Darum gehts
- Mitchell van der Gaag ist neuer FCZ-Trainer mit klaren Strukturen
- Van der Gaag betont die Wichtigkeit der Akademie für den FCZ
- Pieter Morel, 40-jähriger ehemaliger Ajax-Chefanalytiker, verstärkt das FCZ-Team
Seit bald 25 Jahren lebt Mitchell van der Gaag (53) mit Unterbrüchen in Lissabon. Für seine sechsköpfige Familie bedeutet Portugal alles: «Wir lieben das Klima, wir sprechen die Sprache, wir haben die Menschen dort gern.» Seine Söhne Jordan und Luca spielen in unterklassigen portugiesischen Klubs, die Töchter bewohnen mit der Mutter das gemeinsame Haus. Van der Gaag fokussiert sich auf seine FCZ-Challenge: «Das ist mein Job, das hat Priorität.»
Blick: In welcher Verfassung haben Sie die Mannschaft vorgefunden, die letzte Saison sämtliche Ziele verpasst hat?
Mitchell van der Gaag: Es ist ein Team im Übergang, wenn man daran denkt, wie viele Spieler den Verein verlassen haben und wie viele Junge aufgenommen worden sind. Ich weiss aus meiner Erfahrung als Coach, dass sehr viele Umstände das Ergebnis einer ganzen Saison beeinflussen können. Am Ende fehlte ein Punkt für die Top 6.
Eine kollektive Depression haben Sie demzufolge nicht ausgemacht?
Nein! Klar waren die Spieler enttäuscht, aber inzwischen haben sie ihren Kopf durchgelüftet. Jeder weiss, dass es besser werden muss, aber eben auch besser werden kann. Eine niedergeschlagene Gruppe habe ich jedenfalls nicht kennengelernt.
Der Holländer Mitchell van der Gaag (53) spielte als Aktiver in der Innenverteidigung und war für mehrere Klubs in seiner Heimat im Einsatz (PSV Eindhoven, Nijmegen, Sparta Rotterdam), später wechselte er zu Motherwell in Schottland und nach Funchal in Portugal, 2007 beendete er die Karriere nach einer Saison in Saudi-Arabien bei Al-Nassr. Als Trainer war er in Portugal tätig, später auch im Ajax-Nachwuchs und bei den Profis. Zuletzt war er Co-Trainer bei Manchester United. Van der Gaag hat beim FC Zürich für zwei Jahre unterschrieben.
Der Holländer Mitchell van der Gaag (53) spielte als Aktiver in der Innenverteidigung und war für mehrere Klubs in seiner Heimat im Einsatz (PSV Eindhoven, Nijmegen, Sparta Rotterdam), später wechselte er zu Motherwell in Schottland und nach Funchal in Portugal, 2007 beendete er die Karriere nach einer Saison in Saudi-Arabien bei Al-Nassr. Als Trainer war er in Portugal tätig, später auch im Ajax-Nachwuchs und bei den Profis. Zuletzt war er Co-Trainer bei Manchester United. Van der Gaag hat beim FC Zürich für zwei Jahre unterschrieben.
Die Spieler schwärmen von Ihrer Trainingsmethodik und den klaren Abläufen. Überrascht Sie das?
Ich denke gerne strukturiert und gebe Leitplanken vor. Das bringt jedem Einzelnen etwas. Jeder verlässt sich gerne auf ein paar funktionierende Mechanismen. Und da muss man frühzeitig eine gemeinsame Basis legen. Aber vergessen wir etwas nicht: Noch ist Honeymoon. Man lernt die Spieler besser kennen, wenn die Meisterschaft läuft, wenn mal ein paar Partien verloren gehen. Dann sieht man rasch, auf wen man zählen kann.
Was ist Ihnen aufgefallen in den ersten fünf Wochen?
Wir hatten zum Beispiel den 15-jährigen Raphaël Coulibaly im Training, auf der anderen Seite haben wir den 33-jährigen Steven Zuber. Mendy ist Weltmeister. Die Diversität im Team ist gross. Wir haben fast zwei Generationen innerhalb einer Mannschaft.
Wie gehen Sie damit um?
Die Generationen verändern sich ständig, man muss sich immer wieder neu darauf einstellen, lernt neue Dinge dazu. Die Trainer, der Klub, alle müssen sich fortlaufend anpassen. Es gibt verschiedene Nationalitäten, verschiedene Altersgruppen. Es gibt überall Leader. Die einen sind eher still, sie führen mit Taten. Andere sind extrovertierter.
Steven Zuber ist eines der grossen FCZ-Gesichter, er trägt den ganzen Druck auf seinen Schultern. Wie können oder wollen Sie ihn entlasten?
