Luganos Spielmacher Anto Grgic (28) ist ein Phänomen. Ein Penalty-Phänomen. Am Donnerstag hat er es in der Conference League erneut bewiesen. Gegen Celje erzielt der Zürcher während einer Partie sein 18. Elfertor hintereinander. Zählen wir noch seinen versenkten Versuch im Penaltyschiessen vom Cup-Final von 2024 gegen Servette hinzu, sind es sogar 19 Tore am Stück. Damit gehört er nicht nur schweizweit zur absoluten Spitze, sondern verdient sich auch im internationalen Vergleich das Prädikat Weltklasse.
Nur zwei Spieler, die letzte Saison in einer Top-5-Liga und in einer Nationalmannschaft gespielt haben, haben derzeit einen noch längeren Lauf. Zwar fehlen Grgic noch einige Elfer, um an Harry Kane (32) heranzukommen. Der Bayern-Stürmer steht derzeit bei 30 (!) versenkten Penaltys in Serie (während einer Pflichtspielpartie) – sein kürzlicher Fehlschuss im Testspiel gegen Tottenham ist dabei ausgeschlossen. Seit 2000 hat niemand einen längeren Strike als der Engländer.
Grgic erntet Begeisterung
Begeistert von Grgics Serie ist auch Sportpsychologie-Professor Geir Jordet. Der Norweger ist «Mr. Penaltyschiessen» schlechthin. Er erforschte alle EM- und WM-Penaltyschiessen der Geschichte und ist Autor des Buchs «Unter Druck: Was wir aus der Psychologie des Elfmeterschiessens fürs Leben lernen können».
«Ich habe die letzten Penaltys von Grgic gesehen und bin von seiner Technik beeindruckt», schwärmt Jordet im Gespräch mit Blick. Er ist derart angetan, dass er ab sofort den Mittelfeldmann verfolgen werde, fügt er an. Schliesslich fahre dieser eine deutlich riskantere und anspruchsvollere Penaltystrategie als die grosse Mehrheit.
Man unterscheidet zwei Arten von Penalty-Techniken
Im Fachjargon unterscheidet man zwei Arten von Penaltys: Es gibt den Goalie-unabhängigen sowie den Goalie-abhängigen Schuss. Bei Erstgenanntem entscheidet sich der Penaltyschütze für eine Ecke und achtet nicht auf den Torhüter. «Wenn ein Goalie in die richtige Ecke geht, hast du eine 50-prozentige Chance, dass du triffst. Springt der Goalie vorzeitig in die richtige Ecke, sinkt die Wahrscheinlichkeit weiter. Geht der Goalie dagegen in die falsche Ecke, liegt sie bei 95 Prozent», erklärt Jordet.
(Spieler aus den Top-5-Ligen und der Super League)
- Harry Kane, Bayern München, 30
- Chris Wood, Nottingham Forest, 23
- Anto Grgic, Lugano, 18
- Paulo Dybala, AS Roma, 17
- Téji Savanier, Montpellier*, 17
- Jordan Ayew, Leicester**, 17
- Lovro Majer, Wolfsburg, 15
- Kenny Lala, Stade Brest, 14
- Raúl Jiménez, Fulham, 14
- Emre Can, BVB, 13
- Marcus Rashford, Barcelona, 13
* Absteiger aus der Ligue 1
** Absteiger aus der Premier League
(Spieler aus den Top-5-Ligen und der Super League)
- Harry Kane, Bayern München, 30
- Chris Wood, Nottingham Forest, 23
- Anto Grgic, Lugano, 18
- Paulo Dybala, AS Roma, 17
- Téji Savanier, Montpellier*, 17
- Jordan Ayew, Leicester**, 17
- Lovro Majer, Wolfsburg, 15
- Kenny Lala, Stade Brest, 14
- Raúl Jiménez, Fulham, 14
- Emre Can, BVB, 13
- Marcus Rashford, Barcelona, 13
* Absteiger aus der Ligue 1
** Absteiger aus der Premier League
Die zweitgenannte Penaltystrategie ist hingegen jene, die Grgic oft verwendet. «Die Goalie-abhängige Strategie ist riskant. Es handelt sich um eine äusserst anspruchsvolle kognitiv-perzeptive Aufgabe. Man liest die Bewegungen des Goalies, während man buchstäblich im Begriff ist, zu schiessen und reagiert dann innert Millisekunden auf diese Bewegungen», erläutert «Mr. Penaltyschiessen». Wenn aber der Schütze diese Strategie derart gut im Griff habe wie Grgic, dann sei das Risiko nicht grösser als bei der Goalie-unabhängigen Strategie.
