Darum gehts
- Belinda Bencic erreicht erstmals Wimbledon-Viertelfinal – und darf jetzt träumen
- Bencic liebt Rasentennis und gewann 2013 den Juniorentitel in Wimbledon
- Warum ihr neues Mami-Mindset eine Hilfe ist
Belinda Bencic (28) war knapp vier Monate alt, als Martina Hingis (44) 1997 als letzte und bis heute einzige Schweizer Frau das Einzel-Turnier in Wimbledon gewann. Nun hat sich mit Bencic eine nächste Ostschweizerin in Position gebracht, von der silbernen Schale träumen zu dürfen. Natürlich ist der Weg dorthin noch weit – und es bedürfte drei grosser Siege.
Doch Fakt ist auch: Bencic steht erstmals in ihrer Karriere an den Championships im Viertelfinal und ist damit der Trophäe so nah wie noch nie. Und frühere Turniersiegerinnen wie Barbora Krejcikova (2024) oder Marketa Vondrousova (2023) haben gezeigt, was mit guten Läufen möglich ist, ohne vor Turnierstart auf dem Tippzettel der Experten gestanden zu haben.
Bencics erste Wimbledon-Erinnerung geht ins Jahr 2003 zurück, als ein gewisser Roger Federer (43) zu seinem ersten Titel an der Church Road stürmte. Damals war die junge Belinda als Sechsjährige bereits bei Hingis’ Mutter Melanie Molitor (68) im Training, die sie wiederum zu einer Spielerin ausbildete, die es später bis an die Weltspitze schaffen sollte. Bencic gewann Olympiagold, den Billie-Jean-King-Cup und sechs weitere Turniere auf Hartbelag. Ihr Herz aber gehört jener Unterlage, auf der nun in Wimbledon gespielt wird. «Als ich als Juniorin das erste Mal auf Rasen spielte, fühlte es sich absolut natürlich an. Ich meinte direkt: Wow, ich liebe das! Ich musste in meinem Spiel gar nichts anpassen.»
«Wünschte, die Rasensaison wäre länger»
Wenn Bencic von Rasentennis spricht, funkeln ihre Augen. In Wimbledon, diesem magischen, schmucken Ort, auf dem schon so viel Schweizer Sportgeschichte geschrieben wurde, umso mehr. Sie sagt: «Ich wünschte, die Rasensaison wäre länger. Und es wäre schön, wenn es ein WTA-1000-Turnier auf diesem Belag gäbe.» Sie findet es «schade», dass auf dem Grün nur rund eineinhalb Monate lang im Jahr Wettkämpfe stattfinden.
Wie wohl sich Bencic auf Rasen fühlt, hat sie schon 2013 bewiesen, als sie den Juniorentitel in Wimbledon holte. Und ebenso zwei Jahre später, als sie in Eastbourne ihren ersten grossen WTA-Turniersieg errang. Seither stand sie dreimal im Achtelfinal von Wimbledon. Und nun greift sie nach dem Viertelfinaleinzug nach den Sternen. Vierzehneinhalb Monate nach der Geburt ihrer Tochter Bella steht sie erstmals seit 2021 und den damaligen US Open wieder an einem Grand-Slam-Turnier in der Runde der letzten Acht.
Wie weit sie ihr neues Mindset als Tennis-Mami wohl tragen wird?
Die Priorität im Leben von Bencic geniesst nun ihr Töchterchen, was sie im Kopf neben dem Court viel besser abschalten lässt, wie sie immer wieder betont. Den Hunger nach Erfolg – und vor allem nach dem ersten Grand-Slam-Triumph – hat sie noch immer. Doch sie setzt sich nicht mehr derart fest unter Druck wie vor der Familiengründung. «Es geht nicht mehr um Leben und Tod», sagte sie im Frühjahr, als sie die Tenniswelt gleichzeitig mit sensationellen Comeback-Resultaten an den Australian Open (Achtelfinal), in Abu Dhabi (Turniersieg) und Indian Wells (Viertelfinal) verblüffte.
Sie träumte zunächst vom falschen Pokal
Im Viertelfinal von Wimbledon wartet nun am Mittwoch (14.30 Uhr Schweizer Zeit) mit der 18-jährigen Russin Mirra Andrejewa eine knifflige Herausforderung. Der Teenie aus Sibirien, der schon früh mit Maria Scharapowa (38) verglichen wurde, hat sich heuer mit zwei WTA-1000-Titeln in die Weltelite gespielt. Aktuell liegt sie im Ranking auf Platz sieben. Bencic, die nach Wimbledon Stand jetzt auf Platz 23 landen wird, geht als klare Aussenseiterin in die Affiche.
Doch das tat sie schon so manches Mal in ihrer Laufbahn. Auch 2023, als sie auf dem Centre Court beinahe die damalige Weltranglistenerste Iga Swiatek schlug, am Ende aber nach zwei vergebenen Matchbällen verlor. Auf jene Swiatek könnte sie theoretisch im Halbfinal treffen – doch das ist vorerst ein Gedankenspiel.
Zugetraut wird Bencic ein Fabellauf in Wimbledon ohne Zweifel. «Sie ist auf Rasen eine echte Gefahr für ihre Gegnerinnen», sagt etwa Matt Roberts, einer der Hosts des renommierten «The Tennis Podcast». Er geht davon aus, dass «Andrejewas Vorhand so stark unter Druck gesetzt wird wie heuer in Wimbledon noch nie».
Heisst so viel wie: Träumen darf Bencic. Vom Halbfinaleinzug. Und auch von der silbernen Schale. Auch wenn sie als Kind zunächst glaubte, jenen «wunderschönen Pokal» von Roger Federer gewinnen zu können. «Bis ich realisierte, dass die Frauen ja eine andere Trophäe bekommen», meint sie lachend und gibt gleichzeitig zu verstehen, dass sie in ihren Träumen auch ganz gut mit dieser zurechtkäme.