Darum gehts
- Hasskommentare und Bedrohungen im Tennis sind längst Alltag geworden
- Elina Switolina veröffentlicht erhaltene Drohungen und wehrt sich verbal
- WTA löschte 2024 innerhalb von zehn Monaten 12'000 abfällige Posts
Traurig, aber wahr: Hasskommentare, Beleidigungen und Todesdrohungen sind im Tennis – und nicht nur in dieser Sportart – seit geraumer Zeit Alltag. Elina Switolina (30), aktuell die Nummer 13 der Welt, ist das jüngste Opfer der Internet-Trolle. Die Ukrainerin hat nach ihrem verlorenen Montreal-Viertelfinal öffentlich gemacht, welche Nachrichten sie in der Folge auf ihrem Instagram-Account erhalten hat. «Ich hoffe, du stirbst heute Nacht», schrieb ihr ein User. Ein anderer bezeichnete sie unter anderem als «korrupte Schlampe». Wie praktisch immer, handelt es sich dabei um Leute, die auf die entsprechenden Matches wetten und dann im Frust die Spielerinnen und Spieler angreifen.
Oft schlucken die Profis die Kommentare einfach, ignorieren oder löschen sie. Für Switolina wurde diesmal aber eine Schwelle überschritten. Die frühere Weltnummer drei, die mit dem französischen Top-Spieler Gaël Monfils (38) verheiratet ist und mit ihm eine Tochter hat, entschied sich dazu, die Profile der Bedroher zu posten – und verbal zurückzuschiessen. Sie schreibt: «An alle Wetter: Ich bin Mutter, bevor ich Athletin bin. Die Art und Weise, wie ihr mit Frauen – mit Müttern – sprecht, ist beschämend. Wenn eure Mütter eure Nachrichten sehen würden, wären sie angewidert.»
Bei Bencic fing es schon im Teenie-Alter an
Das Problem beschäftigt die Tenniswelt seit Jahren. Belinda Bencic (28) sagte einst, bei ihr habe es «schon mit 16» angefangen. Mit der Zeit habe sie gelernt, damit zu leben, und es lasse sie «relativ kalt». Die French Open lancierten 2023 eine App namens «Bodyguard», die sämtliche Profis während des Turniers mittels Künstlicher Intelligenz vor abfälligen Kommentaren schützen sollte. Doch eliminiert werden konnten die Trolle auch damit nicht. Kürzlich berichtete die Britin Katie Boulter (29) von Morddrohungen gegen sich und ihre Familie – und Nachrichten wie: «Hoffentlich bekommst du Krebs.»
Verschärfend kommt hinzu, dass die Übergriffe teilweise gar schon über die sozialen Medien hinausgehen. Die aufstrebende deutsche Spielerin Eva Lys (23) erzählte im Juni dem ZDF, sie habe solche Vorfälle in der Realität erlebt. «Man muss immer auf der Hut sein. Ich hatte keine schönen Interaktionen in den letzten Monaten», so Lys, die nicht weiter ins Detail ging.
Stalking-Vorfälle häuften sich
Die frühere polnische Weltranglistenerste und kürzliche Wimbledon-Siegerin Iga Swiatek (24) war in diesem Jahr in Miami mit zusätzlichem Sicherheitspersonal ausgestattet worden, weil sie während eines Trainings von einem Mann verbal angegriffen und zuvor im Internet belästigt worden war.
Und besonders für Aufsehen sorgte der Fall von Emma Raducanu (22), ebenfalls 2025. Den Turnierorganisatoren von Wimbledon ist es heuer gelungen, einen Stalker der Britin am Kauf von Tickets zu hindern, nachdem dieser der Spielerin zuvor schon bei anderen Events zugesetzt hatte.
In Dubai versteckte sich Raducanu während einer Partie hinter dem Schiedsrichterstuhl, nachdem sie den Mann entdeckte, der ihr schon zu den Turnieren in Singapur, Abu Dhabi und Doha gefolgt war. Später sagte sie: «Ich konnte den Ball buchstäblich vor lauter Tränen nicht mehr sehen, ich konnte kaum mehr atmen.»
Für die realen Bedrohungen erhöhen die Turniere zunehmend das Sicherheitsdispositiv. Für jene im Netz gibts noch keine alles umfassende Lösung. Die Frauen-Profi-Organisation WTA setzt weiter auf Künstliche Intelligenz. 2024 seien innerhalb von zehn Monaten 12’000 abfällige Posts oder Kommentare gelöscht worden. 15 Konten seien an die Behörden weitergeleitet worden.
Auch Lys berichtet davon, schon Anzeige erstattet zu haben. Doch sie gibt auch zu verstehen, dass man bei der Flut an Nachrichten kaum mehr nachkomme. Sie sieht weiter Handlungsbedarf: «Es gibt gerade nicht genug Massnahmen dagegen.»