Darum gehts
- Ruag-Skandal: Kanzlei NKF untersucht Betrugsfall mit Millionenkosten
- Walliser Manager verkaufte Kriegsmaterial über Firma seiner Ehefrau
- Forensische Untersuchung kostet monatlich zwischen 500'000 und einer Million Franken
Die Kanzlei Niederer Kraft Frey (NKF) befindet sich in bester Lage. In der Zürcher Bahnhofstrasse residiert die Kanzlei, deren Anwälte auch für Roger Federer (44) arbeiten. Nicht alle Mandate sind so vorzeigbar wie der Schweizer Superstar. Doch je schmutziger die Themen sind, desto lukrativer werden sie für Juristen.
So auch die Aufarbeitung des Ruag-Skandals, der seit Jahren für Schlagzeilen sorgt. Im Zentrum steht ein Walliser Manager, der über die Firma seiner Ehefrau Kriegsmaterial ins Ausland vertickt und dabei Millionen kassiert haben soll. Die deutsche Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Schweizer Bundesanwaltschaft ermitteln auf Hochtouren, vor ein paar Monaten gab es eine weitere Hausdurchsuchung im Wallis.
Die Kanzlei NKF hat vor über zwei Jahren den Auftrag erhalten, den Betrugsskandal mit einer forensischen Untersuchung aufzuarbeiten. Sie hat ehemalige Mitarbeiter befragt, Dateien durchforstet und Akten analysiert. Sie sprach auch mit Whistleblowern, die seit Jahren vor kriminellen Machenschaften bei der Ruag warnen, intern aber nicht gehört wurden.
Compliance «nicht überall konsequent umgesetzt»
Dies liegt vor allem an der schlecht geführten Compliance-Abteilung. Zwei Führungskräfte, die interne Warnungen nicht ernst nahmen, haben die Ruag inzwischen verlassen und arbeiten für die Firma Ypsomed des FDP-Nationalrats Simon Michel (48). Im Jahresbericht räumt die Ruag ein, dass die Compliance-Richtlinien «nicht überall konsequent umgesetzt» werden.
Derweil laufen die forensischen Untersuchungen der Kanzlei NKF weiter. Nach Informationen von Blick kassiert die Kanzlei dafür monatlich zwischen 500’000 und einer Million Franken. Insgesamt sind schon über zehn Millionen Franken in Rechnung gestellt worden. Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt (58) wollte von VBS-Chef Martin Pfister (62) wissen, wann der Zwischenbericht der Kanzlei veröffentlicht wird. Pfister enttäuschte Weichelt: «Da die Ruag Strafprozesse ausgelöst hat und Zivilprozesse anstrebt, ist eine Veröffentlichung eines Zwischenberichts bis auf weiteres nicht möglich», gab Pfister bekannt. Doch das VBS bedaure «die hohen Kosten, welche durch die Kanzlei Niederer Kraft Frey in Rechnung gestellt wurden».
Politik effizienter als Anwälte
Manuela Weichelt gibt sich damit nicht zufrieden: «Immer wieder wird behauptet, Politik und Verwaltung seien ineffizient. Das stimmt nicht. Die PUK zum CS-Grounding war schneller und günstiger als die Untersuchung von Niederer Kraft Frey, die immer noch andauert und über zehn Millionen Franken kostet.»
Die wesentlichen Informationen zum Betrugsskandal liegen der Ruag seit Jahren vor. Hätte die Ruag ihre Hausaufgaben gemacht, wäre die forensische Untersuchung deutlich günstiger ausgefallen.
Eines von vielen Beispielen, das durch einen Whistleblower dem Blick offengelegt wurde, beschreibt die mutmasslichen Machenschaften des Walliser Managers wie folgt – es gilt die Unschuldsvermutung.
- Er soll an die Firma seines deutschen Komplizen Kriegsmaterial für 220’000 Euro pro Stück verkauft haben – wohl schon leicht unter Marktwert.
- Anschliessend verkaufte die Firma des Komplizen die Artikel mutmasslich für 235’000 Euro pro Stück weiter – an eine Firma, bei der die Ehefrau des Walliser Managers zu 50 Prozent Gesellschafterin war.
- Diese Firma wiederum verkaufte die Artikel wohl an eine andere Firma des deutschen Komplizen weiter – dieses Mal für 335’000 Euro pro Stück.
- Am Ende des Ringgeschäfts soll die Firma des deutschen Komplizen den Artikel für 370’000 pro Stück auf dem offenen Markt weiterverkauft haben. Zwischen der Ruag und dem Endabnehmer fand eine Preissteigerung von 150’000 Euro pro Artikel statt – über 68 Prozent. Allein diese Methode wiederholte sich mutmasslich mindestens viermal und summiert den Schaden für den Schweizer Steuerzahler auf über 600’000 Euro. Doch nicht die Ruag kassierte den Gewinn, sondern wohl der Walliser Manager und seine Komplizen. Die Eidgenössische Finanzkontrolle geht von Betrug im hohen zweistelligen Millionenbetrag aus.
Ruag ignoriert Hinweise
Doch damit nicht genug: «Der Walliser Manager hat die Firma seines Komplizen massiv mit Marktinformationen zu Einkaufs- und Verkaufspreisen versorgt. Ansonsten hätten diese Geschäfte in diesem Ausmass nicht stattfinden können», so ein Insider zu Blick. «Hierzu gibt es seit langem stichfeste Beweise, wofür es keine millionenteure forensische Untersuchung gebraucht hätte. Ich habe der Ruag hierzu frühzeitig eine Zusammenarbeit angeboten.» Ein weiterer Whistleblower sagt: «Die wesentlichen Punkte sind der Ruag-Geschäftsleitung seit Jahren bekannt. Es gibt zig Aktennotizen zu diesen Vorgängen. Die Kanzlei NKF hat ein grosses Interesse, die Untersuchung in die Länge zu ziehen – auf Kosten des Steuerzahlers. Leider wollte auf uns niemand hören.»
Die Ruag teilt mit: «Eine forensische Untersuchung und die dazugehörige Datenauswertung sind generell sehr zeitintensiv. Die Arbeiten sind weit fortgeschritten, aber es braucht noch ein wenig Geduld.» Für den Walliser Manager und alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.