Darum gehts
Das Schweizer Slalom-Team taut langsam, aber sicher auf. Immer mehr schaffen es in den zweiten Lauf. In Levi (Fi) waren es nur drei gewesen, in Gurgl (Ö) vier, und nun holen in Copper Mountain (USA) gleich sieben Athletinnen Weltcuppunkte. Keine andere Nation hat so viele. «Das hat mich richtig gefreut und ist die Reaktion, die ich sehen wollte», sagt Alpindirektor Hans Flatscher. Hinter den Teamleaderinnen Wendy Holdener (4.) und Camille Rast (10.) schaffen es Aline Danioth (16.), Mélanie Meillard (17.), Eliane Christen (19.), Nicole Good (21.) und Anuk Brändli (27.) in die Top 30. Sieben Schweizerinnen in den Punkterängen bei einem Slalom? Das hat historischen Wert. Seit 1993 schafften es nur einmal – im Januar 2025 – so viele Swiss-Ski-Fahrerinnen ins Klassement.
Camille Rast zeigt im Riesenslalom mit Platz 5, dass sie auch dort Weltklasse sein kann. Dafür gibts im Slalom tags darauf die Quittung. Nach ihrem 10. Platz meint sie: «Ich war nicht mehr so frisch.» Die Schwankungen der Walliserin in diesem Winter sind frappant. Ihre Platzierungen? 15., 15., 3., 5., 10.. Es geht rauf und runter. Angesichts ihrer nach wie vor schmerzenden Hüfte («Manchmal gehts besser, dann wieder schlechter») ist das wenig verwunderlich.
Marco Odermatt musste sich letzten Donnerstag den 47. Weltcupsieg besonders hart erkämpfen. Der Nidwaldner gewann den Super-G von Copper Mountain, obwohl es ihm noch am Tag zuvor aufgrund von einer Grippe mies gegangen war. Wie man aus derart schwierigen Situationen das Beste herausholt, hat der vierfache Gesamtweltcupsieger von seinem Vater Walti gelernt. Odermatt senior erinnert sich an einen FIS-Super-G 2014 in Davos: «Marco hat mich an diesem Morgen in meinem Büro angerufen, um mir zu sagen, dass er wegen Durchfall fast die ganze Nacht auf der Toilette verbracht habe. Er war kurz davor, seinen Trainern den Startverzicht mitzuteilen.» Doch Papa Walti hat in diesem Moment seinem damals noch nicht ganz 17-jährigen Jüngling mit den genau richtigen Worten umgestimmt: «Ich habe Marco vorgeschlagen, dass er als Letzter zur Streckenbesichtigung geht und erst dann über Start oder Nichtstart entscheidet. Letztendlich hat sich Marco für einen Start bei diesem Super-G entschieden, was sich für ihn bezahlt gemacht hat. An die genaue Rangierung kann ich mich zwar nicht mehr erinnern, aber Marco hat in diesem Rennen auf jeden Fall gute Punkte gemacht.»
Ein Mann bringt Odermatt aber offensichtlich kein Glück. Sein Name: Sergei Komarov. Der russische Trainer von Kroatiens Riesenslalom-Held Filip Zubcic hat beim letzten Weltcupfinal im ersten Riesen-Durchgang einen total unrhythmischen, eckigen Lauf gesetzt, in dem sich der Olympiasieger überhaupt nicht wohlgefühlt hat – als Halbzeit-Sechster hat Odermatt damals neun Zehntel auf die Bestzeit von Loïc Meillard verloren. Am vergangenen Freitag war Komarov auch in Copper Mountain Kurssetzer im ersten Lauf. Resultat: Nach drei Abschnittszeiten schied Odermatt aus.
