Darum gehts
- Giulia Steingruber erlebte live Noe Seiferts historischen WM-Erfolg im Kunstturnen
- Seifert gewann Bronze im Mehrkampf, erste Schweizer Medaille seit 75 Jahren
- Steingruber bewarb sich für die Athletenkommission des Weltturnverbands in Jakarta
Die ehemalige Weltklasse-Turnerin Giulia Steingruber (31) erlebte live in der Halle, wie Noe Seifert (26) Schweizer Kunstturn-Geschichte schrieb. Die Medaille im Mehrkampf an der WM in Indonesien – die erste seit 75 Jahren – bewegte auch sie zutiefst. «Als klar war, dass Noe auf dem Podest steht, standen mir die Tränen in den Augen», sagt Steingruber im Gespräch mit Blick. «Ich habe mich unglaublich für ihn gefreut und auch, weil ich selber weiss, wie sich dieser Moment anfühlt.»
«Er hat das so verdient»
Steingruber sitzt beim Wettkampf auf der Tribüne, schwitzt in der tropischen Hitze Jakartas und fiebert mit. «Er war von Anfang an die Ruhe selbst. Er hat einfach sein Programm abgespult, mit einer Coolness, die mich extrem beeindruckt hat», schwärmt die sechsfache EM-Medaillengewinnerin. Noe Seifert, so sagt sie, sei «kein lauter Typ». «Er ist ruhig, arbeitet hart, macht sein Ding. Aber er hat genau die richtige Balance zwischen Anspannung und Lockerheit gefunden. Das war stark.»
Dass die Schweiz so lange auf eine Mehrkampf-Medaille warten musste, macht die Leistung für sie noch spezieller: «Das ist mehr als historisch. So etwas haben wir im Schweizer Kunstturnen seit Generationen nicht erlebt. Und ganz ehrlich: Ob nach einem Olympia-Jahr ein paar «Topcracks» fehlen, spielt keine Rolle. Eine WM-Medaille ist eine WM-Medaille, und die hat er sich mehr als verdient.»
Steingruber sieht Seifert als Inspiration
Steingruber weiss, wie viel so ein Erfolg bewirken kann. Sie selbst hatte 2017 in Montreal (Ka) WM-Bronze geholt, ein Moment, der ihr Leben veränderte. «Ich hatte damals ein neues Gewändchen an, mit einem pinken Kragen. Es war eigentlich eine Fehlproduktion, und plötzlich wollten alle Mädchen genau diesen Dress. Die Marke hatte es gar nie im Sortiment», erinnert sie sich lachend. «Das war herzig und zeigt, wie viel Einfluss ein Erfolg haben kann.»
Genau das, glaubt sie, werde nun auch Seifert auslösen. «Er wird viele junge Turner inspirieren. Er ist ein Vorzeigetalent, ein Vorzeigeturner. Jetzt kann er die Aufmerksamkeit geniessen.»
«Es ist schön, wieder diese Positivität zu spüren»
Steingruber ist als ehemalige Athletin derzeit in Jakarta, weil sie sich für die Athletenkommission des Weltturnverbands beworben hatte. Die Wahl klappte zwar nicht, «aber ich darf jetzt eine Woche lang hautnah dabei sein».
Sie spricht ruhig, aber mit spürbarer Begeisterung. «Ich bin froh, heute auf der Tribüne zu sitzen», sagt sie und lacht. «Mein Kopf wüsste wohl noch, wie es geht, aber mein Körper ist froh, dass er Ruhe hat.»
Und trotzdem: Das Kribbeln ist da. «Es ist einfach schön, zu sehen, dass das Schweizer Turnen wieder diese Positivität ausstrahlt. Dass wir zeigen können: Wir gehören zur Weltspitze.»