Darum gehts
- Fabian Staudenmann führte nach dem ESAF eine knallharte Analyse durch
- Er kam zum Schluss, sich in Zukunft mehr aufs Sägemehl-Training zu fokussieren
- Im Nachgang zum ESAF hat ihm eine Aussage von Pirmin Reichmuth nicht gefallen
Fabian Staudenmann (25) kommt zu spät – wieder einmal. «Das ist mittlerweile leider typisch für mich», sagt der Schwinger lachend, als er vor dem Tramdepot in Bern eintrifft. Einmal angekommen, spricht Staudenmann Klartext. Nach der Enttäuschung am ESAF hat er eine tiefgründige Analyse vorgenommen.
Blick: Fabian Staudenmann, warum wurden Sie nicht Schwingerkönig?
Fabian Staudenmann: Weil ich die verschiedenen Puzzleteile nicht perfekt zusammensetzen konnte.
Was sind das für Puzzleteile?
Da spreche ich von Taktik, Mentalität, Technik, Athletik, aber auch vom Umfeld. Alle diese Teile wirkten am Freitag vor dem ESAF so stimmig wie noch nie.
Was geschah dann?
Ich machte zu viele Fehler.
Welche?
Die Taktik war teilweise schlecht. Gegen Samuel Giger hätte ich im ersten Gang mehr riskieren müssen. Und ich verfehlte zu oft die Maximalnote. Das darf mir nicht passieren. Zudem war ich technisch zu einseitig. Ich fand im Duell mit starken Gegnern keine Lösungen.
Weshalb?
Das ist ein Phänomen, das man überall sieht: Wenn es läuft, dann läuft es. So war es letzte Saison bei mir, ich hatte enorm viel Selbstvertrauen. Dieses Jahr tauchten dagegen plötzlich Zweifel auf.
Was löste diese Zweifel aus?
Im Nachhinein haben mich wohl die Niederlagen während der Saison verunsichert. Dadurch habe ich zu viel nachgedacht und wollte es zu gut machen. Was dazu führte, dass ich mich verkrampfte.
Wie lange dauerte Ihre Analyse nach dem ESAF?
Ich habe bewusst eine längere Trainingspause gemacht – gut sechs Wochen. In dieser Zeit habe ich alles hinterfragt. In vielen Bereichen kam ich zum Schluss, dass es passt. Aber gewisse Dinge möchte ich verändern.
Welche?
Ich will den Fokus wieder stärker aufs Training im Sägemehl legen. Athletisch bin ich seit Jahren top betreut, dieser Bereich bekam dadurch vielleicht etwas zu viel Gewicht. Künftig mache ich lieber eine harte Schwingeinheit mehr – und dafür ein intensives Krafttraining weniger. Zudem überlege ich mir, noch andere Dinge im Schwingkeller anzupassen, die sind aber noch nicht spruchreif.
Geformt wurde Fabian Staudenmann in seiner Jugend vom mehrfachen Ironman-Sieger Stefan Riesen. Als Zehnjähriger konnte der Spitzenschwinger keine einzige Liegestütze. Aufgewachsen in Guggisberg BE mit zwei Geschwistern zieht es ihn als Erwachsener in die Stadt Bern, wo er Mathematik studiert. Wenn möglich besucht der Kilchberger-Sieger die Spiele der Young Boys im Wankdorf. Trainiert wird Staudenmann mittlerweile von Schwingerkönig Matthias Glarner.
Geformt wurde Fabian Staudenmann in seiner Jugend vom mehrfachen Ironman-Sieger Stefan Riesen. Als Zehnjähriger konnte der Spitzenschwinger keine einzige Liegestütze. Aufgewachsen in Guggisberg BE mit zwei Geschwistern zieht es ihn als Erwachsener in die Stadt Bern, wo er Mathematik studiert. Wenn möglich besucht der Kilchberger-Sieger die Spiele der Young Boys im Wankdorf. Trainiert wird Staudenmann mittlerweile von Schwingerkönig Matthias Glarner.
Was wollen Sie sonst noch verändern?
Nach einem intensiven Gespräch mit meinem Sportpsychologen kam ich zum Schluss, dass ich in Zukunft meine Zielsetzung etwas anders definieren werde. Sprich, einen anderen Wortlaut benutze. Das Ziel bleibt aber natürlich der Königstitel.
Wie lautete Ihre konkrete Zielsetzung vor dem ESAF in Mollis?
(Überlegt.) Das bleibt mein Geheimnis.
Verraten Sie dafür, was mit Ihrem Fitness-Tracker passiert ist? Der fehlt an Ihrem Handgelenk.
Stimmt. Aktuell trage ich ihn nicht. Grundsätzlich war es einfach eine lustige Spielerei unter Kollegen. Wir haben jeweils verglichen, wessen Körper im Training am meisten gelitten hat. Hilfreich war sicher die Überwachung des Schlafs. Ob ich es in Zukunft wieder nutzen werde, weiss ich noch nicht.
Unklar ist auch, ob der VAR im Schwingsport nun doch kommt oder nicht. Sie sind dagegen. Weshalb?
Der Videobeweis nimmt dem Sport die Emotionen. Es müssen andere Lösungen gefunden werden.
Welche?
Mein Vater hatte da einen spannenden Input. Er kann nicht verstehen, weshalb die Kampfrichter teilweise mit dem Hut ihres Teilverbands in der Arena stehen. Sie sind schliesslich neutral. Solche Dinge bieten nur zusätzliche Angriffsfläche. Weil es dann sofort heisst, der hat den Schwinger aus seinem Teilverband bevorteilt. Und noch etwas.
Ja?
Bevor man immer mehr von den Kampfrichtern fordert, müssen zuerst ihre Arbeitsbedingungen besser werden – auch finanziell. Mehr Lohn wäre ein Zeichen von Wertschätzung. Zudem kann es nicht sein, dass Kampfrichter von Funktionären oder Schwingern öffentlich mit Namen an den Pranger gestellt werden.
Pirmin Reichmuth forderte eine lebenslängliche Sperre für einen Kampfrichter, der an den letzten beiden ESAF in Fehlentscheidungen verwickelt war.
Das ist für mich der völlig falsche Weg. Ich würde einem Kampfrichter nie Absicht unterstellen. Entscheidend ist für mich die Aufarbeitung. Weshalb kam es zum Fehler? Wenn man dann feststellt, dass jemand schlicht zu wenig gut ist, kann man über eine Degradierung nachdenken. Aber jemanden für unabsichtliche Fehler lebenslang zu sperren, wäre total übertrieben.
Wie könnte man solche Fehler minimieren?
In dem man in die Ausbildung investiert. Eine Idee wäre, dass Kampfrichter mehr Trainingsstunden im Schwingkeller leisten. Wir trainieren mehrmals pro Woche – sie könnten vorbeikommen. Idealerweise besuchen sie zwischen Herbst und Frühling rund zehn Trainings und Kampfrichtern dort jeweils eine Stunde. So entsteht ausserdem ein direkter Austausch mit uns Schwingern.