Darum gehts
- 62-jähriger Aargauer sucht seit einem Jahr erfolglos nach Festanstellung
- Verdacht auf Altersdiskriminierung trotz umfangreicher Erfahrung und Qualifikationen
- 150 Bewerbungen verschickt, zwei Teilzeitjobs zur Überbrückung angenommen
Der Berner Franz Brunner (62) sucht seit über einem Jahr einen neuen Job. «Ich habe 150 Bewerbungen verschickt und nur Absagen bekommen», sagt er frustriert beim Treffen mit Blick. Dabei wäre er für vieles offen: Assistenz der Geschäftsleitung, kaufmännischer Spezialist oder Bankmanager. Auch punkto Arbeitsort ist er flexibel.
Brunner wohnt in Aarburg AG und würde fast ins gesamte Mittelland oder bis ins Berner Oberland pendeln. «Ich bin auch IT-affin», betont er. Die Hoffnung verliert er nicht.
Für eine Festanstellung lässt er kaum etwas unversucht: Gemeinsam mit einer Grafikerin hat er seinen Lebenslauf aufpoliert. Er hat es über Arbeitsvermittlungsbüros versucht und ruft bei den Firmen an, damit sein Dossier etwas mehr Beachtung erhält. Doch alle Bemühungen bringen nichts: Manchmal erhalte er bereits nach einer Stunde eine Absage.
Sein Verdacht: «Man sieht meinen Jahrgang und prüft das Bewerbungsdossier gar nicht weiter.» Direkt würde ihm das natürlich kein Arbeitgeber bestätigen. Telefonische Rückfragen bei Jobvermittlungsbüros haben ihm die Altersdiskriminierung jedoch bestätigt. «Dort sagte man mir, dass man mein Dossier nicht an die Auftraggeber schicken könne. Die würden keine Leute in meinem Alter wollen», so Brunner.
Eine Karriere auf der Überholspur
Jahrelang fuhr Brunner in seiner Karriere auf der Überholspur: Nach seinem Volkswirtschaftsstudium hat er mehrere Jahrzehnte in der Finanzbranche gearbeitet. Brunner war Chefökonom bei einer Privatbank, Standortleiter bei mehreren Banken und hat berufsbegleitend zwei universitäre Management-Abschlüsse absolviert – einen MBA und einen Executive MBA. Sein Rucksack ist prall gefüllt, trotzdem will ihm niemand eine Festanstellung bieten.
Dass er zu wählerisch ist, kann man ihm kaum vorwerfen: Nach dem Jobverlust in der Bankbranche hat er kurzzeitig als Pizzakurier geschuftet. In den letzten Jahren arbeitete Brunner im technischen Einkauf sowie in der Administration. «Aktuell halte ich mich mit zwei Teilzeitjobs über Wasser. Das hilft mir dabei, nicht in ein mentales Loch zu fallen», sagt er.
Wegen Scheidung Lücke in Pensionskasse
Den 62-Jährigen plagen jedoch finanzielle Sorgen: Nach einer Scheidung klafft eine grosse Lücke in seiner Pensionskasse. Er brauche deshalb einen Vollzeitjob – und zwar für möglichst viele Jahre. Die Arbeitgeber würden wohl denken, er werde sowieso bald pensioniert, vermutet Brunner. «Doch ich bin voll motiviert und muss aus finanziellen Gründen bis 70 arbeiten.» Das würde er einem potenziellen Arbeitgeber gern erklären.
Brunner ist bei weitem kein Einzelfall: Die Beschäftigungsquote von über 50-Jährigen in der Schweiz ist im internationalen Vergleich zwar hoch. Die Probleme fangen aber bei einem Jobverlust an, so Pascal Scheiwiller (52). Er ist CEO der Alixio Group Schweiz, zu der auch die Outplacement-Firma Rundstedt gehört, die Arbeitnehmenden nach der Kündigung bei der Stellensuche hilft. «Mit Anfang 50 wird die Jobsuche anspruchsvoll, ab 55 deutlich komplizierter und ab 60 ist das Finden einer Festanstellung sehr schwierig», sagt der Arbeitsmarktexperte.
Arbeitsmarktexperte spricht von Vorurteilen
Die Situation ist paradox: Bürgerliche Politiker träumen in den warmen Stuben im Bundeshaus immer wieder von einem höheren Rentenalter. Brunner kriegt die knallharte Realität jedoch am eigenen Leib zu spüren. «Wegen meines Alters gibt mir niemand eine Chance auf eine Vollzeitstelle», sagt er.
Der Arbeitsmarkt sei dafür nicht offen, bestätigt Scheiwiller. «Ältere Leute haben auf dem Arbeitsmarkt häufig mit Vorurteilen zu kämpfen. Man traut ihnen beispielsweise den Umgang mit den neusten Technologien nicht zu oder suggeriert eine eingeschränkte Veränderungsbereitschaft.»
Eine Schweizer Eigenheit auf dem Arbeitsmarkt macht älteren Kandidaten das Leben zusätzlich schwer: «In der Rekrutierung herrscht eine Zero-Gap-Kultur vor. Wer nicht 100 Prozent zum gesuchten Profil passt, wird nicht eingestellt», so Scheiwiller. Und das Alter spielt im Suchprofil eine wichtige Rolle.
Das sind alles andere als Aussichten, die älteren Arbeitssuchenden Mut machen. Brunner will jedoch nicht aufgeben: «Ich bin flexibel und kämpfe um meine Chance.»