Ex-Rad-Profi und Doper Rolf Järmann (59) spricht Klartext
«Kann mir nicht vorstellen, dass Pogacar gedopt ist»

Der ehemalige Rennfahrer und Doper Rolf Järmann analysiert die Entwicklung des Radsports seit seiner aktiven Zeit. Für ihn ist klar: Die immer schneller Tempi im Peloton haben nichts mit illegalen Substanzen zu tun.
Publiziert: 10:54 Uhr
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Aktualisiert: 11:59 Uhr
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Rolf Järmann lassen die Doping-Vermutungen rund um Tadej Pogacar kalt. «Ich glaube nicht an systematisches Doping», so der Ex-Profi.
Foto: Sven Thomann

Darum gehts

  • Rolf Järmann spricht über Doping im Radsport und Tadej Pogacars Leistungen
  • Järmann glaubt nicht an systematisches Doping, betont Fortschritte im Radsport
  • 17 Fahrer schafften es in die Top 50 der schnellsten Zeiten am Mont Ventoux
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Blick: Rolf Järmann, Sie haben jahrelang gedopt. Tut es auch Tadej Pogacar?
Rolf Järmann: Woher soll ich das wissen?

Sie können es nicht wissen. Aber was sagt Ihr Gefühl?
Ich kann es mir nicht vorstellen. Als ich aktiv war, haben wir flächendeckend gedopt. Wir wussten, dass es verboten war, hatten aber kein schlechtes Gewissen. Das ist heute ganz anders. Pogacar und Co. wuchsen anders auf, sie sind viel mehr sensibilisiert. Die Kontrollen sind zudem viel besser als früher. Ich glaube nicht an systematisches Doping.

Es muss ja nicht systematisch sein.
Einverstanden. Aber alleine zu betrügen, ist viel komplizierter. Du brauchst Ärzte und Apotheker, die dahinter stecken und dich beliefern. Sagen wir, Pogacars Team UAE würde Doping betreiben. Das Risiko, aufzufliegen, ist viel grösser als zu meiner Zeit – denn damals deckten sich alle Mannschaften gegenseitig.

Hier stürzt Pogacar knapp am Bordstein vorbei
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Vier Kilometer vor dem Ziel:Hier stürzt Pogacar knapp am Bordstein vorbei

Der Journalist und Experte Antoine Vayer (62) untersuchte seine Leistungen ganz genau und kommt bei einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» zum Schluss: «Niemand glaubt daran, dass das normal ist, was er tut. Niemand glaubt an Pogacar, Punkt.»
Ganz ehrlich, da kommt mir die Galle hoch. Ich habe das Interview gelesen und frage mich: Wie kann er zu so einem Schluss kommen? Von Aussen kann man jemand doch nicht aufgrund seiner Fahrweise verurteilen. 

Er verweist auf die purzelnden Rekorde bei den Anstiegen der Tour. Im letzten Jahr pulverisierte Pogacar die Bestmarke am Plateau des Beilles und auch in diesem Jahr war er der Schnellste der Geschichte am Mont Ventoux.
Das beweist gar nichts. Natürlich steigen die Wattzahlen – schauen Sie doch, wie viel professioneller der Radsport im Vergleich zu den Epo-Zeit geworden ist. Material, Ernährung, Taktik, Erholung – alles ist fortgeschrittener. Wissen Sie, als ich 1999 zurücktrat, hütete ich mein 10’000 Franken teures Colnago-Rad wie ein Goldschatz. Als ich zehn Jahre später in Mallorca ein neues Rennvelo mietete, merkte ich: Das rollt ja hundertmal besser! Die Entwicklung war rasant.

