Darum gehts
Johan Djourou (38) ist einer der erfolgreichsten Fussballer der Schweiz. Fast ein Jahrzehnt spielt er für Arsenal, später auch beim HSV, in Italien, der Türkei und Dänemark. Für die Nati absolviert er 76 Länderspiele und ist an fünf Endrunden dabei. An der Frauen-EM ist er als Sport-Koordinator Teil des Staffs und sorgt mit seiner lockeren und integrativen Art für gute Stimmung im Nati-Camp.
Zum Frauenfussball gekommen ist Djourou durch seine drei Töchter Lou (15), Aliany (13) und Julia (10). Denn die drei sind absolut fussballbegeistert und wandeln auf den Spuren ihres Vaters. Als bei Lou nach dem Champions-League-Final 2022 zwischen Chelsea und Manchester City der Wunsch aufkommt, selber die Fussballschuhe zu schnüren, sieht sich Djourou in der Pflicht. «Als Vater stehst du in der Verantwortung, die Träume deiner Kinder zu ermöglichen.»
Djourou beginnt seine Tochter im lokalen Team in Lancy zu coachen. Und diese macht schnell Fortschritte. Ihr Ziel heute ist es, Profi zu werden. «Sie will das unbedingt. Sie steht viel auf dem Platz, schaut ständig Fussball, geht in den Kraftraum. Sie hat Potenzial.» Dank ihrer Schnelligkeit spielt sie als Flügel, ihr Vorbild ist Cole Palmer. Einziger Makel: Sie ist Chelsea-Fan, was aus Sicht des Vaters, der 144 Mal für den Stadtrivalen Arsenal auflief, natürlich nicht geht.
An der EM drückt Lou neben der Schweiz ihrem Geburtsland England die Daumen. Auch als Trainerin steht sie regelmässig auf dem Platz. Dabei coacht sie unter anderen ihre jüngste Schwester Julia. Auch sie ist Stürmerin und möchte professionelle Fussballerin werden. «Oder Tänzerin», sagt sie lächelnd und in perfektem Englisch. Dass ihr Vater ein berühmter Fussballer war und nun auch Funktionär und Trainer ist, ist ihr egal. «Er ist einfach mein Papa.» In der Familie ist sie der Wirbelwind, ähnlich wie ihr Idol auf dem Platz: Lamine Yamal (17).
Auf dem Platz strenger als zu Hause
Die ruhigste des Trios ist Aliany. Im Gegensatz zu ihren Schwestern, die den Drang zur Offensive haben, tut sie es ihrem Vater gleich und spielt in der Abwehr. «Sie ist sehr ruhig am Ball und körperlich sehr stark», sagt Djourou. «An der Technik und am Gefühl mit dem Ball müssen wir noch etwas arbeiten.» Ihr grosses Vorbild neben Englands Verteidigerin Lucy Bronze ist William Saliba von Arsenal. «Ich versuche so zu spielen wie er.»
Ob der Vater als Trainer auf dem Platz strenger sei als zu Hause, will Blick von den drei Mädchen wissen. Die Antwort ist klar: ja. «Mir geht es in erster Linie darum, dass meine Töchter Spass haben», sagt Djourou mit einem Lachen. «Aber wenn sie arbeiten und weiterkommen wollen, dann muss ich mit ihnen strikt sein.» Er sei aber kein Trainer, der laut sei und schreie, auch zu Hause nicht. «Dort gibt es einfach gewisse Regeln, welche die drei befolgen müssen.»
Dass die drei Spass am Fussball haben, wird beim Besuch in Bernex GE offensichtlich. Wie so viele Mädchen in der Schweiz. Gerade diese EM soll einen Boom auslösen, der SFV will die Anzahl lizenzierter Frauen auf 80’000 verdoppeln. «Nicht nur die Jungs, auch die siebenjährigen Mädchen träumen heute davon, Profi zu werden», sagt Djourou. Doch für viele von ihnen hätte es kaum Platz. «Wir müssen vieles optimieren und eine Vision schaffen. Damit müssen wir jetzt anfangen.»
Eine offene Rechnung an der Heim-EM
Er selbst hat vor einem Jahr quasi die Seite gewechselt. Als RTS-Experte im Einsatz, gab er während der Männer-EM in Deutschland bekannt, dass er in den Staff der Frauen-Nati wechseln wird. Als Sport-Koordinator unterstützt er Direktorin Marion Daube und ist das Bindeglied zwischen ihr, Staff und Team. «Die Mentalität der Frauen und Mädchen ist eine total andere. Man muss ein Gespür für sie entwickeln und versuchen, sie zu verstehen», sagt Djourou.
Auch wenn der eine oder andere seiner früheren Teamkollegen geschmunzelt hat, als Djourou die Aufgabe übernommen hat, fühlt sich der Genfer mit ivorischen Wurzeln pudelwohl inmitten der Nati, was während des ganzen EM-Camps offensichtlich wird. Mal bespricht er taktische Dinge mit Pia Sundhage und ihren Assistenten, mal flachst er mit Alisha Lehmann, mal gibt er Iman Beney Tipps, wie sie in der Defensive zu stehen hat. Und mal spielt er im Training auch selber mit, denn der 38-Jährige ist noch immer topfit.
Die Erfahrung einer Heim-EM hat Djourou bereits 2008 als Spieler gemacht. Zu Hause, vor Familie und Freunden zu spielen, könne man mit nichts vergleichen. «Das ist etwas Einmaliges und Einzigartiges», sagt Djourou. Sportlich soll es diesmal allerdings besser laufen als vor 17 Jahren, als die Nati bereits nach zwei Spielen ausgeschieden war. Um dieses Szenario zu verhindern, braucht sie gegen Island wohl zumindest einen Punkt. Doch egal, wie es am Ende mit der Nati rauskommt, Lou, Aliany und Julia werden auf ihren Papa sowieso stolz sein.