Darum gehts
- Neue Vierzimmerwohnung in Zürich für 1860 Franken Bruttomiete pro Monat
- Stadt Zürich kalkuliert Mietzins basierend auf Neubaukosten, nicht aktuellem Bodenpreis
- Grössere Städte wünschen sich Möglichkeit eines Vorkaufsrechts
- Schätzwert für Bauland in Zürich hat sich in 25 Jahren vervierfacht
Eine neue Vierzimmerwohnung an zentraler Lage in Zürich für 1860 Franken Bruttomiete pro Monat? Was wie ein Scherz klingt, ist im Ersatzneubau Hardau 1 mit 122 Wohnungen zwischen Albisriederplatz und Hardplatz Realität.
43 Wohnungen werden zu subventionierten Preisen angeboten. In diesem Fall kostet eine Vierzimmerwohnung inklusive Nebenkosten sogar nur gut 1580 Franken. Doch auch die übrigen Wohnungen, die nach dem Prinzip der Kostenmiete vermietet werden, sind für Zürcher Verhältnisse erstaunlich günstig. Zum Vergleich: Inserierte 4,5-Zimmerwohnungen in Zürich kosten im Median 3750 Franken pro Monat – wobei dort auch ältere Wohnungen einfliessen. Wie kann es also sein, dass die Stadt derart günstigen, neuen Wohnraum schafft?
Bodenpreis verzwölffacht
Die Antwort steckt im Boden: Immobilien werden gern auch Betongold genannt. Doch eigentlich ist es das Bauland, das man als Gold bezeichnen müsste. In der Stadt Zürich hat sich der Schätzwert für einen Quadratmeter Bauland in den vergangenen 25 Jahren vervierfacht, wie der Website der Stadt zu entnehmen ist. Seit 1974 hat sich der Schätzwert gar verzwölffacht. Weiter zurück reicht die Zeitreihe der Stadt nicht.
Die Stadt hat die abgerissene Wohnsiedlung Hardau 1 mit 80 Wohnungen bereits 1962 erbaut. Private Investoren rechnen die Neumieten bei Ersatzneubauten gestützt auf dem aktuellen Bodenpreis aus – auch wenn sie den Boden unter Umständen vor Jahren oder Jahrzehnten deutlich günstiger gekauft haben. Würde der Neubau Hardau 1 einer Immobiliengesellschaft gehören, müssten künftige Mieterinnen und Mieter für eine Vierzimmerwohnung mit einer Monatsmiete von über 4000 Franken rechnen. Die Stadt hingegen kalkuliert den Mietzins – abgesehen von den subventionierten Wohnungen – basierend auf den Kosten des Neubaus.
Immer mehr Luxusbauten
Seit der Annahme des revidierten Raumplanungsgesetzes ist Bauland ein noch rareres Gut geworden. In Kombination mit der hohen Zuwanderung zeigen die Bodenpreise an beliebten Lagen steil nach oben. Was obendrauf kommt: Eine neue S-Bahn-Linie, ein Bus alle 15 statt alle 30 Minuten oder eine Kita- oder Schulhauseröffnung steigert die Attraktivität der Wohnlage – und der Bodenpreis steigt weiter.
Der Wohnungsbau im urbanen Raum fokussiert sich mit einigen Ausnahmen auf das hochpreisige Segment. Das heisst: Die Mietzinsen werden nach Leerkündigungen und Kernsanierungen und bei Ersatzneubauten auf den Betrag festgesetzt, von dem man ausgeht, dass man die Wohnungen noch wegbekommt.
Tiefe Mieten als Altersvorsorge
Würden Eigentümer auf breiter Ebene wie beim Projekt Hardau 1 rechnen, hätte das in einem Mieterland wie der Schweiz einen immensen Kaufkraftgewinn zur Folge: Die Herausforderungen in der Altersvorsorge wären gelöst, da viele Leute deutlich einfacher Geld zur Seite legen könnten. Auch steigende Krankenkassenprämien würden ihren Schrecken verlieren.
Auf der anderen Seite wäre aber mit einem rasant steigenden Wohnflächenverbrauch zu rechnen – bei städtischen Wohnungen wird das durch Belegungsquoten verhindert. Zudem würde die Nachfrage nach Wohnungen im urbanen Raum, die bereits heute deutlich grösser als das Angebot ist, schlicht explodieren.
Eingriff in privatrechtliche Vertragsverhältnisse
In den Städten liegt der Fokus gegenwärtig darauf, für Geringverdiener günstigen Wohnraum zu erhalten oder zu schaffen. Mittlere und grosse Städte nannten hierfür als Lösungsansatz am häufigsten ein Vorkaufsrecht für Bauland und Liegenschaften, wie eine Befragung des Schweizerischen Städteverbands vor zwei Jahren ergab.
In den Kantonen Genf und Waadt kennt man ein solches Gesetz bereits. Die Stadt Lausanne macht davon drei bis vier Mal pro Jahr Gebrauch. Das Gesetz in Waadt sieht eine angemessene Entschädigung für den übergangenen Käufer vor, die durch die Planung des Immobilienprojekts entstanden sind. Trotzdem bleibt es jeweils ein Eingriff in privatrechtliche Vertragsverhältnisse.
Vorkaufsrecht mit langfristigem Effekt
Im Kanton Zürich kommt die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich» am 30. November zur Abstimmung. Dabei sollen die Gemeinden im Kanton ein Vorkaufsrecht erhalten. Handeln ein Käufer und Verkäufer bei grösseren Baulandflächen oder Liegenschaften einen Kaufpreis aus, soll die Gemeinde intervenieren können und Land oder Gebäude zum vereinbarten Preis übernehmen.
Die Gemeinde kauft das Land oder die Überbauung zum Marktpreis: Ohne subventionierte Mieten kann folglich im Anschluss kein günstiger Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Längerfristig zeigt das Beispiel Hardau 1 jedoch: Die Wohnungen können der Bodenpreisspekulation entzogen und deutlich günstiger vermietet werden. In Hardau 1 ziehen die glücklichen Mieter ab kommendem Sommer ein.