So tickt Rolf Järmann

Er war bei weitem nicht der erfolgreichste Schweizer Rad-Profi. Und trotzdem einer der beliebtesten. Rolf Järmann aus Arbon TG war während seiner Karriere (1987–1999) stets ein treuer Helfer, dazu trug er sein Herz auf der Zunge. Nur etwas verschwieg er lange: Dass er selbst dopte. Nachdem er das Rad an den Nagel hing, beichtete er trotzdem den Gebrauch von EPO. Dies, obwohl er nie erwischt worden war. «Eine der besten Entscheidungen meines Lebens», sagte er damals erleichtert. Järmann war aber nicht nur Wasserträger, sondern auch auf welligem Terrain stark: Er gewann je eine Etappe des Giro und der Tour de France, dazu zwei der Tour de Suisse. Und er gewann zweimal das Amstel Gold Race. Heute ist er Geschäftsführer von Wohnmobilland Schweiz (womoland.ch).

Rolf Järmann ist Ex-Radprofi und Geschäftsführer von Wohnmobilland Schweiz.
Sven Thomann

Er war bei weitem nicht der erfolgreichste Schweizer Rad-Profi. Und trotzdem einer der beliebtesten. Rolf Järmann aus Arbon TG war während seiner Karriere (1987–1999) stets ein treuer Helfer, dazu trug er sein Herz auf der Zunge. Nur etwas verschwieg er lange: Dass er selbst dopte. Nachdem er das Rad an den Nagel hing, beichtete er trotzdem den Gebrauch von EPO. Dies, obwohl er nie erwischt worden war. «Eine der besten Entscheidungen meines Lebens», sagte er damals erleichtert. Järmann war aber nicht nur Wasserträger, sondern auch auf welligem Terrain stark: Er gewann je eine Etappe des Giro und der Tour de France, dazu zwei der Tour de Suisse. Und er gewann zweimal das Amstel Gold Race. Heute ist er Geschäftsführer von Wohnmobilland Schweiz (womoland.ch).

Am Ventoux schafften es 17 Fahrer in die Top 50 der schnellsten Zeiten der Geschichte. Das kann man doch nicht ausblenden?
Und wie war der Rennverlauf? Wie blies der Wind? Wie viel besser war der Strassenbelag? Ich halte nichts von solchen Vergleichen. Ausserdem: Wenn es 17 schaffen, soll man dann davon ausgehen, dass 17 gedopt waren? Im Gegenteil. Es ist ein Beweis dafür, wie rasant der Fortschritt im Radsport ist.

Warum tauchen Doping-Spekulationen im Radsport immer wieder auf, obwohl es längst wenige positive Fälle gibt?
Das hängt mit seiner Vergangenheit zusammen. Keiner kam je auf den Gedanken, dass der Ausnahmeathlet Federer gedopt hätte. Oder dass Odermatt es tun könnte. Nicht falsch verstehen, das finde ich richtig so. Aber letztlich kann man in jeder Sportart von Doping profitieren, nicht nur im Radsport.

Wie erklären Sie sich, dass Pogacar so viel besser ist als alle anderen? Er dominiert nicht nur bei der Tour de France, sondern auch in vielen Eintagesrennen.
Er ist ein Ausnahmeathlet. Die gibt es immer wieder, egal in welchem Sport. Seine Konkurrenz an der Tour de France hat sich aber auch selbst geschlagen. 

Was ist mit Aicar? Das Mittel wird als Wunderdroge gepriesen. Es ist laut Ärzten hocheffektiv und schwer auffindbar.
Es gibt seit 50 Jahren immer eine Wunderdroge (schmunzelt), die dann doch nie auftaucht. Gerüchte bleiben meist Gerüchte. Entscheidend ist: heute kann man neue Mittel viel schneller nachweisen als früher. 

Zurück zu Pogacars Team UAE. Teamboss Mauro Gianetti wurde nie des Dopings überführt, fuhr aber zu Ihrer Zeit und war später als Manager von Saunier Duval-Prodir in mehrere Dopingskandale verwickelt.
Das gibt mir auch zu denken. Aber es heisst nicht, dass seine Fahrer deswegen betrügen. Ich war nie ein grosser Freund von Mauro – aber vielleicht hat er sich ja geändert. Ich bin schliesslich einst auch vom absoluten Doping-Gegner zum Doper geworden.

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