Es ist ein Tor, wie man es ganz, ganz selten sieht. Oder hat man einen Sololauf, bei dem ein Spieler sieben Gegner stehenlässt, schon jemals gesehen? Jaouen Hadjams Treffer in der 68. Minute am 30. November im Stade de Genève beim 4:4 von YB gegen Servette erinnert an Diego Maradonas Traumtor im WM-Viertelfinal 1986 gegen England, das von der Fifa zum WM-Tor des Jahrhunderts gewählt worden ist.
Wir reden viel zu viel von so genannt «hundertprozentigen Chancen». Aber die Gelegenheit, die Rilind Nivokazi (25) am 13. Dezember gegen GC liegenlässt, kommt dem Ausdruck so nahe, wie es nur geht. Im Fünfmeterraum, zweieinhalb Meter vor dem leeren Tor mit dem rechten Fuss – die Statistikfirma Opta berechnet eine Wahrscheinlichkeit von 88 Prozent, dass der Ball reingeht (xG 0,88). Nivokazi aber schiesst so schwach, dass ein Verteidiger retten kann. Vermutlich hätte sich der Ball auch sonst nicht über die Linie gerettet.
Es läuft die 52. Minute zwischen dem FC Zürich und Lausanne, als Philippe Kény (28) zentral auf der Fünfmeterlinie hochsteigt. Sein Kopfball springt einmal auf, dann fliegt er in Richtung Lattenkreuz. Laut den Statistikern von Opta müssen sich bei so einer Flugbahn 92 von 100 Goalies geschlagen geben. Karlo Letica (28) ist einer der restlichen 8. Mit seiner linken Pranke wischt er den Ball noch von der Linie. Wahnsinn.
Schauspielschule statt Kybunpark? Meterweit vom gegnerischen Goalie entfernt befindet sich Sion-Stürmer Ilyas Chouaref nach einem Rush in den Strafraum schon. Er läuft eine Kurve. Und dann hebt er ab. Kann eine Schwalbe noch dreister sein? Der Malteser steht sofort wieder auf und lacht die Szene mit einem breiten Grinsen weg.
Es ist das letzte Heimspiel eines Jahres, das in die FCB-Geschichte eingehen wird. Nach dem Double-Gewinn kommt der Meister im Herbst nicht wirklich auf Touren. Sinnbildlich dafür steht der Bock von Goalie Marwin Hitz, der gegen Servette den Ball direkt in die Füsse von Jérémy Guillemenot spielt, der diesen zur Genfer Führung ins leere Tor einschieben kann.
Es ist der 1. November. Nach der 1:2-Niederlage gegen Lausanne brodelt es in der Zürcher Südkurve. Diese hält ein Banner hoch: «Gönd go dusche – s'Problem isch nöd nur ufem Platz». Und die FCZ-Fans skandieren «Milos raus». Im Blue-Interview nimmt Präsident Ancillo Canepa (72) seinen Sportchef in Schutz – einmal mehr. «Es war nicht Milos, der die Tore nicht verhindert oder nicht gemacht hat. Wir stellen miteinander die Mannschaft zusammen. Und diese Mannschaft hat Potenzial und Qualität.» Sieben Wochen später ist die Ära Malenovic beim FCZ vorbei.
Die Liga zählt die Anzahl erfolgreichen Dribblings jedes Spielers. Die Überraschung: Mit YBs Hadjam steht ein Verteidiger an zweiter Stelle. Aber an FCZ-Dribbler Matthias Phaëton (25) kommt keiner ran. Der Nationalspieler Guadeloupes hat in der Hinrunde 48 Mal einen Spieler ausgedribbelt.
Wer an Fouls denkt, denkt unwillkürlich an beinharte Verteidiger, die Angreifern in die Beine grätschen. Laut Statistik ist es aber umgekehrt: Nikolas Muci (22) hat in dieser Saison 46 Fouls begangen und ist damit der unfairste Spieler der Liga. Macht auch Sinn, weil der Stürmer bei den Grasshoppers auch dafür zuständig ist, keine schnellen Konter des Gegners entstehen zu lassen. Mit Simone Stroscio (22) folgt auf Rang zwei gleich der nächste Hopper mit 37 Fouls.
Drei Tore hat Sion-Zuzug Josias Lukembila (26) in den ersten sechs Spielen der Saison erzielt. Statt einer darauffolgenden Dürre hätten es noch drei Tore mehr sein können – doch der Waadtländer traf dreimal Alu. Höchstwert der Liga.
