Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Der Bettelbrief für den toten St. Galler Fussballer

Erinnerungen an ein tragisches Schicksal. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 10:47 Uhr
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Sizwe Motaung mit seinem Vater Enock Mogafisi (links).
Foto: motaung sizwe
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Felix BingesserReporter Sport

Die frankophone Welle beim FC St. Gallen, ein Erbe des ehemaligen Trainers Peter Zeidler, ist vorbei. Unter Trainer Enrico Maassen hält beim ältesten Fussballklub der Schweiz die neue deutsche Welle Einzug.

Früher gab es in der Ostschweiz auch die goldenen Tage der Südamerikaner. Vor allem die Chilenen Ivan Zamorano, Hugo Rubio und Patricio Mardones haben das Espenmoos zum Tollhaus gemacht. Und es gab, längst vergessen, auch die Fraktion der Südafrikaner.

Auf Vermittlung von Vinicio Fioranelli unterschrieben im Sommer 1996 die aktuellen Nationalspieler Phil Masinga, David Nyathi und Sizwe Motaung in St. Gallen. Ihr sportliches Rendement blieb bescheiden. Nyathi arbeitet heute als Assistenztrainer in Südafrika. Masinga erliegt mit 49 Jahren einem Krebsleiden.

Und dann gibt es noch den dritten im Bunde. Die Geschichte von Sizwe Motaung, der 49 Spiele für die Bafana Bafana gemacht hat, ist die traurigste, die ich in 40 Jahren Sportjournalismus erlebt habe. Motaung wechselt nach seinem Engagement in der Ostschweiz nach Teneriffa und kehrt dann in seine Heimat zurück. Und spielt wieder für die Kaizer Chiefs in Johannesburg.

Mit 31 gestorben

Im August 2001 steht in vielen Schweizer Zeitungen die kurze Meldung: «Der ehemalige St. Galler Sizwe Motaung ist in seiner Heimat Südafrika im Alter von nur 31 Jahren in Armut an einer schweren Krankheit gestorben.»

Ich bin damals nach Johannesburg gereist und in das Township Osizweni gefahren. Im kleinen Häuschen erzählt Motaungs Vater Enock Mogafisi, der mit drei Frauen insgesamt neun Kinder hat, die Geschichte seines Sohnes. Sizwe erhält in Teneriffa die Diagnose Aids. Nach der Rückkehr in die Heimat verschlechtert sich sein Zustand zusehends.

Enock Mogafisi zeigt mir die Pritsche, auf der Sizwe Motaung die letzten Monate seines Lebens verbracht hat. Abgemagert bis auf Haut und Knochen. Wir besuchen gemeinsam das Grab seines Sohnes.

Weil das Geld aus Europa plötzlich ausgeblieben ist, plagen die Familie die Schulden. Sizwe hat mit seinem Gehalt in Europa den gesamten Familienclan unterstützt. «Auch die Kosten der Beerdigung sind noch offen», sagt Vater Motaung. Zwei Rinder hat er gekauft und schlachten lassen, um bei der Beerdigung ein würdiges Leichenmahl offerieren zu können.

Vater Motaung ist der Überzeugung, dass es in der Schweiz noch ein Konto mit einem Guthaben seines Sohnes geben müsse. Ob ich das für ihn abklären könne, fragt er flehend. Ich erkläre ihm, dass solche Recherchen aufgrund des Bankgeheimnisses aussichtslos seien.

14'000 Franken kommen zusammen

Das Crowdfunding gibt es damals noch nicht. Zurück in der Schweiz verfasse ich einen Bettelbrief an seine ehemaligen Mitspieler, Trainer und Berater. Es kommen 14'000 Franken zusammen. Einige Monate später reise ich erneut in das Township Osizweni. Und kann der Familie persönlich drei dicke Bündel südafrikanische Rand auf den Stubentisch legen. Einige Scheine werden spontan in ein kleines Freudenfest investiert.

Der Fussball ist ein Milliardenbusiness, ein Glitzer- und Glamourgeschäft. Aber er ist auch eine Bühne der geplatzten Träume und der tragischen Schicksale.

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