Darum gehts
Die Nationalbank hat am Donnerstag zum sechsten Mal in Folge den Leitzins gesenkt – auf null Prozent, wie das Direktorium nicht müde wurde zu betonen. Trotzdem, für alle Gelder, die Banken über einer bestimmten Freibetragsgrenze bei der SNB parkieren, zahlen diese einen Strafzins von minus 0,25 Prozent. Der Ökonom Adriel Jost (40) ordnet den Zinsentscheid ein.
Blick: Haben wir jetzt schon Negativzinsen oder nicht?
Adriel Jost: Die SNB hat heute faktisch Negativzinsen eingeführt. Denn diesen Strafzins für einen kleinen Teil der Einlagen bei der Nationalbank braucht es, damit der Geldmarktzins-Saron überhaupt berechnet werden kann. Auch die SNB hat eingeräumt, dass dieser in den negativen Bereich fallen wird.
Wenn Sie hätten entscheiden können, was hätten Sie gemacht?
Ich hätte den Leitzins nicht gesenkt. Denn mir ist nicht ganz klar, was so gefährlich ist an einer Inflationsrate nahe oder leicht unter Null. Bezeichnenderweise ist das Wort Deflation an der geldpolitischen Lagebeurteilung gar nicht gefallen. Mir fehlen die Argumente, warum die SNB deswegen aktiv geworden ist.
Mit einem Bein ist die Schweiz zurück in der Zeit der Negativzinsen. Was gross ist die Gefahr, dass wir bald das Gleiche erleben wie zwischen 2015 und 2022?
Die Nationalbank hat am Donnerstag betont, dass eine tiefe Teuerung nicht automatisch zu einer weiteren Zinssenkung führen muss. Dazu müsste etwas Gröberes passieren, also etwa ein deutlicher Einbruch des Wirtschaftswachstums.
Was ist denn die grösste Gefahr von Negativzinsen?
Eine Überhitzung des Immobilienmarktes, dass sich Schuldenmachen mehr lohnt, als zu sparen. Dass man der Wirtschaft unter die Arme greift, obwohl sie es gar nicht zwingend nötig hätte. Das führt vor allem zu mehr Zuwanderung – mit all den politischen Folgen.
Was kann die SNB aus der letzten Phase der Negativzinsen lernen?
Sie muss darauf achten, dass Banken und Sparer nicht zu sehr darunter leiden. Wenn man den Franken nachhaltig schwächen will, geht das aber nicht ohne Kollateralschäden.
Das heisst, die SNB wird jetzt eine Zinspause einlegen?
Niemand weiss, wohin all die geopolitischen Unsicherheiten noch führen werden. Aber Negativzinsen sind ein extremes Mittel mit beschränkter Wirkung. Eine so grosse Krise, die dieses Instrument rechtfertigen würde, ist im Moment nicht in Sicht.
Was wäre der grösste Fehler, den die SNB jetzt machen könnte?
Die SNB sollte die tiefen oder leicht negativen Inflationsraten nicht zu sehr dramatisieren. Das Problem dabei: Es besteht die Gefahr, dass es zu Massnahmen kommt, die mehr schaden als nützen.
Zum Beispiel?
Die Banken werden die Negativzinsen jetzt schon spüren. Das heisst, das drückt etwas auf ihre Marge, weil sie diese Strafzinsen nicht an die Kunden weitergeben können. Denn bei den Sparern würde es sehr schlecht ankommen, wenn sie plötzlich Strafzinsen für das Geld auf ihrem Konto bezahlen müssten. Aber das haben sich die Banken bei den Kleinsparern schon in der letzten Phase der Negativzinsen nicht getraut – dafür aber die Gebühren erhöht.