Darum gehts
Auftritt vor Millionenpublikum
Letzte Woche waren alle Augen nach Basel gerichtet. Mit dem Eurovision Song Contest fand der grösste Gesangswettbewerb der Welt in der Schweiz statt. Ein Event, das weltweit Millionen von Zuschauern vor die Fernsehgeräte zieht. Mittendrin hatte auch das Schwingen seinen grossen Auftritt. Alle teilnehmenden Acts lernten etwas für unser Land Typisches kennen. Die Gruppe KAJ, die für Schweden später Platz vier erreichte, wurde ins Sägemehl geschickt. Und traf dort auf Curdin Orlik (32). Vor einem so grossen Publikum war der Viertplatzierte des ESAF 2022 davor auch noch nie in die Zwilchhosen gestiegen.
Eine ungewöhnliche Entscheidung
Domenic Schneider (30) stand am Zürcher Kantonalen unter besonderer Beobachtung. Vor zwei Wochen hatte der Thurgauer mit einer unfairen Sägemehlaktion für Aufregung gesorgt, indem er beim Thurgauer Kantonalen Sägemehl unter den Rücken seines Gegners geschoben hatte. Wie würden die Zuschauer nun auf ihn reagieren? Die Antwort: Ganz normal, Schneider erhielt wie immer sehr viel Applaus.
Er ist und bleibt ein Publikumsliebling. Am Abend durfte sich der Landwirt den Kranz aufsetzen lassen. Als Drittplatzierter erhielt er ein Rind. Normalerweise entscheiden sich die Schwinger für den Gegenwert. Nicht so Schneider: Er wählte das Tier statt das Geld. Auf seinem Bauernhof im thurgauischen Weiler Friltschen habe es noch genug Platz. Der Weiler ist seit über 100 Jahren im Familienbesitz.
Ein paar Kilo weniger
Für viele Schwingfans war Samir Leuppi (32) trotz seiner Niederlage im Schlussgang der eigentliche Sieger des Zürcher Kantonalen. Der Einheimische begeisterte die Zuschauer mit spektakulären Siegeswürfen. So legte er im ersten Gang den favorisierten Domenic Schneider (30) aufs Kreuz. Im Verlaufe des Tages bezwang der Winterthurer vier weitere Gegner. Leuppi wirkte so stark wie lange nicht mehr, was er auf eine optimale Vorbereitung zurückführt: «In diesem Winter konnte ich so viel schwingen wie in den letzten vier Jahren nie.» Lobend erwähnt er die zusätzliche Sägemehleinheit mit den stärksten Nordostschweizern und die starken Verbandstrainings.
Auch die Umstellung im Athletikbereich hebt er positiv hervor. Neuerdings trainiert er mit Sam Böhringer (Coach) im «Klub der Sportfreunde» in Zürich-Altstetten. Dank den vielen intensiven Einheiten fühlt sich Leuppi sehr fit: «Ich habe sechs Kilo abgenommen.» Trotzdem reichte es im Schlussgang gegen Armon Orlik (29) nicht zum Sieg. «Ich wollte ihn überraschen. Leider hat es nicht funktioniert. Armon ist sackstark. Wenn du den Fuss am falschen Ort hast, war es das.» Nach 50 Sekunden lag Leuppi auf dem Rücken. Als die erste Enttäuschung verdaut war, durfte er auf einen gelungenen Sonntag zurückblicken.
Der Oldie im Sägemehl
Grosse Stricke zerriss Anton Dejung am Zürcher Kantonalen nicht. Nach einem Sieg und drei Niederlagen endete das Fest für ihn nach vier Gängen. Trotzdem war er aufgefallen, denn Dejung ist mit seinen knapp 50 Jahren der Älteste, der ins Sägemehl steigt. Kollegen haben ihn einst zum Schwingen gebracht, er stammt nicht aus einer Schwingerfamilie. In Urdorf bestritt er bereits sein siebtes Fest in diesem Jahr. Schwingen macht ihm Spass, auch wenn er nicht gewinnt. «Einen Gestellten gibt es nicht, dafür bin ich konditionell zu schwach», sagt er zu Blick. Und erzählt seine besondere Geschichte:
Da sein Götti aus Chile stammt, hat er eine ganze Weile in Südamerika gelebt. Und dort sein eigenes Brot verkauft. Das Schwingen hat er trotzdem verfolgt und das ESAF auch in Chile geschaut. Nach elf Jahren kehrte Dejung in die Schweiz zurück. «Weil ich Heimweh hatte und das Brotgeschäft nicht mehr gut lief», erklärt er. Nach der Rückkehr stieg Dejung wieder selber in die Zwilchhosen. Einen Kranz hat er bisher nie gewonnen, «dreimal hintereinander hat nur ein Viertelpunkt gefehlt», sagt er. Dennoch macht ihm das Schwingen «immer noch sehr viel Spass». Was ihm daran besonders gefällt? «Der Kampf Mann gegen Mann. Das ist sehr ehrlich.» Und wie lange will er noch schwingen? Darauf hat Dejung eine klare Antwort: «In zwei Jahren will ich am Zürcher Kantonalen aufhören.»
