Darum gehts
Es ist das Tennis-Abenteuer seines Lebens: Leandro Riedi (23) hat in New York die gesamte Konkurrenz verblüfft, indem er zunächst durch die pickelharte Quali marschierte und dann bei seiner erstmaligen US-Open-Hauptfeldteilnahme auch noch in den Achtelfinal vorstiess. Erst die Weltnummer 8, Alex De Minaur (26), vermag ihn zu stoppen.
Doch der Lohn für den Zürcher kann sich sehen lassen: In der Weltrangliste springt er von Platz 435 auf Position 164. Und auf dem Preisgeld-Scheck des vierten und letzten Grand-Slam-Turniers des Jahres steht ein fetter Betrag. 400’000 Dollar. Also umgerechnet rund 320’000 Franken.
Eine Wahnsinns-Summe für einen Spieler wie Riedi, der in den letzten Jahren mit vielen Verletzungen zu kämpfen hatte und erst allmählich auf allerhöchster Stufe Tritt fasst. In New York ist seine Prämie mehr als dreimal so hoch wie das Total seiner gesamten bisherigen Saison.
Ein Wohnsitz in Monaco hilft
Der (Dollar-)Schein trügt jedoch. Von den jeweils mit viel Brimborium verkündeten neuen Rekord-Preisgeldern an den Major-Turnieren kann man sich leicht blenden lassen. Tatsächlich aufs Spielerkonto fliessen am Ende andere Beträge.
Das Prozedere kurz zusammengefasst: Die schönen Sümmchen schrumpfen nicht nur aufgrund der Währungsumrechnung, sondern freilich auch, weil es sich um Brutto-Prämien handelt. Blick-Recherchen zeigen, dass sich die Quellensteuern in den Ländern, die Grand Slams austragen – also Australien, Frankreich, Grossbritannien und die USA – im Schnitt auf rund 30 Prozent belaufen. Später ist es vom Steuersatz des jeweiligen Hauptwohnsitzes abhängig, ob ein Tennis-Profi gar noch mehr draufzahlt.
Gemäss Wirtschaftsmagazin «Forbes» verlor beispielsweise die diesjährige Wimbledon-Siegerin Iga Swiatek (24) zusätzliche vier Prozent ihres 3,25-Millionen-Franken-Schecks, weil ihr Heimatland Polen dies versteuerte. Dies, nachdem sie im Vereinigten Königreich bereits mit einer Steuerrate von 36,53 Prozent belastet wurde. Wimbledons Männer-Sieger Jannik Sinner (24) hingegen bekam keinen zweiten Finanz-Schreck – weil er sich im Steuerparadies Monaco niedergelassen hat. Wie viele andere Tennisstars: Novak Djokovic (38), Holger Rune (22) oder Belinda Bencic (28).
In Grossbritannien können gar Einnahmen aus Werbegeldern für Ausrüstung, die während des Turniers verwendet wird, besteuert werden. Was gerade bei Superstars ordentlich einschenkt.
Das Leben auf der Tour frisst Geld ohne Ende
Die Steuern sind die erste Hürde. Die zweite stellen die hohen Ausgaben auf der Tour dar. Turniere kommen den Spielern zwar oft mit den Hotelkosten entgegen, stellen jeweils aber nur ein Zimmer zur Verfügung. Für Trainer, allfällige Physiotherapeuten oder weitere Begleitung muss also noch aufgekommen werden. Hinzu kommen Flüge für die ganze Entourage, Verpflegung, allfällige Visa und nicht selten bei Grand-Slam-Erfolgen auch festgelegte Prämien für die Coaches.
Bei jungen Spielern, die noch nicht lange ihr Profi-Dasein führen, könnten auch noch Rückzahlungen an Partner ins Gewicht fallen. Also Zuschüsse, Darlehen oder sogenannte Pay-back-Verträge, welche die Spieler bei der Gründung ihres Start-ups mitunter abschliessen.
Der Grossteil der Profis dürfte überdies Mittelsmänner oder Agenturen beauftragen, welche die Steuerthematik in den jeweiligen Ländern klären. Bis auf Australien, wo ein Formular genügt, muss in allen Grand-Slam-Ländern eine eigene Steuerrechnung abgegeben werden. Die Kosten für diese Aufträge werden sich jährlich wohl im mindestens vierstelligen Bereich bewegen. Ausserdem weisen gerade Schweizer Profis (etwa aufgrund der Krankenkassenprämien) deutlich höhere private Fixkosten auf als Spieler anderer Länder.
Wie viel bleibt also vom US-Open-Scheck noch übrig? Dem Vernehmen nach bewegen sich die endgültigen Überweisungen letztlich irgendwo zwischen der Hälfte und zwei Dritteln des ursprünglichen Brutto-Betrags. Immerhin: Riedi und Co. können im Zuge dieses Prozesses gegenüber den Veranstaltern Spesen geltend machen.
Ab wann hat man ausgesorgt?
Viel Grand-Slam-Kohle geht weg – doch jene, die bleibt, ist oft überlebenswichtig. Die Majors rücken für einen Profi nicht nur wegen Prestige und Punkten für die Weltrangliste in den Fokus, sondern auch, weil sie eine finanzielle Absicherung für die gesamte Saison darstellen können. Alessandro Greco, Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis, bestätigt: «Wer viermal im Jahr im Grand-Slam-Hauptfeld steht, hat eine solide Basis geschaffen.» Oder anders ausgedrückt: Ein Profi, der bereits in Runde eins ausscheidet, sollte bereits mit den Grand-Slam-Grundeinnahmen seine Fixkosten im Jahr gedeckt haben.
Die dafür nötige Rangierung in den Top 100 der Welt (oder die überstandene Quali) ist insofern wichtig, weil bei kleineren Challenger-Turnieren das Preisgeld eklatant tiefer ausfällt.
Als Beispiel: Im Juni nahm Riedi beim Challenger-Event in Ilkley (Gb) nach seinem Viertelfinaleinzug gerade einmal 4900 Franken brutto ein. Nicht selten zahlt ein Spieler in solchen Fällen am Ende drauf.
Ab wann wird es im Tennis lukrativ? Ein Top-100-Platz hilft in jedem Fall, weil höher dotierte Turniere gespielt werden können. Je besser klassiert, desto besser die Aussicht auf gutes Geld. Greco sagt: «In der Szene heisst es: Wenn du dich fünf Jahre lang in den Top 50 bewegst, musst du nach der Karriere wohl nicht mehr arbeiten gehen, wenn du umsichtig mit den Einnahmen umgehst.»
Der Werbemarkt ist ein hartes Pflaster
Und dann gibt es da noch die (erweiterte) Weltspitze, die mit regelmässigen Erfolgen ein stattliches Vermögen anhäufen kann. Tokio-Olympiasiegerin Bencic (WTA 19) etwa, die in ihrer Karriere neun Titelgewinne und zwei Grand-Slam-Halbfinals aufweist, steht aktuell bei einem Karrierepreisgeld von umgerechnet rund 11,46 Millionen Franken brutto. In ihrem Fall kommen obendrauf noch Werbeeinnahmen hinzu, was wiederum bei Spielern ausserhalb der Top 100 (oder gar ausserhalb der Top 50) nicht zwingend eine substanzielle Einnahmequelle bedeuten muss. Der Werbemarkt ist ein hartes Pflaster. Und meist einseitig.
Gerade für Riedi wird der US-Open-Höhenflug deswegen ein finanzieller Segen bedeuten. Umso mehr, weil er innerhalb des letzten Jahres zwei Knieoperationen überstehen musste und in jener Zeit nicht auf Punkte- und Kohlejagd gehen konnte.