«Gäbe es die Investitionen nicht, wäre alles ausgestorben»
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Restaurant-Chef Ciro Mattera:«Gäbe es die Investitionen nicht, wäre alles ausgestorben»

Bangen vor Vail Resorts und den Mega-Investitionen am Gemsstock
Wie ein US-Gigant die Einheimischen in Andermatt umtreibt

Die Menschen in Andermatt begrüssen den Einstieg von Vail Resorts im Skigebiet. Der US-Gigant bereitet den Gewerbetreibenden aber auch Sorgen. Geraten die Skischulen, Sportgeschäfte und Gastrobetriebe unter Druck? Blick hat sich vor Ort umgehört.
Publiziert: 27.11.2023 um 01:09 Uhr
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Aktualisiert: 27.11.2023 um 09:27 Uhr
Wie stehen die Menschen in Andermatt zur rasanten Entwicklung im Ort und dem neuen Skigebietsbetreiber Vail Resorts? Blick hat sich umgehört.
Foto: Getty Images
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Ein kalter Wind pfeift durch die Masten der vielen Baukräne im Nordosten von Andermatt UR. Der ägyptische Investor Samih Sawiris (66) hat mit seiner Andermatt Swiss Alps AG innerhalb von zehn Jahren im Quartier Reuss einen komplett neuen Dorfteil mit Hotels, Ferienwohnungen und Geschäften aus dem Boden gestampft. Und der Bauboom hält an. Daran haben sich die Einheimischen inzwischen gewöhnt. Mit dem neuen US-Giganten Vail Resorts am Gemsstock müssen sie sich noch vertraut machen, spürt Blick beim Ortstermin mit Einheimischen, Gewerbetreibenden und Gästen im Bergdorf.

Denn dem weltweit grössten Betreiber und Besitzer von Skigebieten eilt ein gewisser Ruf voraus: Ein Kleinunternehmer bezeichnet Vail Resorts als «McDonald's unter den Skigebieten». Weil er im 1600-Seelen-Dorf bekannt ist, möchte er anonym bleiben. Er sagt aber auch stellvertretend für die Mehrheit der Befragten: «Generell müssen wir wohl froh sein, dass der US-Konzern hier ist.»

Der 2,89 Milliarden Dollar schwere Gigant

Allein im letzten Geschäftsjahr häufte der US-Gigant weltweit einen Umsatz von 2,89 Milliarden Dollar an. In Nordamerika erntet der Konzern mit seinem Geschäftsmodell immer wieder Kritik: zu wenig und überlastetes Personal, überteuerte Tagespässe, überfüllte Skigebiete, unbezahlbare Wohnungen. Der erste Eindruck in Andermatt ist da bisher deutlich besser.

Der amerikanische Bergbahnchef des Skigebiets Andermatt-Sedrun, Mike Goar (65), konnte die Einheimischen bereits für sich gewinnen. Einer von ihnen ist Peter Gnos (38), der mit Goar einen neuen Nachbarn hat. «Ich kann am Einstieg von Vail Resorts nichts Negatives sehen», sagt er. «Das bringt Kaufkraft und Investitionen.»

Die Sportgeschäfte haben von Vail Resorts bisher profitiert. «Der letzte Winter war mit dem Schneemangel grundsätzlich kein einfacher. Vail Resorts hat uns aber viele amerikanische Kunden beschert», sagt Urs Portmann (54), Inhaber Meyers Sporthaus. Auch für die angelaufene Wintersaison habe er bereits zahlreiche Reservationen für Skiausrüstung aus Nordamerika erhalten. Ein kleiner Vorbehalt aber bleibt. «Wir müssen abwarten, inwiefern Vail Resorts mit dem eigenen Sportgeschäft zu einer Konkurrenz für uns wird», so Portmann.