«Clearances» heisst die Statistik auf Englisch. Gemeint sind alle Bälle, die ohne grösseren Plan aus der eigenen Abwehrzone gedroschen werden. Einfach, damit sie mal weg sind. Weggeknöffelt eben. Fleissigster Ballweghauer ist GC-Haudegen Saulo Decarli (33) mit zehn Befreiungsschlägen pro 90 Minuten, die er auf dem Feld steht. Weil er mehr Minuten als Decarli gespielt hat, ist der St. Galler Jozo Stanic (26) in absoluten Zahlen mit 156 weggehauenen Bällen König der Knöffler.
Natürlich, die Sittener Offensive hat wunderbare Spieler. Aber die Basis für den Höhenflug des FC Sion wird in der Abwehr gelegt. Und einer steht ganz besonders für diese Solidität: Kreshnik Hajrizi (26). Keiner gewinnt mehr defensive Zweikämpfe als er. 132 sind es bislang. Ränge zwei und drei überraschen etwas: Miroslav Stevanovic (35/Servette) mit 121 und Jaouen Hadjam (22/YB) mit 120 gewonnenen Duellen.
Leonardo Bertone (31) ist im Mittelfeld das Herz des Überraschungsleaders, der Taktgeber und Vize-Captain. Er hat den besten Blick-Notenschnitt aller Super-League-Spieler der Hinrunde (4,7) und ist der einzige Spieler der Liga, der mehr als einen Freistoss direkt verwandelt hat (2).
Laut den Blick-Noten ist Lawrence Ati-Zigi (29) der Goalie des ersten Halbjahres. Schaut man darauf, welche Goalies weniger Tore zugelassen haben, als gemäss den Chancen der Gegner zu erwarten gewesen wären, ist Zigi immer noch auf Rang zwei. 6,7 Tore hat der St. Galler laut dieser Statistik verhindert. Nummer 1 ist hier Marwin Hitz mit 8,7 verhinderten Toren. Wobei der unfassbare Fehler des FCB-Goalies im letzten Spiel vor der Winterpause von dieser Statistik nicht erfasst wird (siehe «Bock der Vorrunde»).
Mauro Lustrinelli (49) holt gemessen an Mitteln und Qualität im Kader am meisten heraus. Der smarte Tessiner ist an der bisher historisch starken Saison des besten Super-League-Aufsteigers hauptbeteiligt. Auffällig gut geht der Thun-Stratege mit Rückschlägen um. Thun hat mehr Punkte als zum selben Zeitpunkt der letzten Saison, als es noch in der Challenge League gespielt hat.
Luganos Antonios Papadopoulos feiert jede gelungene Abwehraktion, als wäre er gerade Weltmeister geworden. Sein Torhüter kann nach einer starken Parade auch mal mit freundschaftlichen Schlägen eingedeckt werden. Auf dem Platz bewacht er jeden Gegenspieler wie ein Wachhund. Und all diese Emotionen, obwohl es um den Deutsch-Griechen immer wieder Signale um einen Abgang gab und gibt.
Rodolfo Lippo (21) ist ein belgisch-finnischer Physik-Student, der für die Ausbildung an der EPFL nach Lausanne gezogen ist. Über Amateurklubs im Waadtland schaffte er es in die zweite Mannschaft von Lausanne – und am 30. November zum gelungenen Super-League-Debüt. In der Startelf beim 2:1-Coup gegen Leader Thun.
In Korsika ist Christopher Ibayi (30) aufgewachsen. Über die Tiefen des französischen Fussballs kam der aktuelle Thun-Topskorer (9 Tore) ins Berner Oberland, wo er in der Challenge League in einem halben Jahr auf drei Törchen kam. Nun steht der Stürmer praktisch immer in der Startelf und bringt die Super-League-Verteidiger mit seiner physischen Spielweise zur Verzweiflung.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | FC Thun | 19 | 16 | 40 | |
2 | FC St. Gallen | 19 | 16 | 37 | |
3 | FC Lugano | 19 | 5 | 33 | |
4 | FC Basel | 19 | 8 | 32 | |
5 | BSC Young Boys | 19 | 0 | 29 | |
6 | FC Sion | 18 | 4 | 27 | |
7 | FC Zürich | 19 | -7 | 24 | |
8 | FC Luzern | 19 | 0 | 21 | |
9 | FC Lausanne-Sport | 18 | 0 | 21 | |
10 | Servette FC | 18 | -6 | 20 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 19 | -9 | 17 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -27 | 10 |












