Darum gehts
- Dominic Lobalu bereitet sich – mit einer Verletzung – auf die WM in Tokio vor
- 27-jähriger Europameister über 10'000 m strebt WM-Medaille an
- Wie er zu Sushi steht und wie er Edelmetall feiern würde
Wer mit Dominic Lobalu (27) rund ums Athletenhotel im Rahmen der Athletissima in Lausanne unterwegs ist, kommt nicht allzu weit. Der Europameister über 10’000 m wird von allen Seiten gegrüsst. Erst sieben geschüttelte Hände, einige Umarmungen und diverse Small Talks in verschiedenen afrikanischen Idiomen später nimmt er vor einem grossen Springbrunnen Platz. Bei der Frage, welche Sprachen er denn alles könne, muss er selbst überlegen. «Ich kann einige, aber keine so richtig gut», meint er lachend.
Tigrinya, das hauptsächlich in Äthiopien und Eritrea gesprochen wird, würde er gerade lernen. Hinzu kommt Suaheli, die am weitesten verbreitete Sprache Ostafrikas, die er in Kenia aufschnappte, nachdem er als Kind aus dem Bürgerkrieg im Südsudan geflohen war. Seine Muttersprache wäre eigentlich Didinga, was ebenso die Bezeichnung seines Stammes ist, doch einen Grossteil hat er in der Zwischenzeit verlernt, weil er sie nicht mehr braucht.
Im Englischen sieht er sich «bei 70 Prozent», und auch was sein (beachtliches) Deutsch anbelangt, lerne er noch täglich dazu. Es ist Lobalu ein Anliegen, Interviewtermine in der Schweiz grundsätzlich auf Deutsch zu führen. Der 2019 ins Land gekommene, in Abtwil SG wohnhafte Spitzenathlet weilt in Lausanne, weil er einige Sponsoren- und Eventtermine hat. Doch seinen Start an der Athletissima muss er wegen muskulären Oberschenkelproblemen genauso absagen wie jenen bei Weltklasse Zürich eine Woche später. Alles, um die geplanten Einsätze über 5000 m und 10’000 m an der nun anstehenden WM in Tokio nicht zu gefährden.
Erreicht er in Japan sein grosses Karriereziel?
Auf den Grossanlass in Japan (13. bis 21. September) ist seine gesamte Saison ausgelegt. Er ist nach der letztjährigen Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen in Paris – mit dem starken vierten Rang – sein bislang grösstes Karrierehighlight. Eine Reise nach Asien hat er noch gar nie angetreten. Die japanische Kultur ist ihm komplett fremd.
Die Vorfreude steht ihm ins Gesicht geschrieben, wenn er spricht. Doch bei den sportlichen Zielen schwingen auch einige Bedenken mit. Die bisherige, von ein paar Blessuren geprägte Saison sei «nicht so einfach» gewesen, weshalb Lobalu, der im Normalfall einer der grössten Schweizer Medaillenhoffnungen ist, sein Vorhaben mit einer gewissen Zurückhaltung formuliert.
«Ich weiss nicht genau, wo ich gerade stehe. Aber eine Medaille wäre enorm wichtig für mich. Sie ist das übergeordnete Ziel meiner gesamten Karriere. Letztes Jahr in Paris war es ganz knapp. Wenn es erneut nicht aufgeht, kommen noch weitere Chancen. Aber träumen darf ich.» Und ob. Erzielen die jüngsten Reha- und Vorbereitungskniffs ihre erhoffte Wirkung, ist Lobalu in Tokio vor allem über 10’000 m ein Topkandidat auf Edelmetall. Gold über diese Distanz sowie Bronze über 5000 m hat er im Vorjahr an der EM schon geholt. Doch eine WM – in diesem Jahr tritt er zum ersten Mal für die Schweiz an – oder Olympia sind ganz andere Hausnummern.
Sushi? «Gekochten Fisch fände ich besser»
Dass er einen Podestplatz mit japanischem Essen feiert, scheint hingegen weniger realistisch. Weil Lobalu noch nie in seinem Leben Sushi probiert hat, bringt Blick ihm ein kleines Probier-Plättchen nach Lausanne. Lobalu muss lachen und wirkt leicht skeptisch.
Rohen Fisch? Ist nicht so seins. Die mit Lachs belegten Röllchen rührt er nicht an. «Doch das mit Gurke ist noch lecker», meint er und schmunzelt. Zwei Röllchen genehmigt er sich, dann ist auch wieder gut: «Ich bin im Allgemeinen weniger ein Fan von kaltem Essen. Gekochten Fisch fände ich besser.»
Zu seinen Leibspeisen gehört überdies Okra, der bohnenähnliche Gemüse-Eibisch. Sushi würde also eher nicht Teil einer Medaillenfeier sein. «Aber eine kleine Party dürfte es schon geben», meint Lobalu, der sogleich wieder ernster wird. Um klarzumachen, wie viel ihm ein solcher Erfolg bedeuten würde: «Gewinne ich eine Medaille, dann tue ich das für all meine Unterstützer. Für alle, die mir auf meinem Weg geholfen haben. Es wäre ein Geschenk für uns alle.» Und die vorläufige Krönung einer bewegten Laufbahn.