Blick-Experte Günthardt zum Outing von Brunold
Weshalb Homosexualität im Männertennis ein Tabuthema bleibt

Mika Brunold ist erst der zweite Tennisprofi, der sich während seiner Karriere als schwul outet. Der Baselbieter will damit ein Zeichen für mehr Präsenz der Thematik setzen – weil das Männertennis ein Grundsatzproblem hat?
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Marco PescioReporter Sport

Er wollte für sich selbst einen wichtigen Schritt gehen – und gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass über Homosexualität im Sport nach wie vor «zu wenig gesprochen» werde. Das Coming-out von Mika Brunold (21) sollte auch ein Denkanstoss sein.

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Mika Brunold hat auf Social Media erklärt, dass er homosexuell ist.
Foto: keystone-sda.ch

Der Baselbieter schreibt in seinem ebenso klaren wie emotionalen Instagram-Post: «Schwul zu sein, bedeutet nicht nur, das gleiche Geschlecht zu lieben. Es heisst auch, dass man mit Dingen umgehen muss, über die sich die meisten Menschen gar keine Gedanken machen müssen. Die Angst, nicht akzeptiert zu werden, der Druck, still zu bleiben, das Gefühl, anders zu sein.»

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Blick-Tennisexperte Heinz Günthardt (66) kann die Worte von Brunold gut nachvollziehen, er sagt: «Homosexualität ist im Männertennis immer noch ein grosses Tabuthema.» Das habe sich – trotz Fortschritt in der Gesellschaft – im Vergleich zu früheren Jahren kaum spürbar verändert.

Brunold, der in der Tennisweltrangliste momentan die Position 310 innehat, ist nach João Lucas Reis da Silva (25, ATP 204) erst der zweite aktive Tennisprofi, der sich für das Outing entschieden hat. Der Brasilianer Reis da Silva war vor gut einem Jahr damit an die Öffentlichkeit gegangen.

Billie Jean King verlor Werbeverträge

Günthardt siegte 1985 in Wimbledon im Doppel und geschäftete später als Trainer und TV-Kommentator. Er sagt, früher sei ein solcher Schritt «absolut undenkbar» gewesen. Auf der Tour habe er keinen einzigen Mann gekannt, der offen zu seiner Homosexualität gestanden sei. Zu gross waren die Angst und der Respekt vor den Reaktionen in der Öffentlichkeit. Oder davor, dass Sponsoren abspringen würden, wie es im Fall von Billie Jean King (82) nach ihrem Outing als Lesbe passiert war.

Der Aufschrei, damals im Jahr 1981, war gross. Leute prophezeiten der Frauen-Tour ihr Ende. Und King sagte: «Ich hätte mich nicht tiefer eingraben können.» Trotzdem war es auch der Beginn einer positiven Bewegung. Die Tennisikone, die in ihrer Karriere zwölf Einzel-Grand-Slam-Titel gewinnen sollte, wurde gemeinsam mit der im selben Jahr (und zunächst gegen ihren Willen geouteten) Martina Navratilova (69) zur Pionierin. Beide ermutigten durch ihre Geschichten so manch andere Frau, sich ebenfalls zu ihrer Homosexualität zu bekennen.

Auch heute noch ist die Frauen-Tour deutlich weiter als das Pendant der Männer. Die Anzahl geouteter Spielerinnen, wenn auch nicht immer öffentlich, ist klar höher. Bekanntestes aktuelles Beispiel ist die Russin Daria Kasatkina (28), die mittlerweile für Australien antritt. Zusammen mit ihrer Lebenspartnerin Natalja Sabijako (31) jettet sie um die Welt und betreibt einen gemeinsamen Videoblog.

Hürde bei den Männern noch gross

Die einsehbaren Reaktionen auf den Social-Media-Beitrag von Brunold sind durchwegs positiv. Der Schweizer Tennishoffnung wird von vielen Seiten zum Mut gratuliert. Praktisch die gesamte Schweizer Tennisszene auf Männer- und Frauenseite reagierte mit einem zusprechenden Kommentar oder einem Like. Und doch scheint die Hürde im Männertennis – und wohl auch überhaupt im Männersport –, sich als homosexuell zu outen, immer noch sehr gross. Anders ist es nicht zu erklären, dass Brunold erst der zweite Profi ist, der sich bereit zu diesem Schritt fühlte – und dass das Thema sonst weitgehend totgeschwiegen wird.

Günthardt vermutet, dass die Furcht vor negativen Folgen noch immer in einem Ungleichgewicht zur Grundakzeptanz von Homosexualität in der Gesellschaft steht. Insbesondere in den USA, wo regional die Tendenz klar in die rechte, konservative Richtung geht, während das Land im Tennis eine gigantische, einflussreiche Rolle einnimmt.

Das spricht nicht gerade dafür, dass in naher Zukunft mutige Statements von Tennisspielern wie Brunold zur Normalität werden.

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