«Ich finde es total daneben»
Zürcher Gastrokönig genervt über neuen Trinkgeld-Trick

Weihnachtsmarkt-Besucher kritisieren die Psycho-Tricks für Trinkgeld beim Kartenzahlen. Auch Gastro-Unternehmer Michel Peclard findet diese Masche «total daneben». Die Kette Kaisin von Andri Silberschmidt setzt dagegen auf standardmässige Trinkgeld-Optionen. Warum?
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Wer am Weihnachtsmarkt in Zürich mit Karte bezahlt, wird mit dem Trinkgeld-Trick konfrontiert.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Amerikanische Trinkgeld-Kultur breitet sich in der Schweiz aus, sorgt für Unmut
  • Gastrokönig Michel Péclard kritisiert Trinkgeld bei Selbstbedienung und Weihnachtsmärkten
  • Kaisin-Kette bietet moderate Trinkgeld-Optionen von 2 bis 8 Prozent an
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Michael HotzRedaktor Wirtschaft

Die amerikanische Trinkgeld-Kultur schwappt immer mehr in die Schweiz rüber. Dort sind 15 bis 20 Prozent Trinkgeld praktisch vorgeschrieben, auch für den Coffee to go am Take-away-Stand. Bei uns herrscht aber ein anderer Umgang – eigentlich. Denn aktuell sind die Trinkgeld-Tricks aus Übersee an hiesigen Weihnachtsmärkten fast schon omnipräsent. Und machen viele Schweizer hässig.

Die fiese Psycho-Masche dahinter: Du bestellst einen Glühwein und willst mit der Karte bezahlen. Auf dem Kartenterminal taucht dann eine Frage nach Trinkgeld auf. Die Antwortmöglichkeiten? Kein Trinkgeld, 10, 15 oder 20 Prozent. Nicht selten starren die Verkäufer erwartungsfroh aufs Terminal – und beobachten genau, für welche Option du dich entscheidest. 

Gastrokönig findet Trinkgeld bei Selbstbedienung unnötig

Diese amerikanische Trinkgeld-Methode breitet sich auch in den städtischen Gastro-Szenen aus, allen voran in Zürich. Dort kommt sie teilweise selbst beim Take-away zum Einsatz – zum Ärger des Gastro-Unternehmers Michel Péclard (57). «Ich persönlich finde es total daneben», sagt er zu Blick. Er selbst gebe gerne Trinkgeld. «Aber doch nicht für einen Glühwein am Weihnachtsmarkt.» Sonst hätte ja auch die Migros-Kassiererin oder der Kiosk-Verkäufer Anspruch auf Trinkgeld.

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Der Zürcher Gastrokönig Péclard betreibt ein kleines Imperium mit 18 Lokalen. Bei den Betrieben mit Selbstbedienung – etwa in den Seebadis Richterswil und Zollikon – verzichtet er bewusst darauf, dass es auf den Kartenterminals Trinkgeld-Optionen anzeigt. Bei den bedienten Restaurants ist diese Trinkgeld-Methode jedoch auch im Einsatz. Es liege im Ermessen des Service-Personals, ob sie die Trinkgeld-Auswahl anzeigen lasse oder nicht, so Péclard. Der Grund: «90 Prozent der Kunden zahlen mit Karte. Da geht das Trinkgeld oft vergessen.»

Hippe Zürcher Kette setzt auf Trinkgeld-Methode

In Zürich setzt etwa der bekannte Sternen-Grill am Bellevue auf die standardmässige Trinkgeld-Anzeige auf dem Kartenterminal. Und auch die Gastro-Kette Kaisin von Andri Silberschmidt (31) setzt darauf. Der FDP-Nationalrat hat das Zürcher Unternehmen 2017 zusammen mit drei Freunden gegründet und ist Verwaltungsratspräsident von Kaisin. Bei den zehn Kaisin-Standorten lassen sich die Gäste eine Pokébowl an der Theke zusammenstellen. Fragen von Blick zur Trinkgeld-Thematik will er nicht selbst beantworten. Stattdessen verweist er an CEO Delano Fischer (32).

Klassischen Service, wie man ihn in den Restaurants kennt, gibt es nicht. Trotzdem haben sich die Kaisin-Chefs bewusst für das System mit den Trinkgeld-Optionen entschieden, sagt Fischer zu Blick. «Da wir seit 2019 konsequent bargeldlos arbeiten, bestand lange Zeit keine einfache Möglichkeit, Trinkgeld zu geben. Gleichzeitig haben wir von vielen Kundinnen und Kunden den Wunsch gehört, unseren Mitarbeitenden für guten Service dennoch ein Trinkgeld geben zu können», so Fischer.

Bewusst «sehr moderate» Trinkgeld-Optionen

Ihm sei bewusst, dass Kaisin keinen klassischen Service biete. Deshalb halte man die Trinkgeld-Optionen bewusst «sehr moderat». Konkret können die Kunden zwischen kein Trinkgeld, 2 Prozent, 5 Prozent und 8 Prozent wählen. «Die Entscheidung liegt dabei immer vollständig bei den Gästen», betont Fischer. Und: «Das Trinkgeld wird nach einem definierten Schlüssel fair auf alle Store- und Produktionsmitarbeitenden verteilt.»

Persönlich gibt der Kaisin-CEO gerne Trinkgeld, wenn der Service besonders angenehm sei. «Gleichzeitig habe ich aber auch keinerlei Problem damit, in anderen Situationen kein Trinkgeld zu geben.» Ob er am Weihnachtsmarkt auf dem Sechseläutenplatz auch Trinkgeld für einen Glühwein gibt?

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