Jan Christen muss sich nach Zeitfahren übergeben
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Völlig ausgepowert:Jan Christen muss sich nach Zeitfahren übergeben

WM-Bronze! Christen trotzt Magenproblemen und ist heiss auf mehr
«Ich wollte mich schon auf dem Velo übergeben»

Jan Christen fährt beim WM-Zeitfahren der U23 aufs Podest. Selbstverständlich? Nein. Denn: Er kämpft gegen nasse Strassen und mit Magenproblemen.
Publiziert: 23.09.2024 um 19:50 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2024 um 08:13 Uhr
Das Strahlen des Bronzemedaillengewinners: Jan Christen gewinnt beim U23-Zeitfahren die Bronzemedaille.
Foto: keystone-sda.ch
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Die Uhr tickt und Jan Christen zittert. Der 20-Jährige schaut gespannt auf den TV-Bildschirm, schlägt die Hände vors Gesicht, stirbt tausend Tode. Wird es für eine Medaille reichen? Sein Ziel im WM-Zeitfahren war Gold – aber dieser Zug ist abgefahren, weil Ivan Romeo (21, Sp) schneller ist – er sitzt in der Podest-Box gleich neben Christen.

Dann erreicht der Schwede Jakob Söderqvist (21) das Ziel und wird Zweiter Bange Momente. Es folgt Alec Segaert (21), der grosse Favorit aus Belgien. «Ich war extrem angespannt, habe aber gemerkt, dass seine Beine immer schwerer wurden», so Christen. Tatsächlich: Segaert bricht auf der Bellerivestrasse ein. Bronze ist perfekt! «Ich habe gezittert, aber jetzt bin ich überglücklich», sagt Christen.

Aber wäre nicht mehr möglich gewesen? Vielleicht hätte der junge Aargauer Silber-Gewinner Söderkvist bezwingen können – dieser profitiert jedoch, weil er als Zweitletzter ins Rennen geht, von mehr und mehr abtrocknenden Strassen. «Die Bedingungen waren leider nicht für alle gleich. In der Abfahrt konnte er mehr riskieren.»

Christen windet sich am Boden

Blicken wir zurück. Um 15:52 Uhr startet Christen in Gossau ZH als einer der ersten Favoriten. Er tut es nicht irgendwie, sondern mit voller Überzeugung. Er pedalt, als gäbe es kein Morgen, ist explosiv und beschleunigt wie ein Berserker aus jeder Kurve. «Ich hatte ein super Gefühl», erzählt er. Bei der ersten Zwischenzeit ist Christen der Schnellste – das bleibt auch bis zum Schluss so.

Doch dann verglüht Christens Gold-Stern immer mehr. In der Steigung, die folgt, beginnen die Probleme. Christen hat mehr und mehr Schwierigkeiten mit dem Magen, das Atmen fällt schwerer und schwerer. «Vielleicht habe ich etwas Falsches gegessen, ich weiss es nicht», erzählt er. Später, auf der unendlich langen Gerade am Zürichsee, greift Christen zu einer drastischen Massnahme: Er steckt den Finger in den Rachen. «Ich wollte mich auf dem Velo übergeben», sagt er. Es klappt nicht. 

Christen hat das Gefühl, dass etwas in seinem Hals steckt. Er gibt nicht auf – er weiss, dass jede Sekunde zählt. Mit weit aufgerissenem Mund erreicht er völlig entkräftet das Ziel, fällt auf den nassen Asphalt, windet sich, spuckt. Und dann übergibt er sich doch noch. Viele fragen sich: Ist das normal? Sein Trainer Bruno Diethelm kann sich vorstellen, dass es nicht ein schlechtes Essen war, das Christen sauer aufstiess: «Wenn du so angespannt bist und nicht mehr sauber atmest, kann so etwas passieren.»

Gemeinsam mit Bruder Fabio zu Gold?

Christen hatte nicht seinen besten Tag – auch die Vorbereitung mit dem Sturz zehn Tage vor der WM war alles andere als ideal. «Ich bin umso glücklicher, dass ich nun eine Medaille in der Tasche habe. Am Freitag habe ich nichts zu verlieren, ich werde voll attackieren», sagt er.

Das WM-Strassenrennen der U23 steht dann an. Sein Bruder Fabio (22) wird auch dabei sein. «Er fährt enorm stark und gemeinsam können wir im Feld grossen Schaden anrichten. Wir verstehen uns blind und ich bin sicher, dass es ein tolles Rennen wird.»

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