Vail Resorts konkurrenziert das Gewerbe

Die Amerikaner sind bekannt dafür, in den Skiorten nicht nur die Bahnen, sondern auch ein breites Gastronomieangebot, Sportgeschäfte, Hotels, Ferienwohnungen sowie Skischulen zu betreiben. Mit Kombi-Angeboten aus Skipässen, der Ausrüstungsmiete oder Skilehrern könnte Vail Resorts in Andermatt rasch wachsen. Neben dem Sportgeschäft betreibt Vail Resorts in Andermatt die grösste Skischule, die in Konkurrenz zu vier weiteren Schulen steht. Hinzu kommt ein breites Angebot bei der Berggastronomie. «Die vertikale Integration gehört zum Kern unseres Geschäftsmodells», sagt Mike Goar.

Diese Expansionsgelüste hat ein Gastro-Unternehmer bereits am eigenen Leib gespürt. «Vail Resort wollte meine Bar kaufen», sagt ein Unternehmer, der anonym bleiben möchte. Grundsätzlich sehe er den Einstieg der Amerikaner positiv. Die Region profitiere davon, wie auch schon von den Investitionen von Samih Sawiris.

In seinem Jahrgang, so der Gastro-Unternehmer, seien die meisten Schulabgänger noch aus Andermatt weggezogen. Dank des Aufschwungs würden heute die meisten im Ort eine Lehrstelle finden. Seine grösste Befürchtung: «Vail Resorts könnte mit Dumping-Preisen in der Gastronomie die lokalen Anbieter vertreiben.»

Darauf angesprochen, beschwichtigt Goar: «Auch in unseren Resorts in Nordamerika gibt es ganz klar andere Restaurants, Vermieter und Geschäfte. Und das ist entscheidend, denn Vail Resorts ist der festen Überzeugung, dass erfolgreiche Privatunternehmer einen entscheidenden Beitrag zum authentischen Gästeerlebnis leisten.»

Wachsender Glamourfaktor

Seitdem sich die Armee zurückgezogen hat, kehrt in Andermatt mehr und mehr der Glamour ein. Den Startschuss dafür legte das 5-Sterne-Luxushotel The Chedi Andermatt, designt von Stararchitekt Jean-Michel Gathy (68). Die Schweizer Skilegende Bernhard Russi (75) verleiht dem Verwaltungsrat der Bergbahnen in seinem Wohn- und Heimatort seit vielen Jahren einen Promifaktor. Zudem lockt Andermatt zunehmend reiche und berühmte Zuzügler wie den Vater von Fussballstar Erling Haaland (23), Alf-Inge Haaland (50), an.

Dass Skifahren in Andermatt deshalb künftig zum teuren Luxusprodukt werden könnte, glauben die Befragten trotzdem nicht: «Wenn die Preise zu stark ansteigen, weichen die Leute in andere Gebiete aus», sagt etwa Kilian Vogler (36).

Das Problem mit den Mietpreisen und Eigentum

Ciro Mattera (51) freut sich ebenfalls über den Aufschwung: «Ansonsten wäre Andermatt ausgestorben», sagt der Betreiber des Restaurants Il Fermento im alten Dorfteil. Ein Problem sieht Mattera hingegen im fehlenden Wohnraum für Angestellte. Die hohen Immobilienpreise beschäftigen viele Menschen in Andermatt. Für Familien ist Eigentum kaum erschwinglich.

Auch die Mieten stellen für viele ein Problem dar. «Gerade für junge Leute ist es sehr schwierig, eine bezahlbare Wohnung zu finden», sagt Katia Österlund (22). Sie arbeitet im Winter als Skilehrerin und das restliche Jahr im Sportgeschäft Alpina Sport und lebt in einer 3er-WG. «Die Wohnung wäre für mich sonst nicht bezahlbar.» Doch auch bei ihr überwiegen die positiven Aspekte: «Ohne die vielen neuen Jobs, die im Tourismus geschaffen werden, wäre ich nicht hier», sagt sie und hofft, dass sich die Wohnproblematik nicht noch weiter verschärft.

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