Immo-Markt mit Geld geflutet, aber statt Neubauten gibts Sanierungen – Experte Scognamiglio sagt
«Die neuen Wohnungen sind dann doppelt so teuer»

Mieter müssen sich warm anziehen – und das liegt nicht etwa am Winter. Anleger pumpen Milliarden in den Immobilienmarkt. Mehr Wohnungen entstehen deshalb aber nicht, wie eine aktuelle Studie zeigt. Für viele Mieter könnten die Folgen fatal sein.
Publiziert: 00:33 Uhr
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Anleger überschwemmen den Schweizer Immobilienmarkt mit Geld.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • 7 Milliarden Franken fliessen in den Immobilienmarkt – ohne Wirkung aufs Angebot
  • Die Milliarden treiben die Preise und so später auch die Mieten in die Höhe
  • Druck für Kernsanierungen und Ersatzneubauten dürfte steigen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Es hört sich paradox an: Der Immobilienmarkt wird mit Milliarden geflutet. Das Geld für einen Bauboom wäre also da. Trotzdem werden kaum zusätzliche Wohnungen gebaut – für Mieterinnen und Mieter dürfte die Geldschwemme sogar sehr unerfreuliche Folgen haben. 

Von Januar bis Ende September flossen knapp sieben Milliarden Franken zusätzliches Kapital in Immobilienanlagen. Das ist sogar deutlich mehr als 2020 und 2021 im gesamten Jahr. Damals wussten die Anleger wegen der Negativzinsen nicht mehr, wohin mit ihrem Geld, und investierten in Betongold. Dieser Anlagenotstand ist nun zurück. «Der Immobilienmarkt ist wie ein Staubsauger, der wieder viel Kapital anzieht», sagt Immobilienexperte Donato Scognamiglio (55), der für die EVP im Zürcher Kantonsrat sitzt.

Solide Renditen, überschaubare Risiken

Das Problem: Von der Planung bis zur Umsetzung neuer Wohnungen vergehen Jahre. Der Blick auf die Zahl der Baugesuche und Baubewilligungen ist ernüchternd, wie eine aktuelle Raiffeisen-Studie zeigt. Die Studienautoren machen trotz des vielen Geldes im Immobilienmarkt «keinerlei Angebotsimpulse» aus. Die Hoffnung auf eine Linderung der Wohnungsnot kann folglich für die nächsten zwei, drei Jahre begraben werden. 

Die steigenden Mieten, die extrem tiefen Leerstände und die Nullzinspolitik der Schweizerischen Nationalbank sollten den Wohnungsbau eigentlich ankurbeln. Denn Anlagealternativen wie Obligationen werfen nur noch Mini-Erträge ab. Beim Betongold locken solide Renditen und das bei überschaubaren Risiken.

Dass die Investoren trotzdem nicht mehr Häuser hochziehen, hat mehrere Gründe: Es mangelt an Bauland, und Einsprachen haben sich zum Volkssport entwickelt. Hinzu kommen die hohen Baukosten sowie die vielen Regulierungen. 

Gefährliche Dynamik für Mieter

Stattdessen führt das zusätzliche Geld für Mieter zu einer gefährlichen Dynamik. Die Immobilienfonds müssen das neue Kapital gewinnbringend investieren. Werden zu wenig neue Wohnungen gebaut, streiten sie sich um bestehende Renditeimmobilien. Das treibt die Kaufpreise in die Höhe – wie es derzeit bereits der Fall ist. Doch nach dem teuren Kauf sieht die Rendite aus den bestehenden Mietverträgen erstmal nicht so rosig aus. 

Steigen die Preise für Renditeobjekte immer weiter, sinkt die Mietrendite kontinuierlich. Anleger erwarten für ihr Kapital einen angemessenen Zins. Damit steigt der Druck auf die Fondsmanager, die Einnahmen zu erhöhen. Punktuell gelingt das, indem man an attraktiven Lagen nach einem Mieterwechsel ein paar Hundert Franken auf den Mietzins draufschlägt. Das allein bringt aber zu wenig. «Ein Teil des Geldes wird sinnvollerweise auch in energetische Sanierungen, Umbauten und Aufstockungen investiert. Die neuen Wohnungen sind dann aber manchmal fast doppelt so teuer, und die einstigen Bewohnerinnen und Bewohner können sich diese Mieten nicht leisten», so Scognamiglio. 

Es drohen mehr Leerkündigungen

Sprich: Es werden mehr Gebäude leergekündigt und anschliessend kernsaniert oder abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Immerhin entsteht dadurch etwas mehr Wohnraum. Doch das bedeutet auch, dass die Mieten deutlich nach oben geschraubt werden. «Es ist ja eigentlich schön, wenn so viel Geld in den Immobilienmarkt fliesst. Es müsste aber möglich sein, dabei einen Anteil preisgünstiger Wohnungen zu erstellen», sagt der Immobilienexperte. «Das gehört zur sozialen Verantwortung.» So aber wird die Geldschwemme weitere Haushalte mit tieferen und mittleren Einkommen aus den Zentren verdrängen.

Die hochpreisigen Wohnungen, für die sie weichen müssen, stehen nach der Fertigstellung teilweise monatelang leer. Mit genug Geduld lässt sich in den meisten Fällen aber dennoch ein Mieter finden – Wohnungsnot sei Dank. 

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