkaufen. Nun macht er angeblich von einem Tag auf den anderen dicht und gibt dafür einen tragischen Grund an: «Nach dem unerwarteten Verlust unserer lieben Tochter haben wir beschlossen, unseren Shop zu schliessen», heisst es auf der Website. «Letzter Tag», heisst es an anderer Stelle. Man beachte dabei, dass diese Ankündigung bereits seit mehreren Tagen auf der Website zu sehen ist.
Die Erklärungen überzeugen nicht. In einem am Freitag auf Linkedin veröffentlichten Beitrag wettert Jacob Grabowski, der im Wirtschaftskompetenzzentrum Centre Patronal in Paudex VD für Unternehmensgründungen zuständig ist, über diese «ekelhaften» Methoden, die nicht davor haltmachen, mit Gefühlen zu spielen. Seiner Meinung nach hat dieser Shop nichts mit Lausanne zu tun, sondern ist nur eine weitere Dropshipping-Website. Dafür gibt es mehrere Indizien: Mit künstlicher Intelligenz (KI) erstellte Grafiken, eine von einer britischen Firma betriebene Seite, die Schaffung eines Gefühls der Dringlichkeit.
Empathie ist Trumpf
Der Shop ist mit diesen Methoden nicht allein. Instagram und Tiktok sind voll von Werbeinhalten dieser Art, die auf Empathie setzen und versuchen, potenzielle Käufer zu Tränen zu rühren: Ältere Menschen oder Jugendliche mit Behinderungen, die Gadgets herstellen, untermalt von ergreifender Musik.
«Die emotionale Verbindung war im Marketing schon immer wichtig. Es berührt die Menschen direkt und steigert die Aufmerksamkeit. Das kann das Kaufverhalten verändern», erklärt Mathieu Fouvy, Partner der Agentur Créatives und Experte für digitales Marketing.
Seiner Meinung nach schätzen die Verbraucher im Zeitalter der sozialen Medien zunehmend das Menschliche und Authentische, was die Marken dazu veranlasst, anders zu kommunizieren. «Also nutzen wir Influencer, um Produkte zu bewerben, und zeigen die Menschen im Unternehmen. Das menschliche Gesicht wirkt bestärkend, der Käufer projiziert leichter Empathie. Die Marken neigen eher dazu, weniger geleckte Visualisierungen zu machen, weniger Studio. Denn das ist realer.»
Schwierig, das Echte vom Falschen zu unterscheiden
Nur: Nach der Bestellung kommt oft die kalte Dusche. In Foren wie Reddit finden sich Hunderte von Berichten, in denen sich die Leute darüber beschweren, dass sie minderwertige Ware erhalten haben, die auch nichts Lokales an sich hat. In einigen Fällen handelt es sich schlichtweg um reine Abzocke, da die Kunden nie etwas von ihrem Paket gesehen haben. Laut Statistiken des Bundes registrierte die Polizei allein im vergangenen Jahr 890 Fälle von Online-Betrug im Zusammenhang mit betrügerischen Websites. Den Betrügern das Handwerk zu legen, ist schwierig. Die Aufklärungsquote lag bei nur 20,9 Prozent.
Wegen der Demokratisierung der digitalen Hilfsmittel wird es immer schwieriger, Betrügereien zu erkennen. «Wir werden heute von Inhalten überflutet. Es ist schwierig, das Echte vom Falschen zu unterscheiden. Egal, ob es um ein Bild oder um einen Text geht: Das Aussortieren und der Entscheid, etwas zu vertrauen, wird sehr kompliziert», fasst Marketing-Experte Fouvy zusammen.
Betrügerische Websites erkennen
Die Schweizer Behörden rufen bei Kaufentscheidungen zur Vorsicht auf. Es gibt mehrere Seiten, welche die Vertrauenswürdigkeit von Shops benoten, wie etwa Trustpilot oder Scamadviser, wo Nutzer ihre Erfahrungen bewerten und Online-Shops aus der ganzen Welt eintragen können. Doch auch dabei ist Vorsicht geboten: Bei zu positiven Bewertungen mit mehr als fünf Sternen handelt es sich oft um gefälschte Rezensionen.
Die unabhängige Website Watchlist Internet führt ein Verzeichnis von betrügerischen Websites und Websites mit zweifelhaften Praktiken wie langen Lieferzeiten oder versteckten Kosten. Die Vergabe des Trusted-Shops-Siegels oder des Siegels des Verbands des Schweizerischen Versandshandels (VSV) ist ein Qualitätsnachweis und ein Vertrauensindikator für einen Shop.
Die richtigen Reflexe
Es gibt auch einige Tricks, um Alarmsignale zu erkennen. Die Schweizer Website Stop Piracy empfiehlt eine ganze Reihe von Reflexen, die man sich zu eigen machen sollte. Zu den wichtigsten Elementen gehört die Überprüfung der URLs von Geschäften: Eine .com-Adresse auf einer Schweizer Website kann verdächtig sein, auch ein Städtename in der Adresse sollte misstrauisch machen.
Der zweite Indikator ist der Preis. Scheinbar unschlagbare Angebote sind meist ein schlechtes Zeichen. Ein weiterer Reflex, den du im Hinterkopf behalten solltest, ist, auf Bilder zu achten. Es ist heute sehr einfach, mithilfe von KI Bilder zu erzeugen. Überprüfe daher verdächtige Elemente: Siehst du eine Hand mit sechs Fingern? Das wäre ein klassischer Hinweis auf ein KI-generiertes Bild. Achte zudem darauf, dass die Logos auf den Bildern übereinstimmen. Auch ein Impressum, das unvollständig ist oder auf ausländische Gesetze verweist, sollte dich aufhorchen lassen.
Wer bereits Opfer von Betrügereien geworden ist, findet im Internet Unterstützung. Das Portal Payback.com bietet unter anderem eine Plattform, auf der Nutzer ihren Fall melden und auf eine Rückerstattung hoffen können.