Darum gehts
- Restaurant Vieux-Nendaz erlebt Shitstorm wegen Murmeltier-Gericht auf der Speisekarte
- Spitzenköche geraten wegen kontroverser Gerichte und Aussagen in die Kritik
- Gault&Millau verlieh dem Restaurant Vieux-Nendaz 13 Punkte im Oktober
Eigentlich wollte der Gourmetführer GaultMillau das Walliser Restaurant Vieux-Nendaz feiern. Im Oktober zeichnete das Magazin den Betrieb von Chefkoch Adrien Lopez aus und verlieh ihm 13 Punkte. Doch statt Applaus hagelte es plötzlich wütende Kommentare und 1-Stern-Bewertungen. Lopez erlebte einen Shitstorm sondergleichen. Und das wegen eines einzigen Gerichts: Murmeltier, oder Marmotte à la royale, wie das Mahl auf der Speisekarte heisst.
Tierschützer und Tierliebhaber fielen über das kleine Lokal in Nendaz VS her. Sie überhäuften den ausgezeichneten Koch mit üblen Hassposts. Sogar GaultMillau reagierte und schrieb: «Das Posting brachte dem kleinen Restaurant eine Flut an unfairen Kommentaren auf Google und in den sozialen Medien ein.»
«Jagd auf Murmeltiere völlig legal»
Koch Adrien Lopez versuchte, die Wogen zu glätten. Er suchte das Gespräch mit den Kritikern – gebracht hat es nichts. «Ich wollte erklären, dass die Jagd auf Murmeltiere in der Schweiz völlig legal ist», sagte Lopez dem «Nouvelliste». Schliesslich wandte sich der Gastronom an Google. Dort hatte er Erfolg: Das Unternehmen löschte die gehässigen, negativen Bewertungen. Der Schnitt des Vieux-Nendaz stieg wieder auf 4,6 von 5 Sternen.
Der Fall aus dem Wallis zeigt: Gastronomen stehen im Fokus. Wegen Social Media. Aber auch, weil jeder Gast auf Google praktisch ungefiltert Dampf ablassen kann. Immer wieder laufen auch bekannte Beizen in den Hammer, wie folgende Beispiele zeigen:
Bedrohte Vögel in der Pfanne
Jérémy Desbraux (39) von der Maison Wenger in Le Noirmont JU ist neuer Koch des Jahres. Sein Lokal hat 18 GaultMillau-Punkte und zwei Sterne von «Guide Michelin». Wenige Wochen nach der Auszeichnung hat er Ärger am Hals: Auf seiner Karte führt er auch Waldschnepfe und Alpenschneehuhn. Zwei Vogelarten, die in der Schweiz auf der Roten Liste stehen.
Die bedrohten Vögel in der Pfanne lösen einen Shitstorm aus. Küchenchef Desbraux muss sich erklären. Er betont, die Tiere würden nicht in der Schweiz, sondern im Ausland gejagt, wo ihr Schutzstatus teilweise anders sei. Etwa in Frankreich, wo das Alpenschneehuhn nur als wenig gefährdet gilt. Aber er verstehe die Kritik. Der Spitzenkoch verspricht, die Waldschnepfe und das Alpenschneehuhn 2026 von der Karte zu nehmen.
Schmackhafte Suppe aus Biber-Schwanz
Der österreichische Spitzenkoch Max Stiegl (45) stand Mitte März in den Schlagzeilen. Der GaultMillau-Koch des Jahres 2021 erzählt in einem kurzen Video in den sozialen Medien, wie er einen Biber zubereiten will. Aus dem Schwanz will er eine schmackhafte Suppe kochen, wie der «Standard» berichtet. Aus dem Gehirn des putzigen Nagers will er eine Eierspeise zubereiten – nur für den privaten Gebrauch.
Sein Video kommt in den sozialen Medien gar nicht gut an. Später rechtfertigt sich Stiegl in einem Post. Der Biber sei über Jahrhunderte hinweg wertvolles Wildbret gewesen. «Es ist für mich ein Zeichen mangelnder Kultur, diese prachtvollen Tiere nicht durch unseren Genuss zu ehren, sondern sie einfach zu entsorgen», so Max Stiegl. Seine Kritiker besänftigen konnte er damit nicht.
Keine Tattoos in der Spitzengastronomie
Längst geht es aber nicht immer um die Speisen eines Kochs. Zuweilen setzen sich die Gastronomen auch mit pointierten Statements in die Nesseln. Wie Domenico Ruberto (39), mit 16 GaultMillau-Punkten einer der besten Köche im Tessin. Er hat sich negativ über tätowierte Chefs in 5-Sterne-Hotels geäussert. Und damit heftige Reaktionen provoziert.
Später hat er sich auf GaultMillau erklären müssen: «Ich habe nie gesagt, dass ich keine tätowierten Köche einstellen würde», betonte er. Einige seiner Mitarbeiter hätten Tätowierungen. «Während meiner langen Ausbildung habe ich mir die Standards der Hotels, in denen ich gearbeitet habe, zu eigen gemacht, zu denen die tägliche Rasur und kurze Haare für Männer oder zusammengebundene Haare für Frauen gehören.» Sichtbare Tattoos hätten da keinen Platz.