Darum gehts
Leandro Riedi (23) hat seit der Juniorenzeit schon so manches Turnier in England gespielt, doch in diesem Jahr sagte der Wimbledon-Debütant: «So kenne ich das britische Wetter gar nicht – ich war auf jeden Fall sehr froh um das Eistuch, das sie uns jeweils bei den Pausen um den Hals legen.» Und auch Belinda Bencic (28) raunt ihrem Vater Ivan nach dem Startsieg als Erstes zu: «Boah, war das heiss!» Das Vereinigte Königreich kam in den letzten Tagen tatsächlich ordentlich ins Schwitzen. Am Dienstag gabs mit knapp 35 Grad den heissesten Tag des Jahres.
In Wimbledon wird die erdrückende Hitze ebenfalls sehr ernst genommen, wobei eine Prise britischer Humor mitschwingt. Etwa, wenn über die gesamte Anlage über Lautsprecher verkündet wird: «Bitte begeben Sie sich umgehend in den Schatten, wenn Sie sich unwohl fühlen. Trinken Sie jede Menge Wasser. Und den Alkohol nicht zu exzessiv.» So quasi: Ein Pimm’s – der erfrischende, traditionelle Wimbledon-Drink – geht immer, wenn man es nicht übertreibt.
Die Grashalme sind dieses Jahr besonders stark
Die Wimbledon-Gärtner hingegen sind üblicherweise «not amused» ob der heissen Verhältnisse und der brutalen Sonneneinstrahlung. Hitze bedeutet Stress für die Pflänzchen und das rund 30-köpfige Team, das sich um deren Pflege kümmert. Neil Stubley, der Chef des berühmten heiligen Rasens, ist eigentlich pausenlos um den Zustand des Grüns besorgt. Heuer aber wirkt er überraschend entspannt. Das liegt nicht nur daran, dass es am Mittwoch endlich wieder einmal Regenschauer gibt, sondern in erster Linie an einem «guten, stabilen Frühling», der die Grashalme so wachsen liess, dass sie jetzt ordentlich was aushalten können.
«Zudem hängt es auch mit der Wahl des Rasens zusammen, da haben wir viel dazugelernt», erklärt er. Das heisst: Für die Trainingsplätze sowie die 18 Championship-Courts wurde eine besonders resistente Pflanze ausgesucht. Und natürlich wird diese dann vor und während des Turniers maximal gehegt und gepflegt. Der teppichartige Untergrund soll jeden Tag exakt 8 Millimeter hoch sein, die Linien werden neu gezogen und freilich wird von Hand gejätet. Das Wasser wird mit Bedacht eingesetzt, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.
Klimawandel ist Teil der Zukunftsplanung
Für Stubley sind es die 30. Championships: «Und alle 29 vorherigen waren komplett verschieden – wir müssen stets auf alle äusseren Einflüsse spontan reagieren.» Die Hitze in diesem Jahr und ganz allgemein die Prognosen aufgrund des Klimawandels würden das Turnier schon seit Jahren beschäftigen. Nicht nur wegen des Rasens, sondern auch aufgrund der enormen Anzahl an Blumen, Sträuchern und Bäumchen auf der Anlage, die ebendiese so besonders stilvoll erscheinen lassen.
Gibt es aufgrund der immer heisser werdenden Sommer bald Kakteen in Wimbledon? Nun, ganz so abwegig ist das nicht. Zumindest schauen die Gärtner schon jetzt darauf, Pflanzen zu wählen, die möglichst robust und unverwüstlich sind – und die keine Unmengen von Wasser brauchen. Doch auch hier bleibt Stubley mit all seiner jahrelangen Erfahrung cool: «Ich kann mich erinnern, dass wir schon 2012 eine Warnung erhielten, auf die Pflanzenwahl zu achten. Und dann hatten wir in jenem Jahr eines der nassesten Turniere überhaupt.»
Das britische Wetter gibts eben doch noch. Am Mittwoch scheinen aufgrund der Regenschauer am Vormittag alle auf der Anlage einmal so richtig aufzuatmen. Auch die noch so robusten Grashälmchen.