Steven hat eine wunderbare Karriere gemacht, 56 Länderspiele stehen in seiner Bilanz. Er spielte für grosse Teams, entsprechend sind die Erwartungen an ihn hoch. Es gibt Akteure, die deswegen einbrechen. Er hingegen hat alles sehr gut gelöst. Wir sind eine Mannschaft mit vielen Jungen, die ihren Platz zuerst noch finden müssen. Wir brauchen Spieler wie Zuber, die anderen vorleben, wie eine Gruppe in einem guten Sinne zu führen ist. Wenn es schwierig wird, stehen die Jungen nicht in der ersten Reihe. Aber sie werden dank einem wie Zuber lernen und am Ende bereit sein, einen Teil der Verantwortung mitzutragen. Steven ist ein Winner-Typ. Solche Spieler wünscht man sich als Trainer.
Er hat im Gegensatz zum Gros viele Kilometer in seinen Beinen. Was ist Ihr Plan, um dieses Defizit kompensieren zu können?
Im Moment muss ich mich um die jungen Spieler kümmern, ich muss mit ihnen arbeiten. Sie haben Qualität, aber einige bleiben nicht im Team, sie müssen an ihrem Potenzial in der U21 oder U19 arbeiten und dort Minuten sammeln. Andere haben letzte Saison nicht viele Chancen erhalten, jetzt können sie zupacken. Die Jungen könnten dem Team Energie zuführen. Das habe ich schon bei Ajax gelernt – in harten Zeiten tut die Frische der Talente sehr gut. Sie sehen keine Probleme, sie stürmen vorwärts, sie sehen die Herausforderung.
Das aktuelle Volumen im Angriff ist dünn. Wie reagieren Sie auf diese Konstellation?
Es kann viel passieren, weil das Transferfenster lange offen ist. Wir starten in der Schweiz vergleichsweise früh. Gewisse Spieler wollen sich noch nicht entscheiden. Der FCZ hingegen hat keine Zeit, wir starten am 25. Juli. Damit habe ich mich zu arrangieren. Ich erinnere mich, wie ich einst mit Excelsior mit 13 Spielern im Kader zur Meisterschaft gestartet bin. Beim FCZ ist die Lage weitaus komfortabler.
Sportchef Milos Malenovic hat am Tag Ihrer Präsentation betont, dass die Akademie das Herzstück bilde, dass kein Weg an ihr vorbeiführe.
Entscheidend ist der Mix. Dann können junge Spieler auch mit dem nötigen Vertrauen im Profi-Team zum Einsatz kommen und werden auf etwas längere Sicht interessant für den Transfermarkt. Das hilft allen. Und der FCZ wird so attraktiv für spannende Spieler mit Potenzial, die sich für den nächsten Schritt ins Ausland empfehlen können. Die Akademie ist damit verlinkt, sie gehört zur DNA des Vereins. Deshalb verstehe ich sehr gut, was Milos meint. Bei Ajax ist es nicht anders. Wenn du als Coach dort unterschreibst, weisst du genau: Die Akademie ist immer da; die Idee wird immer sein, diese Spieler in die erste Mannschaft zu bringen. Von der guten Philosophie allein leben wir allerdings nicht, wir bewegen uns in einem Resultat-Geschäft.
Der Zürcher Sportchef pflegt in der Regel einen sehr engen Austausch mit allen FCZ-Beteiligten. Wie kommt das bei Ihnen an?
Während meiner Zeit in Portugal habe ich einen Präsidenten erlebt, der sich unmittelbar vor dem Spiel vor das Team gestellt hat und Anweisungen gab. Man bringt mich nicht so rasch aus der Ruhe (lacht). Wichtig ist eine gute gemeinsame Kommunikation, ohne einen konstruktiven Weg ist man verloren. Unser Austausch ist sehr klar, jeder weiss, was zu tun ist. Ich glaube, manchmal wird ein Problem hineininterpretiert, das im Kern gar nicht existiert. Die Verbindung zu einem Sportchef muss eng sein. Und über allem steht sowieso nur etwas: der FC Zürich.
Sie haben mit Pieter Morel (40) den langjährigen Ajax-Chef-Analytiker nach Zürich gelotst.
Pieter ist ein brillanter Kopf, sehr loyal und weiss, wie man Spiele gewinnt. Er hat mit verschiedenen Top-Coaches gearbeitet. Ich kenne ihn seit meiner Zeit in der U21-Mannschaft von Ajax (2019). In Holland und in England haben wir sehr eng miteinander kooperiert. In seinem Rucksack steckt sehr viel, und er ist bereit für ein neues Abenteuer. Er wird mit uns auf dem Rasen stehen, das Geschehen ganz eng verfolgen und wird auch verstehen, wie die Dynamik innerhalb des Teams ist. Er wird stark involviert in alle Abläufe. Für mich war es wichtig, jemanden dabei zu haben, der exakt weiss, was ich vorhabe, wie ich ticke. Das kann Prozesse beschleunigen.
Die beiden Klubchefs Ancillo und Heliane Canepa sind sehr präsent. Wie wirkt das auf Sie?
Für mich zeigt sich bei den Canepas vor allem das Commitment. Sie kümmern sich intensiv um den FCZ. Meine Frau und ich haben beim ersten Meeting mit ihnen einen sehr guten Eindruck gewonnen. Für mich sind Cillo und Heliane zwei spannende Persönlichkeiten, die mich challengen. Es ist schön, zu sehen, dass ihnen der FCZ extrem viel wert ist.