Darum gehts
- US-Präsident Trump einigt sich mit Schweizer Pharmakonzernen auf Preissenkungen für Medikamente
- Roche-CEO fordert höhere Medikamentenpreise in der Schweiz
- Schweizer Medikamentenpreise sind 9 Prozent höher als in vergleichbaren europäischen Ländern
Plötzlich geht es schnell: US-Präsident Donald Trump (79) präsentierte am letzten Freitag eine Einigung mit neun internationalen Pharmakonzernen. Diese haben sich bereiterklärt, die Preise von ausgewählten Medikamenten zu senken. Mit dabei sind auch Novartis und Roche-Tochter Genentech. Gleich am Sonntag prescht Roche-CEO Thomas Schinecker (50) vor und erhöht den Druck auf die Schweizer Behörden und Politik. Monatelang hielt er sich mit öffentlichen Aussagen zurück. Nun sagt er im Interview mit der «SonntagsZeitung», dass die Medikamentenpreise in der Schweiz steigen müssen.
Damit geschieht, was Blick bereits Ende September vorausgesagt hat: Die Pharmachefs gehen in der Schweiz endgültig ins Powerplay über und fordern deutlich höhere Medikamentenpreise. Für die hiesige Bevölkerung könnte das eine bittere Pille werden. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die Medikamentenpreise in den USA sind die höchsten der Welt. Senken die Konzerne dort teilweise die Preise, wollen sie sich die Gewinneinbussen in anderen Ländern zurückholen. Reiche Länder müssten ihren Anteil an der medizinischen Innovation bezahlen, hat Novartis-CEO Vas Narasimhan (49) in den letzten Monaten mehrfach betont. Im September sagte er Interview mit der «NZZ am Sonntag», dass die Medikamentenpreise in der Schweiz «viel zu tief» sind. Den USA und den Pharmakonzernen schwebt ein neues Preismodell vor. Demnach sollen die Preise für innovative Medikamente auf der Wirtschaftsleistung und dem Bruttoinlandprodukt pro Kopf basieren.
Die Schweizer Preise sind die höchsten in Europa. Patentgeschützte Medikamente waren 2023 gemäss der Verbände Interpharma und Santésuisse 9 Prozent teurer: Dabei wurden die Schweizer Fabrikabgabepreise mit Ländern wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien verglichen. «Bei neuen Produkten haben sich die Preise in der Schweiz innert weniger Jahre fast verdoppelt», sagte Mathis Früh (47) erst im Oktober zu Blick. Er leitet bei der Helsana die Abteilung Gesundheitspolitik. Auch Originalpräparate mit abgelaufenem Patent sind erheblich teurer. Die Schweizer Preise steigen im Vergleich zudem deutlich schneller an. Für Generika zahlt die Schweizer Bevölkerung oft die höchsten Preise der Welt.
Interpharma argumentiert ganz anders: So gibt die Schweiz für innovative Medikamente nur 0,43 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus. Das ist etwa die Hälfte von Frankreich, Italien oder Japan. In den USA sind es 1,87 Prozent. Was dabei ausgeklammert wird: Das frei verfügbare Einkommen liegt in der Schweiz kaufkraftbereinigt tiefer als in den USA oder auch in Norwegen und Österreich, wie Daten der internationalen Wirtschaftsorganisation OECD und des EU-Statistikamts zeigen. Der Grund sind die sehr hohen Kosten unter anderem für Mieten und Dienstleistungen.
Die Schweiz zahlte zuletzt 3,52 Milliarden Franken für patentgeschützte Medikamente, die über die obligatorische Grundversicherung abgerechnet werden. Würde die Schweiz neu 1 Prozent des BIP dafür zahlen, würde das die mittlere Krankenkassenprämie pro Person um 11 Prozent von derzeit 391 auf 434 Franken erhöhen. Dieses Szenario droht zumindest mittelfristig, da die höheren Preise bei neu eingeführten Medikamenten gelten sollen. Die Pharmabranche war in den letzten Jahren zudem Wachstumsmotor der Schweizer Wirtschaft. Könnten die Konzerne ihre Gewinne nicht halten, wäre das eine Gefahr für künftige Investitionen in der Schweiz, heisst es in der Branche.
Eine Aussage von Roche-CEO Thomas Schinecker lässt aufhorchen: Er ist überzeugt, dass die US-Regierung die Medikamentenpreise in den aktuellen Verhandlungen mit den Schweizer Behörden zum Thema machen wird. Die Schweiz hat bis Ende März Zeit, den Zolldeal mit den USA unter Dach und Fach zu bringen. Bis dahin gilt der vereinbarte Zollsatz von 15 Prozent statt der vorherigen 39 Prozent. Roche und Novartis haben während Monaten bestritten, dass die Pharmabranche einem Zolldeal der Schweiz mit den USA im Weg steht. Bleibt die Frage, ob dies bis Ende März auch so bleibt.