Eine Variante ist historisch effektiver
Stellt sich die Frage, welche der beiden Strategien ganz generell erfolgversprechender ist. «In der Vergangenheit scheint die Goalie-unabhängige Strategie etwas effektiver gewesen zu sein. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich das ändert. Das ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Goalie-abhängigen Schützen die Bewegungen des Keepers in letzter Sekunde immer besser einschätzen können.» Allerdings gibt es immer mehr Goalies, die sich auf Penaltys spezialisieren und kontinuierlich besser darin werden, den Schützen zu lesen. Jordet nennt Yann Sommer (36) als «grossartiges Beispiel»: «Er hat während seiner Karriere raffinierte Methoden entwickelt, um die Schützen in die Irre zu führen und auszutricksen.»
Deshalb hätten sich Penalty-Spezialisten wie Kane oder Robert Lewandowski (36) jüngst immer mal wieder gezwungen gesehen, ihre Strategie zu ändern. «Inzwischen entscheiden sie sich in einem Spiel für einen Goalie-abhängigen Penalty, in einem anderen für einen Goalie-unabhängigen Penalty, um unberechenbarer zu sein», so Jordet. Er glaubt, dass das in Zukunft auch auf Grgic zukommen werde. «Ich bin überzeugt, dass die Torhüter bald auf seine Elfmetertechnik aufmerksam werden. Das wird ihn zu Gegenmassnahmen zwingen.»
«Es ist nichts anderes als Routine»
Penaltyschiessen ist eine Übungssache – auch was den Druck betrifft. Dieser Ansicht ist Jordet. «Im Allgemeinen gilt: Je höher der Druck, desto geringer die Leistung. Deshalb sehen wir oft, dass Fussballer im Training jeden Elfer verwandeln, in einem Spiel aber deutlich mehr Mühe bekunden.»
Dagegen könne man aber genügend tun. «Es ist nichts anderes als Routine. Ein Spieler muss sich überlegen, wie er schiessen möchte. Und das muss er unter normalen Bedingungen und unter hohem Druck fleissig üben und einstudieren. Kommt hinzu, dass er dann im Spiel etwas für sich finden muss, das ihm hilft, das nötige Mass an Gelassenheit, Konzentration und Kontrolle zu erreichen, bevor er überhaupt zum Schuss antritt», sagt Jordet. Dabei würden etwa Atemtechniken helfen.
Grgics Penalty-Routine
«Aus jahrzehntelanger wissenschaftlicher Forschung in der Sportpsychologie wissen wir, dass sich verschiedene Stresskontrolltechniken wie Atemübungen auch bei Fussballern positiv auswirken», so Jordet. Heisst, wer solche Techniken im Training sorgfältig einstudiert, kann die Leistung unter Druck in einem Spiel steigern.
Ob Grgic Atemtechniken für seine Penaltys anwendet, ist nicht bekannt. Auffällig ist aber, dass sein Prozedere vor einem Goalie-abhängigen Penalty praktisch immer derselbe ist. Er stellt sich an den Strafraumrand. Atmet ein und aus. Guckt auf den Ball. Läuft an. Macht drei Schritte, bevor er kurz anhält, dann den Ball trifft und ins Netz schiesst. Inzwischen bereits 18 Mal in Folge in einer Partie. Und es dürften noch mehr werden.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | 3 | 9 | 9 | ||
2 | 3 | 3 | 9 | ||
3 | 3 | 5 | 7 | ||
4 | 4 | 1 | 6 | ||
5 | 4 | -1 | 5 | ||
6 | 3 | 0 | 4 | ||
6 | 3 | 0 | 4 | ||
8 | 3 | -1 | 3 | ||
9 | 3 | -3 | 3 | ||
10 | 3 | -2 | 1 | ||
11 | 3 | -5 | 1 | ||
12 | 3 | -6 | 1 |