Darum gehts
- Nestlé-CEO Laurent Freixe wurde im September 2025 wegen Regelverstoss entlassen
- Navratil strebt 4 Prozent organisches Umsatzwachstum als kurzfristiges Ziel an
- Pablo Isla wurde am 1. Oktober 2025 Verwaltungsratspräsident von Nestlé
Es waren hektische Tage in der Teppichetage von Nestlé am Ufer des Genfersees. Anfang September wurde der damalige CEO Laurent Freixe (63) gefeuert – wegen einer Liebesbeziehung am Arbeitsplatz. Nach nur einem Jahr an der Spitze beim grössten Lebensmittelkonzern der Welt muss das Nestlé-Urgestein gehen. Eine interne Untersuchung brachte die «nicht offengelegte romantische Beziehung mit einer ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin» ans Licht. Ein klarer Verstoss gegen den Code of Business Conduct des Konzerns. Mit Philipp Navratil (48) übernimmt der Nespresso-CEO den Chefposten.
Nur zwei Wochen später war auch Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke (71) weg. Der Druck auf Bulcke wurde nach dem zweiten Abgang eines Nestlé-CEOs innert eines Jahres offenbar zu gross. Der belgisch-schweizerische Doppelbürger räumte sein Büro - früher als geplant. Am 1. Oktober übernimmt der Spanier Pablo Isla (58) den Vorsitz des Verwaltungsrats. Isla, langjähriger Chef und Verwaltungsratspräsident des Modekonzerns Inditex (Zara), gilt als international erfahrene Führungskraft mit strategischem Weitblick. Er hätte eigentlich erst an der Generalversammlung am 16. April 2026 zum neuen Präsidenten gewählt werden sollen.
«Ich bin in ein leeres Büro gekommen»
Seither war es vergleichsweise ruhig in der Konzernzentrale in Vevey VD. Nach 100 Tagen im Amt spricht Navratil nun erstmals. In einem grossen Interview mit der «Finanz und Wirtschaft» redet er erstaunlich offen über die hektischen Tage in der Nestlé-Chefetage. «Intern war es ein Schock, was passiert ist», sagt er rückblickend. Als Nespresso-Chef sei er aber bereits Mitglied der Konzernleitung gewesen. Und habe davon ausgehen können, dass er zum erweiterten Kandidatenkreis für die Freixe-Nachfolge gehöre.
Am 1. September sei es dann aber sehr schnell gegangen. «An diesem Montagmorgen war noch vieles offen. Ich konnte mich und meine Ideen dann vor dem Verwaltungsrat in einer kurzen Präsentation vorstellen, danach folgte eine Fragerunde», erinnert er sich. «Am Abend habe ich von meiner Ernennung erfahren, und am nächsten Morgen bin ich als CEO ins Büro gekommen», sagt er der «Finanz und Wirtschaft». Das sei erfrischend gewesen: «Ich hatte keine Übergabe, ich bin in ein leeres Büro gekommen als CEO, mit leerem Kalender.»
«Er macht Druck auf mich»
Navratil steht unter Druck. Die Aktie lahmt, Investoren sind skeptisch, das Vertrauen angeknackst. Und über ihm sitzt mit Präsident Pablo Isla ein Mann, der fordert. «Er macht Druck auf mich», sagt Navratil. «Ich muss liefern.» Und macht klar, worum es geht: Wachstum. Möglichst schnell sollen wieder mindestens 4 Prozent organisches Umsatzwachstum erreicht werden. «Wachstum löst fast alle Probleme», sagt Navratil. Es bringe Gewinn, Cash, Marktanteile – und Vertrauen.
Navratil betont aber, dass Sparen allein nicht reiche. «Man kann nicht sparen, indem man nicht in die Marke investiert, wie wir das früher gemacht haben», kritisiert er seine Vorgänger. Und dämpft im gleichen Atemzug zu hohe Erwartungen. «Es sind keine grossen Sprünge zu erwarten, aber eine schrittweise Rückkehr auf den Wachstumspfad, indem wir das liefern, was wir versprechen», sagt Navratil.
«Wir reden Spanisch miteinander»
Und sein Verhältnis zu Pablo Isla, dem neuen Präsidenten? Das beschreibt Navratil als gut. «Wenn wir hier in Vevey sind, verbringen wir viel Zeit zusammen, unsere Büros sind gleich nebeneinander», sagt er. Aber auch sonst seien sie täglich im Austausch, um Ideen zu besprechen. «Pablo ist momentan stark engagiert, um das Unternehmen besser kennenzulernen, wobei ich ihn unterstützen kann», so Navratil weiter. Er bringe viele Inputs, kurzfristige wie langfristige. Sprachbarrieren gibt es keine. «Wir reden Spanisch miteinander. Das ist für uns einfacher. Es ist für mich die Sprache, die ich auch zu Hause mit meiner Frau und meinen Kindern spreche.»