Cheveyo Tsawas steiler Aufstieg
So tickt der Vorzeige-Teenie des FC Zürich

Mit 17 hat er sein Debüt in der Super League gegeben. Mit 19 gehört er zum Stamm und ist schon auf dem Zettel von Bundesligisten. Cheveyo Tsawa ist alles, was sich der FC Zürich von seiner Nachwuchs-Strategie erhofft.
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Foto: Raphaël Dupain
Cheveyo Tsawa: So tickt der Vorzeige-Teenie des FC Zürich

Darum gehts

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Florian RazReporter Fussball

Dicht steht der Nebel. Nur schemenhaft sind auf den Trainingsplätzen des FC Zürich die Spieler zu erkennen. Drinnen, im Home of FCZ, wartet Cheveyo Tsawa und bricht bereits mit dem ersten Klischee, das professionelle Fussballer so überraschend oft erfüllen. Anstatt zu spät zum Interview zu erscheinen, ist er bereits eine halbe Stunde früher bereit. Und das erst noch an seinem 19. Geburtstag.

Davor haben seine Mitspieler für ihn gesungen. Dann musste Tsawa durch den «Tunnel». Eine Art Spiessrutenlauf durch die Kollegen, die ihn mit Schlägen eingedeckt haben. Einige etwas intensiver als andere, wie Tsawa mit einem Lachen erzählt: «Aber daran kommt man nicht vorbei.»

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«Wir Jungen pushen uns gegenseitig.» Cheveyo Tsawa über die neue, junge Welle beim FC Zürich.
Foto: Raphaël Dupain

Blick: Cheveyo Tsawa, habe ich Sie falsch eingeschätzt?
Cheveyo Tsawa: Wieso?

Als ich Sie kennengelernt habe, haben Sie sehr sanft auf mich gewirkt. Aber jetzt wurden Sie zweimal zur Pause ausgewechselt, weil Ihr Trainer Angst hatte, dass Sie vom Platz fliegen. Sie können also richtig aggressiv sein.
Ja, das war schon immer ein Merkmal von mir auf dem Platz. Daneben bin ich ruhig und zurückhaltend. Das können hier sicher alle bestätigen. Aber wenn das Spiel beginnt, lege ich den Schalter um. Meine Spielweise braucht eine gewisse Intensität. Und was die Gelben Karten betrifft: In dieser Saison wurde ich in 16 Spielen dreimal verwarnt. Das ist nicht übermässig viel auf meiner Position.

Ihr Trainer Dennis Hediger hat danach erzählt, die Teamkollegen hätten Sie bei der Auswechslung in der Pause mit Applaus verabschiedet.
Ja, das stimmt. Das war ein schönes Zeichen der Mannschaft. Es ist nicht üblich im Fussball, und es zeigt, dass wir es wirklich super haben untereinander. Ich habe das wirklich geschätzt, weil es sehr authentisch war.

Beim 2:1-Sieg in St. Gallen gehörten Sie zu sieben Spielern in der Startelf mit einer Vergangenheit im FCZ-Nachwuchs. Aber als echter Züri-Bueb gehen Sie nicht durch, oder?
Ich habe ja als Junior die längste Zeit beim FC St. Gallen verbracht und bin erst in der U18 zum FCZ gewechselt. Aber trotzdem habe ich hier ein, zwei Jahre im Nachwuchs genossen und habe dann den Sprung in die erste Mannschaft geschafft. Man darf mich also schon dazuzählen. Was in St. Gallen vor allem klar sichtbar war: Wir waren als Team viel jünger – umso schöner, dass so viele Zürcher gespielt haben. Ich glaube, diese Energie hat man auf dem Platz gespürt.

«Was da passiert, spricht für Hediger»
1:22
Trainer macht vieles richtig:«Was da beim FCZ passiert, spricht für Hediger»

War Ihr Vater der Grund für den Wechsel zum FCZ? Dorjee Tsawa arbeitet seit Jahren für den Klub, derzeit ist er Leiter der Athletik im Nachwuchs.
Er war sicher ein Grund. Ein anderer war, dass ich in St. Gallen keine Möglichkeit hatte, das Sportgymnasium zu besuchen. Und dann hat mich der FCZ natürlich auch überzeugt mit seinem Projekt, mit dem Weg, der mir aufgezeigt worden ist. Der FC St. Gallen gehört auch zu meiner Geschichte. Aber die Entscheidung für Zürich war richtig. Ich habe profitiert und konnte mich weiterentwickeln.

Sie leben aber weiterhin in der Ostschweiz. Pendeln Sie als Familie? Inzwischen spielt auch Ihre Schwester Shanae beim FCZ.
Wir versuchen, gemeinsam zu pendeln. Das Ding ist aber, dass ich meistens als Erster aus dem Haus gehe. Meine Schwester fährt dann oft mit meinem Vater. Oder sie geht mit dem Zug in die Schule. Und abends bin ich oft der Erste, der wieder nach Hause fährt.

