Zögernd bleibt der Bub im FCB-Trikot auf dem Basler Münsterplatz stehen, die Augen auf das Museumsbistro Rollerhof gerichtet. Dann nimmt er all seinen Mut zusammen und tritt an einen der Tische. «Darf ich ein Foto mit dir machen?», fragt er leise. Xherdan Shaqiri (33) stellt seinen gerade bestellten Espresso ab. «Ja, klar, aber mach bitte schnell», entgegnet der Captain des FC Basel. Dann erhebt er sich, legt dem Buben den Arm um die Schulter und posiert gut gelaunt fürs Foto.
Der Rummel um seine Person ist für den 1,69 Meter kleinen Fussballstar mit dem breiten Nacken und den kräftigen Waden längst Alltag. Frei bewegen kann er sich in Basel kaum. «Ich bin gern in der Stadt unterwegs, aber ich muss genau planen, wann ich gehe. An einem Samstag wird es schwierig», sagt er und lacht breit. Dass er immer wieder angesprochen wird, nimmt er meist gelassen. «Ich sage eigentlich nie Nein.» Doch es gebe Momente, in denen es nicht passe – beim Essen mit Freunden oder der Familie zum Beispiel. «Manchmal werde ich sogar auf der Toilette nach Selfies gefragt. Da würde ich schon gern meine Meinung sagen, mache es aber trotzdem nicht.»
Eine Legende mit vielen Namen
Vom Café zieht es Shaqiri weiter zur Münsterfähre. «Mit der bin ich schon ewig nicht mehr gefahren», gesteht er und steigt die Treppe zum Rheinufer hinunter. Dass er auch dort erkannt wird, überrascht nicht. Seine Traumtore im Trikot der Nationalmannschaft an Europa- und Weltmeisterschaften haben ihn zur nationalen Legende gemacht.
Und auch international hat er Spuren hinterlassen – bei Klubs wie dem FC Bayern München (dreimal deutscher Meister) oder dem FC Liverpool. Mit beiden Vereinen gelang ihm, was nur wenigen Schweizer Kickern vergönnt ist: der Sieg in der Champions League. Kein Wunder, dass sich auch eine spanische Touristengruppe um ein Selfie mit dem «Zauberzwerg», «Kraftwürfel» oder «Alpen-Messi» bemüht. Welcher Spitzname sein liebster ist? Shaqiri überlegt kurz. Dann sagt er: «Es sind alle lustig. Mir gefällt Shaq am besten. Meine engsten Freunde nennen mich aber Xherdi.»
Nach zwölf Jahren im Ausland, zuletzt bei Chicago, ist der Offensiv-Crack nun wieder in seiner Heimatstadt. Diese hat ihn empfangen wie einen verlorenen Sohn. Im August 2024 wechselte Shaqiri zurück zu seinem Ausbildungsverein FCB, die Euphorie war riesig. Unterschrieben hat er bis 2027. Gleich in seiner ersten Saison führte er den Klub zum Meistertitel – zum ersten seit acht Jahren – und wenig später auch zum Cupsieg. «Es war ein grosser Traum für mich, wieder mit dem FCB Titel zu gewinnen. Dass es im ersten Jahr geklappt hat, macht es umso schöner.»
Dass er mit dem Wechsel auf ein deutlich höheres Gehalt verzichtete, nahm Shaqiri bewusst in Kauf. «Ich wollte nicht nach Saudi-Arabien, wo ich mein Leben einfach hätte geniessen können», sagt er. «Für mich war es eine Herzensentscheidung – die Challenge, den FC Basel mit meiner Winner-Mentalität wieder dorthin zu führen, wo er hingehört: nach ganz oben.»
Die Familie im Zentrum
Mittlerweile wohnt Xherdan wieder in Kaiseraugst AG, im selben Wohnblock wie seine Eltern. Daneben hat er eine Wohnung in Zürich und will bald mit den Bauarbeiten für sein eigenes Haus in Rheinfelden AG starten. «Ich sehe meine Eltern fast jeden Tag», sagt er und fügt schmunzelnd an: «Nur jetzt nicht, da sie seit einem Monat in den Ferien sind.» Sein grösster Wunsch sei es immer gewesen, dass seine Mutter Fatime und sein Vater Isen nicht mehr arbeiten müssen. «Seit ich meinen ersten Profivertrag vor 14 Jahren unterschrieben habe, ist das der Fall», erzählt er stolz. «Alles, was dazukam, war nur das Dessert für mich.»
Zu Hause bei den Eltern stehen alle Pokale und Medaillen aus seiner Karriere. «Es ist fast wie ein Museum», sagt Xherdan Shaqiri. «Immer wenn Gäste kommen, schauen sie sich alles an.» Im Stadion sind Fatime und Isen stets dabei. «Sie kommen an jedes Spiel, sogar auswärts», verrät er. «Manchmal muss ich sie bremsen, damit sie nicht überall hinfahren.» Für ihn seien ihre Besuche immer so, als ob er zum ersten Mal spiele. Ihre Plätze im Joggeli sind stets die gleichen. «Wenn ich ins Stadion laufe, schaue ich jedes Mal zuerst zu ihnen hoch – vor und nach dem Spiel.»