Eine suboptimale Vorbereitung
Im Vorfeld des Zürcher Kantonalen setzte niemand auf Andreas Döbeli (27). Alle Experten, einschliesslich König Nöldi Forrer (46), waren sich einig, dass der Aargauer Eidgenosse das Duell gegen Armon Orlik (29) verlieren würde. Zu ihrer Überraschung hielt Döbeli sehr gut dagegen. Der Landwirt geriet nie in Bedrängnis. Die Gangdauer verstrich ohne Resultat. «Er hat sich sehr gut auf mich eingestellt», lobte Orlik.
Wie hart es als Gast an einem Kantonalen sein kann, musste Döbeli kurz darauf erfahren. Nach dem Gestellten gegen den Topfavoriten und dem Sieg gegen Teilverbandskranzer Nicola Wey erhielt Döbeli Thomas Burkhalter vorgesetzt. Der 130-Kilo-Mann konzentrierte sich auf das Verteidigen – mit Erfolg. «Mir fehlte die Vielseitigkeit. Der Kurz kam nicht wie gewünscht», zeigte sich Döbeli selbstkritisch.
Nach einem weiteren gestellten Gang musste der Eidgenosse um den Kranzgewinn zittern. Dank zwei Maximalnoten sicherte er sich das Eichenlaub in extremis. Rückblickend bezeichnet Döbeli seine Vorbereitung als suboptimal: Bruder Lukas war am Montag am Meniskus operiert worden – seine Saison ist gelaufen. «Ich holte ihn im Spital ab. Luki an den Krücken zu sehen, tat weh. Gleichzeitig musste ich mich auf meinen Wettkampf fokussieren. Das war schwierig.» Nun wünscht er seinem Bruder eine schnelle Genesung. «Ich hoffe, dass er sich im Winter ohne Beschwerden auf die nächste Saison vorbereiten kann.»
Die Karateweltmeisterin
Vorletztes Wochenende hat die IFK-Weltmeisterschaft im Kyokushinkai-Karate stattgefunden. Und Angela Felber (28) hat Geschichte geschrieben. Als erste Schweizerin gewann sie in der Kategorie «Women +65 kg» den WM-Titel. Was das mit Schwingen zu tun hat? Ganz einfach: Felber trainiert bei Tommy Herzog (48). Und der Aargauer Schleifer hat schon so manchen Bösen gross gemacht. So arbeitete er mit König Christian Stucki (40) zusammen und betreut aktuell Joel Strebel (28) und Andreas Döbeli (27). Bis Februar 2024 war er auch für das Training von Pirmin Reichmuth (29) zuständig. Mit dem Zuger Eidgenossen verbindet Felber indes noch etwas anderes: Die beiden betreiben gemeinsam eine Physiotherapiepraxis.
Die Königs-Favoriten
Armon Orlik ist der einzige der Königs-Favoriten, der am vergangenen Wochenende im Einsatz stand. Und er tat dies auf überzeugende Art und Weise. Der Bündner verteidigte erfolgreich seinen Titel am Zürcher Kantonalen Schwingfest, er gewann dieses zum insgesamt dritten Mal.
Viel Spannung verspricht das nächste Wochenende, wenn die Berner ihre Saison lancieren und gleich mehrere Königs-Favoriten zur Tat schreiten. Joel Wicki (28) und Pirmin Reichmuth kämpfen in Luzern, Fabian Staudenmann (25) und Adrian Walther (23) am Seeländischen, und Samuel Giger (27) steigt in St. Gallen in die Zwilchhosen.