«Bodenständig und zurückhaltend. So bin ich. Das wurde mir auf den Wegg mitgegeben.» Cheveyo Tsawa darüber, was ihm sein Vater beigebracht hat.
Foto: Raphaël Dupain

Ihr Vater war der erste Fussballprofi in der Schweiz mit Wurzeln im Tibet.
Und ich bin der Zweite.

Ihr Grossvater Pema ist 1959 vor der chinesischen Unterdrückung aus dem Tibet geflüchtet und hat später im Pestalozzi-Dorf mit Waisen- und Flüchtlingskindern gearbeitet. Wie präsent ist Ihre Familiengeschichte?
Ich habe meinen Grossvater noch kennengelernt. Leider war er in den letzten Jahren seines Lebens schon krank, sodass ich ihn nicht mehr so erlebt habe, wie er als jüngerer Mann war. Aber meine Grossmutter Tselha gibt mir immer wieder Einblicke. Es interessiert mich sehr, weil der Tibet ein Teil meiner Identität ist. Auch mein Vater lebt noch viel von der tibetischen Kultur.

Tsawa ist der zweite tibetische Fussballprofi in der Schweiz. Der erste war sein Vater.
Foto: Raphaël Dupain

Zum Beispiel?
Er ist Buddhist. Da konnte ich einiges für mich mitnehmen für mein Leben neben dem Fussballplatz. Er ist bodenständig und zurückhaltend. Und ja, so bin ich auch, das wurde mir auf meinen Weg mitgegeben.

Sind Sie selber Buddhist?
Ich bin Christ wie meine Mutter. Aber ich sehe, dass man von jeder Religion etwas für sich mitnehmen kann.

Ihr Vater hat Ihnen und Ihren Geschwistern einen Kunstrasenplatz in den Garten gebaut, damit Sie trainieren konnten.
Eine schöne Geschichte. Es hat mir sicher geholfen, dass ich bloss fünf Schritte aus dem Haus machen musste, um zu trainieren. Ich benutze den Rasen sogar jetzt noch, an meinen freien Tagen. Oder wenn ich ein paar Übungen im technischen Bereich machen möchte.

Der Kunstrasen im eigenen Garten. Dorjee Tsawa hat seinen Kindern einen kleinen Fussballplatz gebaut. Cheveyo Tsawa nutzt ihn noch heute.

Ein Ex-Profi, der den Kindern einen Kunstrasen hinstellt: Das klingt, als habe Ihr Vater Sie zum Fussballer getrimmt.
Das ist gar nicht so. Der Kunstrasen ist erst gekommen, als ich schon lange beim FC St. Gallen gespielt habe. Meine Fussballbegeisterung stammt von der Weltmeisterschaft 2010. Da habe ich zum ersten Mal Spiele geschaut und meine Liebe zum Fussball entdeckt. Ich bin raus und habe den ganzen Tag mit den Nachbarskindern gespielt. Seither ist Fussball meine Leidenschaft und es gibt eigentlich nichts anderes mehr daneben.

Sie haben im Sommer das Gymnasium abgeschlossen und können sich erstmals ganz auf Fussball konzentrieren. Wie ist das Leben als Profi?
So, wie ich mir das von klein auf gewünscht habe. Man geht ins Training, arbeitet hart – und geht wieder nach Hause. Natürlich hat man mehr Freizeit. Aber zum Leben eines Profis gehört viel, wenn man es richtig machen will. Ich komme am Morgen, mache vor dem gemeinsamen Frühstück mein eigenes Programm. Dann kommt das Teamtraining. Danach geht es darum, zu seinem Körper und auf die Regeneration zu schauen.

Und wie ist es, wenn man als Teenager mit dem Zug ins Training kommt und dann in der Kabine auf all diese erwachsenen Männer trifft, die bereits gestandene Profis sind?
Am Anfang war alles etwas neu. Früher war ich im Stadion, habe Yanick Brecher zugeschaut und ein Leibchen von ihm bekommen. Jetzt sitze ich mit ihm in derselben Kabine. Das erfüllt mich mit stolz. Ich musste mich an den neuen Rhythmus gewöhnen, an die Abläufe. Aber wenn man die Anfangszeit übersteht, hat man schon einen grossen Schritt gemacht.

In dieser Saison schon zweimal zur Pause ausgewechselt, weil der Trainer einen Platzverweis befürchtete. Cheveyo Tsawa sieht im Derby gegen GC die gelbe Karte.
Foto: Nico Ilic/freshfocus

Weiss Yanick Brecher, dass Sie ein Trikot von ihm haben?
Ich glaube, er weiss es, ja.

Hilft es, wenn mehrere Spieler aus dem Nachwuchs gleichzeitig ins Profiteam kommen? Gibt das ein Gemeinschaftsgefühl – oder ist es mehr ein Konkurrenzkampf, weil man weiss, dass nur die wenigsten den Schritt zum Profi schaffen?
Wenn du frisch hochkommst, musst du dich sicher erst einmal etablieren. Das ist für jeden Jungen gleich. Da ist es wichtig, dass es ein Gerüst an erfahrenen Spielern hat, die dir helfen. Aber jetzt, da ich die Situation kenne, versuche ich den Jungen zu helfen, wenn sie vor ihrem ersten Spiel stehen.

