So tickt Kunstturner Noe Seifert
Erst ein Schnuppertag brachte unseren Bronze-Helden zum Turnen

Noe Seifert schreibt Schweizer Kunstturn-Geschichte: Mit Bronze im Mehrkampf der WM in Jakarta beendet er eine 75-jährige Durststrecke. Blick stellt den bodenständigen Aargauer vor, der mit Ruhe, Disziplin und harter Arbeit triumphierte.
Publiziert: 23.10.2025 um 19:08 Uhr
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Disziplin zahlt sich aus: Nach Rückschlägen in Leipzig behielt Seifert in Jakarta die Nerven.
Foto: Getty Images
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Joël HahnRedaktor Sport

Vom kleinen Turnverein im Kanton Aargau bis aufs WM-Podest in Jakarta: Noe Seifert (26) hat etwas geschafft, worauf die Schweiz 75 Jahre gewartet hat.

Seine Bronzemedaille im Mehrkampf ist nicht nur historisch, sie ist das Symbol einer neuen Ära im Schweizer Kunstturnen. Blick stellt dir den Mann vor, der Geschichte geschrieben hat.

Familie und Rückhalt

Noe Seifert wächst in Oftringen AG in einem bodenständigen, sportlich aktiven Umfeld auf. Er hat zwei Brüder, die ebenfalls turnten oder noch turnen: Luca (28) arbeitet bei der Post und absolvierte eine Ausbildung als Automatiker, während Jan (24) noch zu Hause lebt und Elektriker ist. Vater Ronny (55) ist Vermessungszeichner, Mutter Karin war früher bei der Post angestellt und arbeitet heute in Schulen. Auch Onkel Micha Seifert (51), der eine Schreinerei in Strengelbach AG besitzt, hat Noes Turnkarriere verfolgt: «Noe war schon als Kind aufgeweckt. Mit etwa sechs Jahren ist er bei Testtagen des Turnvereins einfach mal hingegangen. Schon da hat man gemerkt, dass er Talent hat. Er ging immer selbständig mit den ÖV nach Niederlenz, um zu trainieren. Dabei hat er Schule, Turnen und Hausaufgaben perfekt kombiniert.» Die Familie begleitet Noe noch heute aktiv: Beim WM-Coup in Jakarta (Ind) war sie vor Ort.

Zwischen Barren und Büro

Neben der Turnhalle hat Seifert auch im Berufsleben Bodenhaftung bewiesen. Er absolvierte seine kaufmännische Lehre beim Bundesamt für Sport (BASPO) in Magglingen BE und arbeitet dort heute weiterhin im Verwaltungsbereich des Schweizer Spitzensports. Wenn er nicht trainiert, entspannt er gerne mit Lego, spielt Ping-Pong oder zieht ein Schachspiel auf, um den Kopf frei zu bekommen. Seifert ist ein ruhiger Typ und verfügt über einen unerschütterlichen inneren Antrieb.

Der stille Arbeiter mit Nerven aus Stahl

«Er ist so ruhig … mit einer Coolness, würde ich fast schon sagen, spult er sein Zeug runter», sagt Ex-Turnstar Giulia Steingruber (31). Diese Gelassenheit zeigte sich auch an der WM in Jakarta: Seifert turnte an allen sechs Geräten nahezu fehlerfrei und erzielte am Pauschenpferd die Bestnote des Abends. Wo andere zögern, bleibt er konzentriert. Sein Erfolgsrezept: keine Show, nur Leistung.

Der Lohn für jahrelange Arbeit

«Am Boden ist es sehr gut gelungen, ich war nicht nervös, weil ich als Aussenseiter gestartet bin», sagte Seifert nach dem historischen Coup. «Dass es so gut kommt, ist nicht selbstverständlich.» Hinter der ruhigen Fassade steckt eiserne Disziplin: Bei der EM in Leipzig hatte Seifert als bester Schweizer Turner die Qualifikation im Mehrkampf noch dominiert, doch im Final kam er nicht über den sechsten Rang hinaus. Enttäuscht analysierte er die Fehler, arbeitete akribisch an Technik und Präzision und trainierte gezielt, in entscheidenden Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren. Eine Vorbereitung, die sich in Jakarta auszahlte.

Ein Vorbild für die nächste Generation

Seiferts Erfolg ist mehr als eine Medaille – er ist ein Signal. Für die jungen Turnerinnen und Turner im Land, die sehen, dass Weltklasse auch aus der Schweiz kommen kann. «Er ist ein Vorzeigeturner», sagt Steingruber. «Die Aufmerksamkeit, die er jetzt bekommt, hat er sich hart erarbeitet und sie wird viele motivieren.»

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