Darum gehts
- Einkaufstourismus nimmt zu, trotz tieferer Zollfreigrenze. Schweizer geben mehr aus
- Günstigere Preise und grössere Auswahl locken Schweizer ins Ausland
- 72,2 Prozent der Schweizer kaufen mindestens einmal jährlich im Ausland ein
Dem Schweizer Detailhandel ist der Einkaufstourismus ein Dorn im Auge. Kaufen die Bürger im Ausland ein, gehen den hiesigen Geschäften Kunden verloren. Und damit auch Umsatz. Der konkrete Wert für 2025: 9,26 Milliarden Franken, wie aus der neuen Einkaufstourismus-Studie der Universität St. Gallen (HSG) hervorgeht. Damit geben Herr und Frau Schweizer beim Shoppen ennet der Grenze insgesamt 10 Prozent mehr aus als noch 2022 – auf Kosten der Umsätze von Schweizer Anbietern. Der Branchenverband Swiss Retail Federation zog im Sommer eine düstere Bilanz fürs erste Halbjahr.
Dabei hatte der Bundesrat auf dieses Jahr hin die Schraube beim Einkaufstourismus angezogen: Er halbierte per Januar 2025 die zollfreie Wertgrenze auf noch 150 Franken. Früher war die Schweizer Mehrwertsteuer erst ab Einkäufen von über 300 Franken fällig gewesen. Deutsche Detailhändler reagierten auf die neue Regel, indem sie mit frechen Werbungen gezielt Schweizer Kunden anlocken wollten. Jetzt zeigt die HSG-Studie: Die tiefere Freigrenze hat den Einkaufstourismus bisher nicht eingedämmt – im Gegenteil.
Einkaufstouristen sind auf günstigere Preise angewiesen
Was die Erhebung deutlich aufzeigt: Einkaufstourismus ist ein in der Schweiz breitflächig etabliertes Phänomen. So fahren fast drei von vier Einwohnern unseres Landes mindestens einmal jährlich fürs Einkaufen ins Ausland. Auf dieses Jahr hin ist der Wert minimal auf 72,2 Prozent gesunken – von 72,8 Prozent im Jahr 2022. Nur: Wer ennet der Grenze shoppt, tut dies nun öfter und gibt gleichzeitig pro Einkauf mehr aus – sowohl vor Ort in den Läden als auch online.
Gleichzeitig nehmen die Schweizer für ihre Einkaufstouren nach Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien auch einen weiteren Weg auf sich. Im Schnitt beträgt der Anfahrtsweg 58,7 Kilometer. Heisst: Es sind nicht bloss die Grenzbewohner, die im Ausland shoppen.
Die Gründe für die Shoppingtrips ins Ausland liegen auf der Hand – und werden durch die Studie mit Fakten untermauert. Das wichtigste Motiv sind die günstigeren Preise im Ausland. Was den Schweizer Detailhändlern zu denken geben sollte: Über 50 Prozent der Einkaufstouristen fühlen sich mittlerweile finanziell darauf angewiesen, möglichst günstig einzukaufen. «Damit steigen die Notwendigkeit und das Bedürfnis, im Ausland einzukaufen», heisst es dazu in der Studie. Zudem haben die total 4224 Befragten die «grössere Auswahl» und «praktischere Öffnungszeiten» häufiger als Grund genannt als noch bei der letzten Erhebung 2022.
Thurgau kämpft weiter gegen das Shoppen im Ausland
Womit aber decken sich die Schweizer im Ausland ein? Die Antwort: mit Lebensmitteln. 4,13 Milliarden Franken geben sie in den Geschäften auf der anderen Seite der Grenze und in den ausländischen Onlineshops aus. Das entspricht 44 Prozent des Einkaufstourismus-Gesamtwerts. Zwar liefern sich die Migros, Coop und die Discounter einen harten Preiskampf bei Lebensmitteln – insbesondere beim Billigfleisch. Trotzdem aber sind Hörnli, Rindsghackets, Reibkäse und Öpfelmues bei den Deutschen, Franzosen und Italienern meistens günstiger. Auch Möbel, Kleider und Medikamente kaufen die Schweizer gerne im Ausland ein.
Angesichts dieser Zahlen bleibt der Einkaufstourismus ein heisses Eisen. Gerade in den Grenzkantonen gibt es weiterhin Widerstand, weil ihre Wirtschaftszweige deswegen zu beissen haben. So würde der Regierungsrat des Kantons Thurgau die komplette Abschaffung der Freigrenze begrüssen, wie er bereits letztes Jahr verlauten liess. Und Diana Gutjahr (41), SVP-Nationalrätin und Präsidentin des Thurgauer Gewerbeverbands, sagte im letzten Juli: «Aus steuerlicher Sicht wären null Franken natürlich richtig.» Unabhängig davon: So schnell wird das Phänomen Einkaufstourismus nicht verschwinden.