Erst 19, aber schon erstaunlich erwachsen: Cheveyo Tsawa.
Foto: Raphaël Dupain

Sie sind eben 19 geworden – und helfen den Jungen?
Ja, genau. Weil ich das auch schon erlebt habe und weiss, wie es ist. Es ist sicher einfacher für Junge, wenn es ein Gemeinschaftsgefühl gibt. Dann fühlt man sich wohl und kann bessere Leistungen zeigen.

Cheveyo Tsawa persönlich

Cheveyo Tsawa (19) ist der Sohn von Dorjee Tsawa (49), dem ersten Fussballprofi in der Schweiz mit Wurzeln im Tibet. Sein Grossvater Pema flüchtete 1959 vor der chinesischen Unterdrückung und landete schliesslich in der Schweiz, wo er mit seiner Frau Tselha im Pestalozzi-Dorf Waisen- und Flüchtlingskinder betreute.

Cheveyo Tsawa wechselte vom FC St. Gallen in die U-18 des FC Zürich. Er hat im Sommer 2025 das Sportgymnasium beendet und gehört seit 2024 zum Profikader des FCZ. Er spielt im zentralen Mittelfeld und ist Mitglied der Schweizer U-21.

Derzeit sind drei Tsawas beim FCZ unter Vertrag: Vater Dorjee als Leiter Athletik im Nachwuchs, Cheveyo bei den Männern und Schwester Shanae (15) im Fanionteam der Frauen.

Raphaël Dupain

Cheveyo Tsawa (19) ist der Sohn von Dorjee Tsawa (49), dem ersten Fussballprofi in der Schweiz mit Wurzeln im Tibet. Sein Grossvater Pema flüchtete 1959 vor der chinesischen Unterdrückung und landete schliesslich in der Schweiz, wo er mit seiner Frau Tselha im Pestalozzi-Dorf Waisen- und Flüchtlingskinder betreute.

Cheveyo Tsawa wechselte vom FC St. Gallen in die U-18 des FC Zürich. Er hat im Sommer 2025 das Sportgymnasium beendet und gehört seit 2024 zum Profikader des FCZ. Er spielt im zentralen Mittelfeld und ist Mitglied der Schweizer U-21.

Derzeit sind drei Tsawas beim FCZ unter Vertrag: Vater Dorjee als Leiter Athletik im Nachwuchs, Cheveyo bei den Männern und Schwester Shanae (15) im Fanionteam der Frauen.

Zuletzt hat der FCZ auf dem Feld genau dieses Bild abgegeben: Dass da eine Mannschaft zu einer Gemeinschaft herangewachsen ist, nachdem zum Saisonstart jeder noch mehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt zu sein schien.
Ich hatte schon von Anfang an das Gefühl, dass wir eine super Truppe zusammen haben. Wir unternehmen auch immer wieder mal gemeinsam Sachen. Wir hatten schwierige Phasen, aber genau das hat uns stärker gemacht. Dann ist mit Dennis Hediger eine neue Energie reingekommen. Und mit uns Jungen, die sich gegenseitig pushen. Vor allem in den letzten Spielen hat man diese positive Energie gesehen. Jeder will für die anderen gehen. Jeder will die Fehler des Nebenmannes ausbügeln. Dank Dennis bringen wir das jetzt auf den Platz, er hat da eine wichtige Rolle gespielt.

Tsawa will irgendwann im Ausland spielen.
Foto: Raphaël Dupain

Und Sie dürfen sich inzwischen als Stammspieler fühlen. Wer sich als 19-Jähriger in der Schweiz durchsetzt, kann davon ausgehen, dass er auf dem Radar ausländischer Klubs auftaucht. Wohin soll Ihre Reise noch gehen?
Es ist definitiv mein Ziel, irgendwann den Schritt in eine Top-5-Liga zu machen. Aber jetzt schaue ich noch nicht so weit. Wir wollen mit dem Team die letzten Spiele des Jahres gewinnen. Danach geht es darum, sich für einen europäischen Wettbewerb zu qualifizieren. Und ich selber versuche, jeden Tag ein Prozent besser zu werden.

Brack Super League 25/26
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Thun
FC Thun
16
13
34
2
FC St. Gallen
FC St. Gallen
16
11
28
3
FC Basel
FC Basel
16
7
27
4
BSC Young Boys
BSC Young Boys
16
5
26
5
FC Sion
FC Sion
16
5
24
6
FC Lugano
FC Lugano
16
-1
24
7
FC Zürich
FC Zürich
16
-4
23
8
FC Lausanne-Sport
FC Lausanne-Sport
16
4
20
9
Servette FC
Servette FC
16
-4
19
10
FC Luzern
FC Luzern
16
-1
18
11
Grasshopper Club Zürich
Grasshopper Club Zürich
16
-11
14
12
FC Winterthur
FC Winterthur
16
-24
9
Meisterschaftsrunde
Abstiegsrunde
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