Darum gehts
- FCZ-Präsident Canepa plant Nachfolge und verteidigt Sportchef Malenovic
- Trainer van der Gaag entlassen, Assistent Hediger übernimmt interimistisch
- Canepa will Nachfolgeplanung innerhalb der nächsten 5 bis 7 Jahre realisieren
Ancillo Canepa (72) serviert am Schanzengraben Kaffee. Seine weisse Schäferhündin Chilla räkelt sich entspannt im Bürogang, derweil Heliane den Schauplatz verlässt. «Wohin gehst du?» Seine Frau dreht sich um und bleibt knapp: «Weg, einfach kurz weg.»
Der FCZ-Präsident will manchmal wohl auch einfach nur weg. Kann er nicht, die Sorgen des Alltags haben ihn eingeholt. Anfang Woche ist für ihn nach einer Anhörung von verschiedenen Team-Vertretern klar: «Wir müssen den Trainer auswechseln – uns bleibt nichts anders übrig.»
Dann nimmt alles seinen wilden Lauf. Blick fühlt am Tag der Freistellung von Mitchell van der Gaag (54) Canepas Puls und bekommt zeitgleich aus verschiedenen Quellen Infos zugesteckt, dass innerhalb der Garderobe einiges aus den Fugen geraten sein soll. Der Klubchef klemmt die Debatte um angebliche Auseinandersetzungen zwischen mehreren Fraktionen partout ab: «Fake News! Das sind erfundene Geschichten. Captain Brecher hat das so bestätigt.»
Willkommen im FCZ-Kosmos: viel Drama, viel Lamento, viel Aufregung.
«Wer das Tempo nicht mitgehen kann, ist fehl am Platz»
Nicht erfunden ist der laute Trainer-Knall. Fakt ist auch der sportliche Stillstand der Zürcher. In der Super League und im Cup haben sie in den letzten zwei Jahren regelmässig Rückschläge zu verkraften. Mehrere Übungsleiter sind daran gescheitert, die Vision der Vereinsleitung umzusetzen.
Canepa und sein wichtigster Verbündeter Milos Malenovic (40) pauken die Idee, wie der FC Zürich auf und neben dem Feld zu funktionieren hat, ohne Rücksicht auf Verluste durch. «Wer unser Tempo nicht mitgehen will oder kann, ist fehl am Platz. So einfach ist das.»
Für den Mann an der Vereinsspitze ist nach bald 20-jähriger Regentschaft klar: «Es gibt Menschen, die mit Veränderungen überfordert sind. Aber heute ist die Schnelligkeit das wichtigste Kriterium. Die Profile verändern sich ständig – im Sport, im Business, überall.» Das Change-Management verursacht per se schon Unruhe. Wenn der Output im Tagesgeschäft ausbleibt, spitzt sich die Lage rasch einmal zu.
Dass die Stimmung im Klub aktuell toxisch sei, stellt Canepa gleichwohl vehement in Abrede – die Kommentare der Fans hingegen fallen erbost aus, ins Zentrum der öffentlichen Kritik ist Milos Malenovic geraten.
Malenovic – Head of FCZ?
Der mächtigste Sportchef der Super-League-Geschichte besitzt im FCZ gefühlt eine Carte blanche. Sein Wort gilt, seine Linie ist für jeden Coach in der Organisation ausnahmslos verpflichtend, seine Ansprüche sind hoch, seine Präsenz mit totalem Engagement für den Verein ist unübersehbar – Malenovic wirkt wie ein Head of FCZ.
Canepa bläst Pfeifenrauch aus und schüttelt mit dem Kopf: «Nein, Milos ist nicht der Head of FCZ. Diese Wahrnehmung ist nicht korrekt. Wir besitzen eine klare Führungsstruktur mit einer aktiven und gut funktionierenden Geschäftsleitung, die von Heliane und mir geführt wird. Richtig ist, dass Milos ein unternehmerisch denkender Sportchef ist. Ein Sportchef, der mit Energie und auch Mut den von der Klubleitung beschlossenen Veränderungsprozess in der Sportabteilung zielorientiert umsetzt.»
Viele würden gar nicht verstehen, wie komplex die Arbeit des Sportchefs sei, wundert sich Canepa: «Es ist eine äusserst wichtige und auch sehr anspruchsvolle Aufgabe in einem Profi-Klub. Er muss führen, Einfluss nehmen, mit dem Trainer in Kontakt sein, die Akademie unter Kontrolle haben. Es geht um Gespräche mit Eltern, mit Agenten. Es geht auch um Finanzen, um Kostenkontrolle, um das Transferwesen mit dem Scouting, um Vertragsabschlüsse. Ein 24/7-Job.»
Canepa erklärt, wieso Malenovic so viel Einfluss bekommt
Zum Jobprofil gehöre auch die Fähigkeit, unpopuläre Entscheide umzusetzen. «Wir wollen einen Sportchef, der nicht wegschaut, der im Gegenteil bereit und fähig ist, konkret Einfluss zu nehmen.» Den beeindruckenden Bewegungsspielraum gewährt Canepa bewusst: «Er soll entwickeln und umsetzen können.» Und Canepa betont, im ständigen Dialog zu stehen. Das meiste sei abgesprochen – notfalls würden sie «korrigierend eingreifen».
