Darum gehts
- Familie Wiesner Gastronomie stellt hauseigenen Velokurierdienst ein. 120 Kuriere verlieren Job
- Unternehmen expandiert trotz Einstellung des Kurierdienstes und eröffnet neue Restaurants
- Velokuriere arbeiten im Schnitt mit einem 25-Prozent-Pensum
Spätestens seit Corona gehören Food-Kuriere in der Schweiz zum ganz normalen Stadtbild. Per Auto, Velo oder Elektroscooter liefern sie ihre Bestellungen mittags ins Büro, abends nach Hause aus. Essensbestellungen sind längst zum lukrativen, aber hart umkämpften Millionengeschäft geworden.
Bei der Gastrogruppe Familie Wiesner Gastronomie (FWG) mit Sitz in Dübendorf ZH, die in der ganzen Deutschschweiz mit 29 Restaurants präsent ist, kommt es nun zum Knall. Die Zürcher Gastro-Könige – sie betreiben unter anderem Lokale von Negishi, Outback, Miss Miu und Nooch – stellen den hauseigenen Velokurierdienst per Ende Oktober ein. 120 Kurierinnen und Kuriere verlieren ihren Job.
«Neue Anbieter haben Markt verändert»
Das überrascht. Zum einen expandiert das Unternehmen und eröffnet laufend neue Restaurants. Zum anderen sind die eigenen Kuriere ein Markenzeichen der Gastrogruppe. Co-Geschäftsführer Manuel Wiesner (39) war zuweilen selbst als Kurier unterwegs. «Manuel Wiesner gönnt sich in seiner Freizeit – wenn er nicht gerade seinen Innovationsdrang im Supportoffice in Dübendorf auslebt – den Kick als Velokurier und liefert Food-Bestellung in der Region Zürich aus», heisst es werbewirksam auf Facebook. Neben einem Foto vom Chef mit Helm, in Velohosen und knalligem Negishi-Shirt.
Was sind die Gründe für das Aus? «Wir haben unseren eigenen Kurierdienst vor 14 Jahren aufgebaut und waren damit Pioniere in der Schweiz», sagt Daniel Wiesner (42) zu Blick. Heute sei das Marktumfeld aber ein anderes. Denn: «Neue, grosse Anbieter wie Uber Eats und Just Eat haben den Markt stark verändert. Trotz verschiedener Massnahmen ist es uns nicht gelungen, den Dienst auf eine wirtschaftlich tragfähige Basis zu stellen», so Wiesner weiter.
Kuriere von Uber Eats übernehmen
Das Unternehmen habe mit dem eigenen Kurierdienst schon seit einiger Zeit Verluste geschrieben. «Deshalb beabsichtigen wir, unsere Kurierbetriebe per Ende Oktober aufzugeben. Der Entscheid ist noch nicht definitiv, aktuell läuft das Konsultationsverfahren», sagt Wiesner. Und betont: «Jede Stadt wird dabei einzeln geprüft.» Die Kuriere würden im Schnitt mit einem 25-Prozent-Pensum arbeiten.
«Wir werden versuchen, möglichst viele Mitarbeitende innerhalb der FWG weiterzubeschäftigen. Zusätzlich stellen wir im Falle einer Massenentlassung einen Härtefallfonds von 50'000 Franken bereit», verspricht er. Für die Kundinnen und Kunden würde sich nichts ändern, so Wiesner. «Die Auslieferung übernehmen unsere langjährigen Logistikpartner, mit denen wir schon seit längerem erfolgreich zusammenarbeiten.» Darunter sind ausgerechnet Billig-Kuriere von Uber Eats.
Velokuriere haben sich organisiert
Die Gewerkschaften Syndicom und Syna können den Abbau nicht nachvollziehen. Und kritisieren das Vorgehen des Gastrounternehmens. Seit April wurden bereits rund 25 Prozent der Kuriere abgebaut, heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung. Was ihnen sauer aufstösst: «Wochenlang sprach FWG nicht von Massenentlassung, wies Forderungen nach sozialer Verantwortung zurück», heisst es weiter.
«Erst nachdem sich die Velokuriere organisiert hatten, zeigte sich die Firma verhandlungsbereit», so die Gewerkschaften weiter. Sie fordern eine Abkehr von der Massenentlassung. Oder einen umfassenden Sozialplan. Dazu zählen 24 Monatslöhne Entschädigung, Jobcoaching, faire Zeugnisse, Sprachkurse für Angestellte mit wenig Deutschkenntnissen und Lohnsicherheit bei internen Wechseln.