Dafür hatte im zweiten Riesenslalom dieses Weltcup-Winters ein Mann, der bis dato als Riesen-Pechvogel bezeichnet wurde, das Glück auf seiner Seite. Die Rede ist von Stefan Brennsteiner. Vier Kreuzbandrisse musste der Österreicher in den letzten neun Jahren in Kauf nehmen. Damit nicht genug: Bei den Olympischen Spielen 2022 schied der im Pinzgau aufgewachsene Brennsteiner auf Medaillen-Kurs kurz vor dem Ziel aus. Bei der WM 2023 belegte er den undankbaren vierten Rang, bei der Heim-WM in Saalbach verlor der Mann mit dem Spitznamen «Brandy» kurz nach dem Start einen Ski. Wozu er fähig ist, wenn ihm die Gesundheit und das Material keinen Streich spielen, hat der 34-Jährige in Copper Mountain mit seinem ersten Weltcupsieg eindrücklich demonstriert. Norwegens Edeltechniker Henrik Kristoffersen in Colorado verlor als Zweiter 95 Hundertstel auf Brennsteiner.
Nach miserablen Riesenslalom-Jahren sorgt auch Julia Scheib bei unseren Nachbarn für Jubelstürme. Nach ihrem Sieg in Sölden wird die Frau aus Deutschlandsberg in der Steiermark in Copper Mountain Zweite. Sie führt die Riesenslalom-Wertung mit 180 Punkten an. Grund zur Erleichterung hat Österreich auch bei Shooting-Star Lisa Hörhager. Nach ihrem brutalen Sturz im Slalom, bei dem sie sich überschlug, zeigten die Röntgenbilder keine Brüche. Mit den Plätzen 23, 19 und 22 hat Hörhager schon jetzt mehr Punkte geholt als im ganzen letzten Winter.
Sechsmal mühte sich Anuk Brändli bei Weltcupslaloms ab. Ohne Erfolg. Sprich: Punkte. Doch nun klappt es! Sowohl in Gurgl (21.) als auch in Copper Mountain (27.) holt die 22-jährige Bündnerin Zählbares. Und das auf völlig unterschiedlichem Schnee, mit anderer Sicht und auf verschiedenen Hängen. Das macht Mut. Wie hatte es doch WG-Freundin Faye Buff im Sommer noch gesagt? «Anuk ist eine brutal gute Athletin, sie hat eine sehr gute Technik. Ich behaupte, dass dies ganz sicher weit nach vorne reicht.»
Hatte sie je einen schöneren Geburtstag? Am 1. Dezember wurde Alice Robinson 24. Mit dem Riesen-Sieg am Samstag machte sich die Neuseeländerin aus Queenstown ihr Geschenk gleich selbst. Damit hat Robinson nun 5 Weltcupsiege auf dem Konto – nie hat eine Athletin, die nicht aus Europa oder Nordamerika stammt, so oft gewonnen. Die Resonanz in der Heimat hält sich trotzdem in Grenzen. Im «New Zealand Herald», der grössten Zeitung des Landes, findet man nur eine kurze Agenturmeldung zu ihrem Sieg. Rugby ist und bleibt die Sportart Nummer 1. «Ich bin selbst grosser Rugby-Fan», verriet Robison Blick vor einigen Jahren.
Die Speed-Spezialisten müssen sich mit einer «kastrierten» Variante der Beaver-Creek-Abfahrt anfreunden. Aufgrund vom Schneemangel im letzten Streckendrittel wird das Ziel vor dem Harrior Jump installiert. Somit dürfte die Siegerzeit in der Abfahrt rund 15 Sekunden weniger betragen als im Vorjahr, als der Walliser Justin Murisier in 1:40,04 triumphierte. Die Zuschauertribüne wird in Beaver Creek (USA) aber nicht nach oben verschoben, sie bleibt im ursprünglichen Zielbereich. Damit die Zuschauer trotz der verkürzten Rennen in den Genuss von grossen Emotionen kommen, denken die Organisatoren über etwas Aussergewöhnliches nach: Die Rennfahrer sollen ihre Zeit erst dann sehen, wenn sie nach der Zielankunft beim Harrior über ein ziemlich schmales Schneeband zur Anzeigetafel fahren, welche vor den Zuschauerrängen steht. Ob diese Idee wirklich in die Tat umgesetzt wird, dürfte aber nicht vor dem ersten Abfahrtstraining am Dienstag entschieden werden.