Canepa redet mit Blick über Komfortzonen, über Bereiche, die lange zu wenig geführt gewesen seien. Er sagt, Malenovic denke vernetzt und konsequent. Er sei durchaus dialogfähig und auch selbstkritisch. Der Vorsitzende der Sportabteilung habe auch nie behauptet, stets fehlerfrei zu handeln.
Van der Gaag ist untergegangen und abgewählt worden. Das Klima in Zürich behagte ihm nicht. Assistent Dennis Hediger übernimmt ad interim – der langjährige Vertraute und Bekannte des Sportchefs kennt die Canepa-Rahmenbedingungen besser als der überforderte Holländer. Er setzt um, was sich die Klubleitung unter moderner Führung vorstellt: Job-Sharing an der Seitenlinie, enger Austausch: «Top-Leute haben im Business Top-Leute um sich herum. Sie haben keine Mühe und auch keine Angst, auf verschiedene Ideen einzugehen.»
FCZ-Wette auf bessere Zeiten
Zusammen mit dem Duo Hediger/Malenovic träumt der FCZ-Boss Canepa weiterhin vom technisch guten Fussball, von der Ballbeherrschung, vom schnellen Umschalten, vom Pressing, aber auch vom Kämpfen bis zum Umfallen. «Wir wollen nicht einfach den Ball nach vorne schlagen und hinterherrennen. Das ist nicht die Fussball-Philosophie des FC Zürich.»
Bei der Anstellung des früheren Ajax-Mitarbeiters Mitchell van der Gaag haben sie «diese Art von Fussball vereinbart», so Canepa im Gespräch mit Blick. «Wenn wir einen Trainer verpflichten und mit ihm eine Vision definieren, erwarte ich schon, dass sie bis zu einem gewissen Grad umgesetzt wird.»
An seinem langen Bürotisch schweift Canepa ab, weg von den Schwierigkeiten in der Liga: «Die Super-League-Mannschaft ist der Treiber, logisch. Der Unterbau hingegen muss stimmen. Wir haben in meiner Amtszeit noch nie so viele überdurchschnittliche Talente entwickeln und notabene auch vertraglich langfristig binden können.» Für ihn sind es wirtschaftlich die wesentlichen stillen Reserven, die im FCZ schlummern.
Viele dieser Top-Talente habe Malenovic identifiziert, weil er sie kontinuierlich auf allen Stufen beobachte: «Ohne ihn und seine Mitarbeiter wäre die Pipeline nicht derart gut gefüllt.» Und dann macht Canepa eine Ansage: «In den nächsten zwei Jahren werden mehrere dieser jungen Spieler den Sprung in die erste Mannschaft schaffen.»
Im Duell mit den Young Boys geht die FCZ-Wette auf bessere Zeiten in die nächste Runde. Der Druck ist gewaltig, das Publikum kann mit der jüngsten Kursänderung wenig bis nichts anfangen. Es ist mit Reaktionen zu rechnen, mit Eruptionen in der Südkurve. Es geht wieder einmal um einen Richtungsstreit, um verschiedene Wahrnehmungen. Canepa ist überzeugt, dass seine Organisation mehr richtig als falsch macht: «Das Team hat Potenzial. Der nächste Schritt ist in dieser Besetzung möglich. Die vorhandenen PS müssen nun auch auf den Platz gebracht werden.»
Canepa und die Nachfolgeplanung
Nach stürmischen Herbsttagen sinniert der ewige FCZ-Präsident über seine persönliche mittelfristige Zukunft. Der 72-Jährige lenkt den Verein an der Seite von Heliane (77) seit bald zwei Dekaden. Nur der legendäre Patron Edi Nägeli war zwei Jahre länger Präsident (1957-1979) – FCZ-Besitzer Canepa dürfte dereinst als Rekordhalter abtreten. Er sagt: «Uns ist völlig bewusst, dass wir unsere Aktien nicht irgendwann mit ins Grab nehmen können.»
Die Nachfolgeregelung wird zum Thema, «wie in vielen anderen Familienunternehmungen auch. Ich war früher in der Unternehmensberatung tätig und habe auch diesbezüglich viel erlebt. Gute und weniger gute Nachfolgeregelungen.»
Beim Interview-Termin mit Blick spricht Canepa erstmals sehr offen über die Zukunft seines Lebenswerks: «Wir wollen in den nächsten zwölf Monaten Klarheit schaffen, wie die Nachfolgeplanung aussehen soll.» Sie würden Step by Step ein Konzept erstellen: «Konkret stellen wir uns vor, die Nachfolge schrittweise innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre realisieren zu können.»
«Mit Heliane in Frieden weiterleben»
In den letzten Jahren haben sich regelmässig Investoren beim Besitzer-Paar gemeldet. «Konkrete Verkaufsgespräche haben wir nicht geführt, unverbindliche Kennenlern-Treffen mit Interessenten aus der Schweiz oder Deutschland hat es aber durchaus gegeben», stellt der Präsident klar. Zum Nulltarif ist der Verein selbstredend nicht erhältlich. Die Canepas streben eine nachhaltige Lösung an, «in welcher der FC Zürich seine Identität als lokal und regional verwurzelter Klub behalten kann».
Der vielleicht schwierigste Entscheid in seiner präsidialen Ära sei auch eine mentale Sache, glaubt der Mehrheitsaktionär. «Aber neben dem Kopf entscheidet auch das Bauchgefühl. Und wenn der Bauch einmal entschieden hat und wir eine gute Lösung haben, werde ich zusammen mit Heliane in Frieden weiterleben.»