Zwischen Armut und Luxus
1991 im damaligen Jugoslawien geboren, kam Xherdan Shaqiri als Kind mit seinen Eltern und drei Geschwistern aus dem Kosovo in die Schweiz. Aufgewachsen ist er auf einem alten Bauernhof in Augst BL – bescheiden, ohne Luxus. «Ich glaube, das hilft, dass man beide Seiten kennt», weiss er. «Wenn man wenig hat und wenn man dann plötzlich einiges hat. Meine Eltern haben uns Werte wie Respekt und Dankbarkeit mitgegeben.»
Dank seiner Karriere hat Xherdan Shaqiri heute ein anderes Leben. Spekulationen über sein Vermögen, das auf 20 bis 50 Millionen Franken geschätzt wird, möchte er aber nicht kommentieren. Ab und an gönnt er sich jedoch etwas Luxus. Mode, Uhren, gutes Essen. An diesem Nachmittag trägt er eine Gucci-Bluse, Issey-Miyake-Hosen aus Japan und Bally-Turnschuhe. Auch eine Rolex glitzert an seinem Handgelenk. «Ich habe ja auch kurz in Italien gespielt – das hat mich inspiriert», witzelt er.
Shoppen in Mailand, Basel oder Zürich gehört zu seinen Leidenschaften – ebenso wie Restaurantbesuche mit Freunden. Und ja: Auch McDonald’s darf es manchmal sein. «Vor einem Match aber sicher nicht», sagt er. «Dann verlieren wir. Aber nach einem Sieg – warum nicht? Auch wenn Fast Food generell nichts für mich ist.»
Mit seinen 33 Jahren gehört er schon zu den älteren Semestern unter den Profifussballern. Umso mehr muss er auf seinen Körper achten. Eng sieht er das Altern nicht. «Ich bin wie ein Wein – mit dem Alter werde ich besser», scherzt er. Dann wird er ernst. Sein Training sei heute bewusster, Regeneration wichtiger. «Ich gehe mehr in die Physio, achte stärker auf die Ernährung.» Von Verletzungen wurde er bisher verschont – grosses Glück, wie er findet. «Viele Athleten haben nach ihrer Aktivkarriere Hüft- oder Knieprobleme. Ich hoffe, dass ich noch lange Sport machen kann. In den Ferien spiele ich nämlich gern Tennis oder Padel.»
Familienglück statt Nati-Trikot
Den Rücktritt aus der Nationalmannschaft im Juli 2024 bereut er nicht. «Aktuell vermisse ich es nicht», sagt er. «Ich hatte eine sehr schöne Zeit, und ich glaube, ich habe im richtigen Moment aufgehört.» Der Entscheid brachte ihm nicht nur mehr freie Tage, sondern auch Ruhe. «In der Nati war ich medial immer im Fokus. Was macht er da? Wieso schreit er jetzt wieder? Das brauche ich nicht mehr.»
Gerüchte über Streitereien mit Trainer Murat Yakin weist er zurück. «Wir hatten nie ein grosses Problem miteinander. Klar, ich bekam zu wenig Spielzeit – das war ein Mitgrund für meinen Rücktritt. Der Rest war Spekulation.» Ein Comeback schliesst er nicht kategorisch aus. «Sag niemals nie» lautet seine Devise. Shaqiri: «Ich glaube, die Nati ist auf einem guten Weg und braucht mich gar nicht – im Moment.» Er grinst.
Ans Aufhören denkt «XS 10» nicht. «Ich spüre, dass die Leute gernhaben, wie ich Fussball spiele. Ich will ihnen Freude bereiten und auf dem Platz etwas bieten», erzählt er. Abseits des Rasens stellt Shaqiri jedoch bereits die Weichen für die Zukunft. Als Aktionär beim FC Rapperswil-Jona engagiert er sich für den Fussball – und arbeitet an seiner Trainerlizenz.
Auch privat plant er das nächste Kapitel. «Eine eigene Familie zu gründen, ist sicher ein grosses Ziel. Das braucht aber Zeit», sagt er. Mehr verrät er nicht. Und sein grösster Wunsch? «Gesundheit. Man kann so vieles haben und nicht gesund sein. Das ist für mich das Wichtigste.»
Die Fähre legt am Kleinbasler Ufer an. Touristen zücken ihre Handys, ein paar Kinder rufen seinen Namen. Xherdan Shaqiri lächelt und winkt ihnen zu. Alltag für einen, der in seiner Heimatstadt längst mehr ist als nur Fussballer.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | 8 | 4 | 16 | ||
2 | 8 | 7 | 15 | ||
3 | 8 | 6 | 15 | ||
4 | 8 | -1 | 14 | ||
5 | 8 | -2 | 13 | ||
6 | 8 | 3 | 12 | ||
7 | 8 | 1 | 12 | ||
8 | 8 | -3 | 10 | ||
9 | 8 | 2 | 9 | ||
10 | 8 | 1 | 8 | ||
11 | 8 | -3 | 8 | ||
12 | 8 | -15 | 2 |