Darum gehts
- Shein-Kleidung enthält Schadstoffe. Greenpeace fordert strengere Regulierung für Online-Händler
- Konsumenten und Umwelt sind durch giftige Chemikalien in Shein-Produkten gefährdet
- 18 von 56 untersuchten Shein-Kleidungsstücken überschreiten EU-Schadstoffgrenzwerte
Hosen für 15 Franken, Winterstiefel für 18 Franken: Der Onlinehändler Shein lockt mit ultratiefen Preisen und täglich neuen Produkten. An Spitzentagen kommen bis zu 10'000 neue Designs auf den Markt. Doch die schnelle und günstige Produktion führt auch zu Mängeln.
Ein neuer Greenpeace-Bericht zeigt: 18 von 56 untersuchten Shein-Kleidungsstücken enthalten zu viele Schadstoffe. Ein Drittel der getesteten Kleidungsstücke des Onlinehändlers aus Singapur überschreitet die Grenzwerte der europäischen Chemikalienverordnung – zum Teil sogar bei weitem. Die deutsche Sektion der Umweltorganisation hat dafür Produkte untersucht, die Shein in Europa verkauft. Hierzulande gelten grundsätzlich dieselben Werte.
Betroffen sind auch Produkte, die in die Schweiz geliefert werden. Unter anderem schwarze Glitzer-Gummistiefel: Der Phthalatgehalt ist 71-mal höher als erlaubt. Wie PFAS sind Phthalate potenziell giftige Chemikalien. Sie werden mit Krankheiten wie Krebs oder Wachstumsstörungen bei Kindern in Verbindung gebracht. Auch Shein-Produkte für Kinder – wie pinke Clogs oder ein Prinzessinnen-Kostüm – enthalten gemäss dem Bericht zu viele Schadstoffe.
Konsumentinnen und Konsumenten kommen über Hautkontakt, Schweiss oder das Einatmen der Fasern mit den Chemikalien in Kontakt. Zudem reiben sich die Schadstoffe beim Tragen ab und landen so in Gewässern, Böden und somit in der Nahrungskette. Besonders schwer trifft es aber die Arbeitskräfte in den jeweiligen Produktionsländern.
«Der Fast-Fashion-Gigant überschwemmt die Welt mit minderwertiger Kleidung, die trotz gegenteiliger Versprechen von Shein oft mit Chemikalien belastet ist», sagt Joëlle Hérin (55) von Greenpeace Schweiz. Bereits 2022 hat die Umweltorganisation Kleider und Schuhe des Fast-Fashion-Produzenten kontrolliert. Geändert habe sich seither nichts.
«Shein nimmt die einzelnen Produkte von der Plattform, wenn diese nachweislich die EU-Grenzwerte nicht einhalten. Diese werden aber durch fast identische Produkte ersetzt, die die gleichen gefährlichen Chemikalien enthalten, vielleicht sogar vom selben Zulieferer», empört sich Hérin.
Gleich lange Spiesse gefordert
Das grosse Problem: Als ausländischer Onlineshop trägt Shein keinerlei Verantwortung. Die Schweizer Kundinnen und Kunden tragen die Risiken für Produkte, die sie im Ausland bestellen.
Die Branchenvereinigung Handelsverband.swiss fordert deshalb: Ausländische Onlineplattformen sollen für jene Produkte verantwortlich sein, die sie Schweizer Konsumenten aus dem Ausland zusenden. Dafür plant der Handelsverband, in Kürze einen ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag in Bundesbern einzureichen.
Mit «minimalen, aber wirkungsvollen Anpassungen» sollen so gleich lange Spiesse für alle Onlinehändler geschaffen werden. Denn Schweizer Händler leiden unter den ungleichen Regelungen.
An der fehlenden Verantwortung stört sich auch der Schweizer Konsumentenschutz. Geschäftsleiterin Sara Stalder (59) zeigt sich vom Greenpeace-Bericht zwar nicht überrascht – trotzdem sieht sie das Ausmass als Hauptproblem. «Solange die Preisunterschiede so riesig sind, werden die Konsumenten verständlicherweise weiterhin auf ausländischen Plattformen einkaufen», sagt sie gegenüber Blick.
Gesetzliche Grundlagen verlangt auch Greenpeace: «Wir fordern deshalb ein Gesetz gegen Fast Fashion. Zudem sollte die Schweizer Chemikaliengesetzgebung für alle in der Schweiz verkauften Produkte gelten, auch wenn sie über ausländische Onlineplattformen vertrieben werden», so Hérin. Auch die NGO Public Eye fordert die Schaffung eines Modefonds, der Fast-Fashion-Produzenten zur Kasse bittet.
Bundesrat zurückhaltend
Bisher zeigt sich der Bundesrat bei der Regulierung von ausländischen Onlineshops und Fast Fashion zurückhaltend. Anders ist das unter anderem in Frankreich: Schrittweise will das Land ein Anti-Fast-Fashion-Gesetz einführen. Herstellern wie Shein drohen dann wegen hoher Umweltbelastung Strafen.
Zudem hat die EU vor kurzem beschlossen, dass die Internetplattformen Shein und Temu künftig nicht mehr von Zoll-Ausnahmen in Europa profitieren sollen. Die Billiganbieter umgehen die Zollfreigrenze jeweils bewusst, indem sie grössere Sendungen auf mehrere Pakete aufteilen. Shein hat auf eine Anfrage von Blick nicht geantwortet.