Marcel Koller, es ist Weihnachten. Warum haben Sie keine rote Zipfelmütze auf?
Weil der Samichlaus schon am 6. Dezember kommt.
Haben Sie sich für Ihre vier Enkel in ein Kostüm geschmissen?
Nein. Vielleicht im nächsten Jahr (lacht).
In den letzten beiden Jahren verbrachten Sie die Festtage als Trainer von Al-Ahly am Nil. Wird in Kairo Weihnachten gefeiert?
Nein. Zwar hats im Hotel Weihnachtsbäume, aber die sind nur für die Touristen. In Ägypten herrscht ganz normaler Alltag. Wir hatten jeweils am 25. Dezember ein Spiel. Und drei Tage später gleich ein weiteres. Es war brutal intensiv. Umso mehr geniesse ich in diesem Jahr die Festtage in der Schweiz mit meiner Familie.
Al-Ahly ist der grösste Verein in Afrika, mit knapp 80 Millionen Anhängern. Brauchten Sie einen Bodyguard, wenn Sie nach draussen wollten?
Auf Reisen hatten wir immer einen dabei. Einen erfahrenen Typen, den nichts so schnell aus der Ruhe brachte. Einmal haben wir auswärts in Tunesien gespielt. Der Garderobeneingang war bei der Eckfahne. Dort, wo die gegnerischen Fans sind. Die haben uns mit Flaschen beworfen und unser Bodyguard hat eine kassiert. Er hat sich aber bloss kurz durchgeschüttelt und ist weitergelaufen. Wenn ich in Kairo unterwegs war, hatte ich eine Kappe und eine Sonnenbrille auf und hielt den Kopf unten. Trotzdem wollte jeder ein Foto mit mir machen. Es war schon ziemlich verrückt.
Sie haben in zweieinhalb Jahren elf Titel gewonnen, trotzdem wurden Sie im Frühling entlassen. Wie gross war der Schock?
Niemand hat damit gerechnet. Wenn du in Europa solche Erfolge gefeiert hättest und dann in einem Champions-League-Halbfinal unglücklich rausfliegen würdest, dann würdest du weiter fest im Sattel sitzen. Bei Al-Ahly aber ticken die Uhren anders, da kann der Wind nach einem Spiel drehen. Da sagt der Präsident das Training eigenmächtig ab. Ein paar Tage später hat er den gesamten Staff ins Büro gebeten, um sich persönlich von uns zu verabschieden. Als Andenken gabs dann einen Pokal aus Glas.
Wie haben die Fans und wie hat die Stadt auf Ihre Entlassung reagiert?
Als ich nach dem Abschied zum Flughafen fuhr, wurden auf Grossleinwänden Danksagungen geschaltet. Die Wertschätzung für unsere Arbeit war schon da. Aber die Fans sind trotz allem ziemlich anspruchsvoll. Wenn wir einen Titel gewonnen haben, haben Sie nicht gratuliert, sondern darauf hingewiesen, dass es gleich den nächsten Pokal zu gewinnen gibt.
Experten sprechen vom schwierigsten Verein der Welt. Hatten Sie als Trainer jemals grösseren Druck?
Beim 1. FC Köln war es auch heftig. Das war ein schwieriges Umfeld. Obwohl ich Lukas Podolski von den Junioren in die erste Mannschaft holte, hatte ich kaum Kredit.
Eine Zeitung schrieb: «Schweizer Käse. Wozu brauchen wir den?»
Um Fondue zu machen (lacht).
In Köln war nach kurzer Zeit Schluss, den VfL Bochum aber führten Sie in die Bundesliga und hielten drei Jahre lang die Klasse. Ihre grösste Leistung als Trainer?
Wenn du die Budgetzahlen anschaust, dann war das wirklich nicht selbstverständlich, was wir damals geschafft haben.
Mit dem FCSG wurden Sie vor 25 Jahren Meister, obwohl die Konkurrenz aus Genf, Basel und Zürich finanzkräftiger war. Ist ein solches Husarenstück heute noch möglich?
Thun beweist ja gerade, was als Aufsteiger möglich ist. Mauro Lustrinelli macht einen fantastischen Job. Und im Umfeld herrscht Ruhe. Bereits vor zwei Jahren kratzte man in der Barrage gegen GC am Aufstieg, nun wird man für die Kontinuität belohnt.
Trauen Sie Thun den Titel zu?
In dieser Liga kann jeder jeden schlagen. Es ist verrückt. Zuletzt war ich im Kybunpark und habe mir das Spiel zwischen dem FCSG und dem FCZ angesehen. Zürich war besser und hat sich den Sieg verdient. Wochen zuvor war der Klub aber noch in der Krise.
Im Kybunpark stimmen die Fans jeweils den Espenmoos-Song an. Kommen da sentimentale Gefühle bei Ihnen auf?
Natürlich. Ich habe die Augen geschlossen und das alte Stadion vor mir gesehen. Im Vergleich zur Stimmung in der neuen Arena kann das Espenmoos aber nicht mithalten. Im alten Stadion ging viel von der Lautstärke weg, der Kybunpark ist kompakter, grösser, hat eine atemberaubende Atmosphäre.
