«Nervenstränge in Arme und Beine funktionieren»
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Swiss-Ski-Arzt klärt auf:«Nervenstränge in Arme und Beine funktionieren»

Sie freute sich so auf den Speed-Auftakt
Jetzt steht Gisins Ski-Zukunft in den Sternen

Schwerer Sturz von Michelle Gisin beim Abfahrtstraining in St. Moritz. Die zweifache Kombi-Olympiasiegerin erlitt Verletzungen an der Halswirbelsäule, am linken Knie und am rechten Handgelenk. Eine Operation wurde bereits durchgeführt, weitere Eingriffe folgen.
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Michelle Gisin während des Abschlusstrainings zu den Abfahrten in St. Moritz. Kurze Zeit nach diesem Bild stürzt die Engelbergerin schwer.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Michelle Gisin stürzt schwer im Abfahrtstraining und wird operiert
  • Verletzungen an Halswirbelsäule, Knie und Handgelenk, aber Bewegungsfähigkeit erhalten
  • 88 Prozent der Schweizer Speed-Punkte kamen letzte Saison von Gisin, Gut-Behrami und Suter
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Mathias GermannReporter Sport

Um 11.09 Uhr verstummt der Zielraum von Salastrains. Michelle Gisin (32) stürzt im zweiten Abfahrtstraining schwer. Mit über 110 km/h reisst es ihr kurz nach einem Sprung die Ski auseinander. Sie sackt zusammen, verdreht die Knie, knallt in ein Tor und durchbricht ein B-Netz. Die zweifache Kombi-Olympiasiegerin schreit vor Schmerzen. Eine halbe Stunde später fliegt sie der Helikopter zur Klinik Gut in St. Moritz Bad. Zuschauer, Betreuer und Athletinnen blicken ihm nach, bis das Rotorengeräusch verklingt. Bange Minuten. Bange Stunden.

Um 16.15 Uhr folgt die Diagnose. Verletzungen an der Halswirbelsäule, am linken Knie und am rechten Handgelenk. Danach überführt sie ein Rega-Flug in die Klinik Hirslanden Zürich. Dort wird sie am Abend an der Halswirbelsäule operiert. «Ihr geht es den Umständen entsprechend gut, sie kann Arme und Beine normal bewegen», meldet Swiss-Ski.

Gisin wird von der Corviglia heftig abgeworfen
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Schwerer Sturz im Training:Gisin wird von der Corviglia heftig abgeworfen

Verbandsarzt Walter O. Frey war rasch bei Gisin an der Unfallstelle auf der Alp Giop. «Sie war immer ansprechbar und strahlte Positivität aus. Das erleichterte die Arbeit der Helfer», sagt er. Die Rettung verlief kompetent. «Jeder wusste, was er tut. Das gab ihr ein Nestchen-Gefühl.» Zu den Verletzungen sagt Frey nichts Weiteres. Fakt ist: Halswirbelverletzungen lösen oft ungute Gefühle aus. Das weiss Frey. «Aber die Nervenstränge waren nie unterbrochen. Entscheidend war immer die Stabilisierung der Halswirbelsäule», sagt er. 

Gisin freute sich diebisch auf den Speed-Auftakt

Wie geht es weiter? Nach der ersten Operation folgt der Eingriff an der Hand. Welche Knieverletzung vorliegt, ist offen. «Das wird in Ruhe abgeklärt. Es eilt nicht. Schritt für Schritt», sagt Frey. Eine Prognose zum möglichen Comeback ist weit entfernt.

Noch am Vorabend im Hotel Cervus strahlte Gisin. «Die Freude ist wieder da, das Skifahren macht Spass», sagte sie. Der letzte Winter war verkorkst, nur dreimal schaffte sie es in die Top 10 – Platz 8 war das Beste. Darum fokussierte sie sich auf die Speed-Disziplinen. «So hatte ich im Sommer viel mehr Ruhe.» In den Trainings überzeugte sie, sagten die Trainer.

Nun die Hiobsbotschaft. Bitter für Gisin – und für ein ohnehin dezimiertes Schweizer Speed-Team. Vor drei Wochen verletzte sich Lara Gut-Behrami (34) im Training in Copper Mountain (USA) schwer am Knie und fällt die ganze Saison aus. Ob sie zurückkehrt, ist offen. Letzte Woche stürzte Corinne Suter (30). Sie pausiert rund einen Monat. «Leider gehört das zu unserem Sport. Alle waren in Topform, auch Michelle. Sie werden uns fehlen», sagt Cheftrainer Beat Tschuor.

Erinnerung an Gut-Behramis Abflug

Gut-Behrami, Suter und Gisin holten in der letzten Saison 88 Prozent aller Schweizer Speed-Punkte. «Sie waren austrainiert, gesund und bereit für den Start», sagt Tschuor. Er sagt es nüchtern, gibt aber zu: «Ich bin jetzt acht Jahre Cheftrainer, habe viel erlebt. Aber so etwas geht auch mir nahe.»

Ironie des Schicksals: Gut-Behrami stürzte vor vier Jahren an derselben Stelle wie Gisin, flog über zwei Netze und kam mit Prellungen davon. Tschuor: «Wichtig ist, dass wir Trainer jetzt mit jenen Fahrerinnen, die noch da sind, nach vorne schauen – so hart es auch sein mag.»

Doch wer ist nun eigentlich die Teamleaderin? Malorie Blanc hat das Potenzial, ist aber erst 21. Sie stand am Start, als Gisin stürzte. «Ich wusste nur, dass etwas passiert war. Erst später erfuhr ich, dass es Michelle war. Das tat weh. Michelle ist ein goldiger Mensch, sie hat mir viel geholfen.»

«Ich sah den Boden kaum»

Nimmt man das zweite Training als Massstab, könnte Joana Hählen (33) die Rolle des Speed-Zugpferds übernehmen. Sie fährt Bestzeit, profitiert aber von Sonne. «In St. Moritz siehst du mit Sonne die Wellen. Das macht alles einfacher.» 

Hählen wollte Gisins Sturz nicht im TV sehen, Blanc auch nicht. Priska Ming-Nufer (33) mied die Bildschirme ebenfalls. «Ich musste mich auf mich fokussieren. Im Ziel dachte ich an Michelle. Es ist nicht schön.» Ihre Fahrt? «Wegen der Bewölkung fuhr ich blind, sah den Boden kaum. Entscheidend ist, zentral auf dem Ski zu stehen. Drückst du im falschen Moment, passiert schnell etwas.»

Zurück zu Gisin. Ihr grosser Traum war immer Olympia 2026 in Cortina (It). Am 8. Februar startet am Fuss der Dolomiten die Abfahrt. Wird es ein Wettlauf gegen die Zeit? Erst muss sie gesund werden. Alles Weitere – der Winter und ihre Karriere – steht in den Sternen.

«Immer schwierig, wenn eine gute Kollegin stürzt»
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Hählen trotzdem mit Bestzeit:«Immer schwierig, wenn eine gute Kollegin stürzt»
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