Darum gehts
- Marlen Reusser blickt auf erfolgreichstes Jahr zurück, trotz gesundheitlicher Rückschläge
- Zeitfahren ist für Reusser Fluch und Segen, sie erwägt künftig selektiver teilzunehmen
- Olympia 2028 in Los Angeles hat Reusser auf dem Radar
Marlen Reusser (34) blickt auf ihr bislang erfolgreichstes Jahr zurück. Sieg an der Tour de Suisse, Podestplätze bei Giro und Vuelta, dazu die Goldmedaille an der WM, sportlich lief fast alles perfekt. «Es war eine supercoole Saison», sagt sie im Gespräch mit Blick.
Ganz ohne Rückschläge ging es aber nicht. Immer wieder musste sie krankheitsbedingt pausieren. Reusser fühlte sich in der Berichterstattung teilweise unfair behandelt: «Es hiess, ich sei ständig krank oder hätte chronische Probleme. Das stimmte nicht.»
Sie erklärt: «Am Giro hatte ich eine Magen-Darm-Infektion, vor der Tour de France etwas Schlechtes gegessen, später kam eine Grippe. Alles Dinge, die jedem passieren können. Aber daraus wurde ein Dauerproblem gemacht.»
Zeitfahren – zwischen Faszination und Qual
Reusser gilt als eine der besten Zeitfahrerinnen der Welt – was sie mit dem WM-Triumph in Kigali eindrucksvoll unterstrich. Doch die Disziplin ist für sie Fluch und Segen zugleich. «Ein gutes Zeitfahren bedeutet, dass du extrem an die Grenze gehst. Es ist ein Kampf mit dir selbst – das macht es speziell, aber nicht unbedingt angenehm», sagt sie. Was Reusser fasziniert, ist die Herausforderung dahinter: «Das WM-Zeitfahren dieses Jahr hat mich sieben Leben gekostet.»
Künftig will sie gezielter auswählen: «Ich kann mir vorstellen, mal ein Zeitfahren auszulassen. Ich stelle mich dieser Herausforderung gerne, aber ich will das nicht noch 25 weitere Male in meinem Leben machen.»
Olympia bleibt offen
Die Goldmedaille bei Olympia fehlt ihr noch. In Paris 2024 war sie krank, in Los Angeles 2028 wäre sie 37. «Natürlich ist das im Kopf», sagt Reusser. «Aber ich weiss ehrlich gesagt nicht, ob ich dort überhaupt noch fahre. Es wäre eine unglaubliche Herausforderung, doch ich muss mich noch entscheiden, ob ich sie annehmen will.»
Druck verspürt sie keinen: «Ich glaube, ich könnte gut alt werden, ohne dass ich die Goldmedaille bei Olympia habe. Vielleicht denke ich in fünf Jahren: ‹Mist, hättest du das noch gemacht› – aber im Moment bin ich völlig im Reinen.»
Kurze Pause, keine Ferien
Die Off-Season fällt bei Marlen Reusser kurz aus, aber bewusst gestaltet aus. «Ich bewege mich gerne, aber ich kann gut loslassen. Ferien im klassischen Sinn mache ich keine, aber ein paar Tage ohne Rad tun gut.»
Ganz untätig bleibt sie dennoch nicht: «Ich gehe an eine Hochzeit in Italien, treffe Familie und Freunde – das ist für mich Erholung.» Langsam richtet sich der Blick auch wieder nach vorn. «Ab dem 9. November steige ich wieder ins Training ein. Ich bin motiviert, aber ich weiss auch, dass ich das nicht ewig machen will.»
Was danach kommt, lässt sie offen. «Ich habe viele Interessen. Vielleicht wieder etwas in der Medizin, vielleicht ganz etwas anderes. Es wird mir bestimmt vieles einfallen.»