Ein ähnliches Stadion ist seit einer gefühlten Ewigkeit auch in Zürich geplant. Macht es Sie hässig, dass der Bau Jahr für Jahr verzögert wird?
Ja. Es ist einfach unglaublich. Wir haben zwei Abstimmungen gehabt, das Volk hat sich für das Stadion ausgesprochen und trotzdem wird nicht gebaut. Das ist schade. Weil das Projekt ja zusätzlich mit Wohnraum verbunden ist.
Apropos Stadion: Gegen Servette kamen bloss noch 2900 GC-Fans in den Letzigrund. Wie sehen Sie als Rekordspieler des Vereins die Entwicklung bei Ihrem Herzensklub?
Ich bin zu weit weg, um das zu beurteilen. Aber ich finde es schade und traurig, dass es in Zürich niemanden mehr gibt, der GC finanziell unterstützt. Der Klub hat jahrzehntelang um Titel gespielt, war auch international eine Grösse. Diese Zeiten sind aktuell vorbei. Jetzt muss man Jahr für Jahr schauen, dass man nicht absteigt.
Warum leben Sie als Stadtzürcher in Laax?
Wegen der Bergluft. Der Natur. In Zürich hat es immer mehr Leute, es wird immer lauter. In Laax ist es weniger hektisch. Hier kann ich abschalten, mich von der intensiven Zeit in Kairo erholen, runterfahren.
Wird Ihnen nicht langweilig?
Nein. Wir haben ein Haus mit Garten. Da gibt es immer etwas zu tun.
Schwingen Sie sich noch immer aufs Mountainbike?
Natürlich. Zusammen mit einem langjährigen Freund. Der ist zehn Jahre älter als ich, aber greift noch voll an. Und er kennt hier in der Region jeden Weg. Zuletzt waren wir gemeinsam auf einer fünfstündigen Tour. Berg rauf, Berg runter. Herrlich. Mit Biken habe ich schon begonnen, als ich mich zum ersten Mal ernsthaft verletzt habe. Weil man auf dem Velo Kondition bolzen kann, ohne das Knie zu heftig zu belasten.
Sie sind seit Anfang November offiziell Pensionär. Fühlen Sie sich alt?
Als ich 14 Jahre alt war und 65-jährige Menschen getroffen habe, dachte ich: ‹Wow, 65 Jahre.› Und jetzt bin ich selbst in diesem Alter. Die Zeit vergeht wie im Flug. Aber alt fühle ich mich nicht, nein.
Ägyptische Journalisten bringen Sie als möglichen Nationaltrainer ins Spiel, sollten die Pharaonen am Afrika Cup nicht überzeugen. Würde Sie eine WM reizen?
Grundsätzlich ist ein solches Turnier immer interessant. Das ist sowohl für das Land als auch für die Spieler etwas Grosses. Etwas, das für immer bleibt. Als wir mit Al-Ahly an der Klub-WM gegen Real Madrid spielen durften, war das ein Highlight der Vereinsgeschichte.
Warum sind Sie nie Schweizer Nationaltrainer geworden?
Weil ich zweimal abgesagt habe. 2000 nach dem Meistertitel mit St. Gallen hätte ich das Amt übernehmen können, aber ich wollte die Ostschweiz nach dem Titel nicht verlassen. Und nach der WM 2014 und dem Rücktritt von Ottmar Hitzfeld hat die Nati erneut angefragt, aber ich habe schweren Herzens abgesagt, weil meine Mission in Österreich noch nicht beendet war. Wenn das eigene Land ruft, dann ist eine solche Entscheidung schwierig, aber ich habe auf mein Bauchgefühl gehört.
Mit Österreich qualifizierten Sie sich 2016 für die EM, nach 18 Jahren ohne grosses Turnier. Kriegen Sie in Wien eigentlich lebenslang gratis Schnitzel?
Das nicht. Aber ich bin sehr gerne dort und werde noch immer erkannt. Und Wiener Kalbsschnitzel liebe ich. Diese sind die Besten.
Was gibts bei der Familie Koller an Weihnachten als Festmahl?
Es gibt Fondue chinoise – dafür ist meine Frau zuständig.
Und Sie für das Dessert?
Das übernehme ich: frische Ananasscheiben vom Grill, leicht angebraten, mit Vanilleeis – und für die Erwachsenen auf Wunsch ein Schuss Grand Marnier darüber.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | FC Thun | 19 | 16 | 40 | |
2 | FC St. Gallen | 19 | 16 | 37 | |
3 | FC Lugano | 19 | 5 | 33 | |
4 | FC Basel | 19 | 8 | 32 | |
5 | BSC Young Boys | 19 | 0 | 29 | |
6 | FC Sion | 18 | 4 | 27 | |
7 | FC Zürich | 19 | -7 | 24 | |
8 | FC Luzern | 19 | 0 | 21 | |
9 | FC Lausanne-Sport | 18 | 0 | 21 | |
10 | Servette FC | 18 | -6 | 20 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 19 | -9 | 17 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -27 | 10 |