So beansprucht wurde sie schon lange nicht mehr: die Reckstange im Garten von Anita Weber (46). Vor über 40 Jahren hat Paul Weber (77), sie für seine Töchter gebaut. Nun hängen zum ersten Mal alle drei gemeinsam dran: Paul, Anita und ihre Zwillingsschwester Monika Raschle-Weber (46). Das alte Metall biegt sich bedenklich durch. «Streck deine Beine mehr», weist Monika ihren Vater an, während Mutter Käthi (71) die Szene prustend vor Lachen beobachtet.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Turnen liegt der Familie Weber aus Pfyn TG im Blut. Im Fall der eineiigen Zwillinge sogar in der Wiege. Anita und Monika kamen in der Nacht auf den 19. Juni 1978 in Frauenfeld TG zur Welt, just an dem Wochenende, als das Eidgenössische Turnfest (ETF) in Genf stattfand. Nur einer konnte bei der Geburt nicht dabei sein: Papa Paul. Während Käthi in den Wehen lag, war er mit der Männerriege beim Eidgenössischen-Empfang in Genf. Von seinem Vaterglück erfuhr er am nächsten Morgen per Zettel auf dem heimischen Küchentisch. «Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht», sagt der Landwirt, der zuletzt 1984 am ETF in Winterthur ZH dabei war. «Das war eine andere Zeit. Handys gabs keine.»
Von klein auf voll im Saft
Dass die Töchter in seine sportlichen Fussstapfen traten, freut Paul sehr. Als Anita und Monika im Kindesalter waren, trainierten sie mit ihm für die Mädchenriege und fürs Kunstturnen. Meist im Garten oder auf der nahen Wiese, die zum Landwirtschaftsbetrieb der Eltern gehörte. «Er hat uns einen Schwebebalken in der Scheune gebaut und mit uns Weitwurf geübt», erinnern sich die Zwillinge. 1991, mit 13 Jahren, nahmen die beiden zum ersten Mal am Eidgenössischen Turnfest in Luzern teil. Erst im Kunstturnen, später im Damenturnverein mit Disziplinen wie Stufenbarren, Schleuderball, Team-Aerobic und Steinheben.
Konkurrenzkampf? Fehlanzeige!
Mit dem ETF in Lausanne steht für Monika und Anita nun bereits das siebte Eidgenössische an, ausgelassen haben sie keines. Obwohl sie Zwillinge sind, hatten sie nie das Bedürfnis, sich gegenseitig zu übertrumpfen. «Wir haben uns die Erfolge immer gegönnt», so die 20 Minuten ältere Anita. Monika, die ebenfalls Mama ist, ergänzt mit schelmischem Grinsen: «Nur den anderen manchmal nicht so.»
Auch turnerisch sind sie ein eingespieltes Duo. «Wir sind uns sehr ähnlich, kennen unsere Stärken und Schwächen», bestätigt Monika. Früher seien die Unterschiede grösser gewesen. Anita sei die Ehrgeizigere gewesen, die eher den Ton angab. «Sie war schneller – ich dafür besser im Werfen.» Im Lauf der Zeit, finden beide, habe sich das ausgeglichen. Vom Geräteturnen sind sie inzwischen weggekommen. Ihre neue Disziplin: «Fit+Fun».
Einmal pro Woche trainieren sie mit der Frauenriege Pfyn für das Eidgenössische in Lausanne. Ihr Ziel: 28,5 von 30 Punkten zu erreichen. Und: «Wir wollen die besten Thurgauer in unserer Kategorie werden», sagt Monika. Egal, wie es rauskommt: Grund zum Feiern haben sie sowieso. Am 19. Juni begehen sie den 47. Geburtstag. Auf dem Turnplatz am ETF. Und Papa Paul? Die Zwillinge lachen. «Der ist dieses Mal wieder nicht dabei!»